European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00011.19B.0129.000
Spruch:
Juan P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Mit (im zweiten Rechtsgang ergangenem) Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 30. Jänner 2018, GZ 20 Hv 48/15g‑870, wurde – soweit für das Verfahren über die Grundrechtsbeschwerde relevant – Juan P***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB (A./) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (D./8./) schuldig erkannt und (unter Anrechnung der Vorhaft vom 29. April 2015, 11:35 Uhr, bis 30. Jänner 2018, 12:45 Uhr) zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt (ON 870 S 10).
Danach hat er in L***** und andernorts als Mitglied einer kriminellen Vereinigung
A./ als Beteiligter nach § 12 zweiter (richtig [RIS‑Justiz RS0089665]: dritter) Fall StGB vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus‑ und eingeführt, indem er die Mitangeklagten Jose B***** und Sergio S***** beauftragte,
I./ am 5. Dezember 2014 Rafael Ru*****, der vorschriftswidrig 133 „Bodypacks“ Kokaingemisch (Gesamtgewicht 1.321,2 Gramm) mit einem Reinheitsgehalt von 51,8 %, sohin 684,38 Gramm reines Kokain in seinem Körper versteckt aus der Dominikanischen Republik aus- und nach Deutschland eingeführt sowie aus Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt hatte, mit dem Pkw in Wien abzuholen und zur Ausscheidung des Kokains in eine Wohnung nach L***** zu bringen;
II./ am19. Dezember 2014 Miguel Pa*****, der vorschriftswidrig 87 „Bodypacks“ Kokain (Gesamtgewicht 791,7 Gramm) mit einem Reinheitsgehalt von 49,04 %, sohin 388,3 Gramm reines Kokain in seinem Körper versteckt aus der Dominikanischen Republik aus- und nach Deutschland eingeführt sowie aus Deutschland aus- und nach Österreich einzuführen versucht hatte, wobei er in München festgenommen wurde, mit dem Pkw in Wien abzuholen und zur Ausscheidung des Kokains nach L***** zu bringen;
D./8./ im Juli 2014 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge B***** überlassen, und zwar zehn „Kokain‑Kugeln“ (insgesamt 80 Gramm Kokaingemisch) mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 24 Gramm reines Kokain, und 50 bis 100 Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 15 bis 30 Gramm reines Kokain.
Gegen diese Entscheidung haben der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und die Staatsanwaltschaft Berufung eingebracht. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat der Oberste Gerichtshof am heutigen Tag in nichtöffentlicher Beratung zurückgewiesen (14 Os 72/18x; § 285d Abs 1 StPO).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 22. November 2018, AZ 20 Hv 48/15g, mit dem die am 29. April 2015 verhängte Untersuchungshaft wegen der Haftgründe der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr (§ 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und b StPO) fortgesetzt worden war, nicht Folge und ordnete – ausgehend vom Vorliegen dringenden Tatverdachts hinsichtlich der von den Schuldsprüchen umfassten Taten – seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den zuvor genannten Haftgründen an. Angesichts der (nicht rechtskräftig) verhängten Freiheitsstrafe sah es die Dauer der Untersuchungshaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung als verhältnismäßig an.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten P***** kommt keine Berechtigung zu.
Die rechtliche Annahme einer in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr überprüft der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren dahin, ob die Prognoseentscheidung aus den im angefochtenen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich (somit als nicht oder als offenbar unzureichend begründet) angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).
Das Oberlandesgericht bejahte die Fluchtgefahr (§ 173 Abs 2 Z 1 StPO), da der Angeklagte als Staatsangehöriger der Dominikanischen Republik zuletzt seinen Aufenthalt in Spanien gehabt habe, über gute Auslandskontakte verfüge, in Österreich nicht sozial integriert und in eine international agierende kriminelle Vereinigung mit dem Ziel des Schmuggels großer Mengen Suchtgift in die Europäische Union eingebunden sei, und (nicht rechtskräftig) zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden ist (BS 4). Warum diese Annahme gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungen (vgl dazu RIS‑Justiz RS0116732) verstoßen soll, erklärt die Grundrechtsbeschwerde nicht. Vielmehr erschöpft sie sich in einer wörtlichen Wiederholung des Vorbringens der gegen die Haftentscheidung des Landesgerichts Linz vom 22. November 2018 gerichteten Beschwerde.
Mit Blick auf die erfolglos in Frage gestellte Annahme der Fluchtgefahr erübrigt sich ein Eingehen auf das gegen die Annahme der Tatbegehungsgefahr gerichtete Argument (RIS‑Justiz RS0061196).
Dass das Beschwerdegericht angesichts der im Ersturteil verhängten – in diesem Zusammenhang maßgeblichen (vgl RIS‑Justiz RS0108401; Kier in WK² GRBG § 2 Rz 13, 16) – Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren und der Bedeutung der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlungen die Unverhältnismäßigkeit der zum Zeitpunkt der Entscheidung etwa drei Jahre und sieben Monate andauernden Untersuchungshaft verneint hat (BS 4), ist vertretbar (RIS‑Justiz RS0120790).
Soweit der Beschwerdeführer den zeitlichen Ablauf des Strafverfahrens darlegt und vermeint, die lange Verfahrensdauer, welche von ihm weder veranlasst noch verschuldet worden sei, habe nunmehr zur Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft geführt, legt er entgegen § 3 Abs 1 erster Satz GRBG nicht konkret dar, in welcher (genau bezeichneten) Verzögerung der im Strafverfahren tätigen Behörden eine ins Gewicht fallende und somit grundrechtswidrige Säumigkeit vorliege ( Kier , WK‑StPO § 9 Rz 54; Kirchbacher/Rami , WK‑StPO § 177 Rz 3).
Entgegen der (auf 11 Os 162/00 rekurrierenden) Beschwerde bleibt nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft die allfällige Möglichkeit einer bedingten Entlassung unberücksichtigt und ist auf die Bedeutung der Sache und die zu erwartende (hier: in erster Instanz ausgesprochene) Strafe abzustellen (RIS‑Justiz RS0118876, RS0123343; Kirchbacher/Rami , WK‑StPO § 173 Rz 14). Warum sich der Oberste Gerichtshof – entgegen RIS‑Justiz RS0117603 – der Meinung anschließen sollte, die Dauer der Untersuchungshaft müsse wesentlich hinter der zu erwartenden Strafe zurückbleiben, argumentiert die Beschwerde nicht. Vielmehr nimmt sie auch in diesem Zusammenhang nicht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bezug, sondern wiederholt weitgehend wörtlich das Vorbringen der gegen die Haftentscheidung des Landesgerichts Linz vom 22. November 2018 gerichteten Beschwerde (RIS‑Justiz RS0106464).
Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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