OGH 6Ob126/18z

OGH6Ob126/18z20.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler und Dr. Nowotny sowie die Hofrätinnen Dr. Kodek und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.‑Prof. Dr. C***** R*****, vertreten durch die Prager & Partner Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** U*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Mag. Dr. H***** K*****, 2. MMag. M***** B*****, beide vertreten durch die Dr. Engelhart & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 10.036.110 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 239.890 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Mai 2018, GZ 2 R 47/18x‑96, mit dem über Berufungen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 31. Jänner 2018, GZ 9 Cg 151/13a‑90, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00126.18Z.1220.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Zinsenzuspruch dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in seinem Punkt 1.) einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat wie folgt:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 4.322.332 EUR samt 4 % Zinsen aus 3.247.195 EUR von 7. 9. 2012 bis 10. 10. 2012 und aus 4.322.332 EUR seit 11. 12. 2012 zu zahlen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.747,39 EUR (darin 457,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte gründete 1989 die Anton U***** GmbH (die GmbH), die im Bereich der Zerkleinerungstechnik tätig ist. Er war seit der Gründung Geschäftsführer und im wechselnden Beteiligungsausmaß Gesellschafter. Der Kläger erwarb mit Management-Buy-In- und Beteiligungsvertrag (MBIBV) vom 30. 9. 2004 vom Beklagten 26 % der Geschäftsanteile und wurde neben dem Beklagten Geschäftsführer (Phase I). Bei Erreichen der definierten Zielvorgabe bis zum Wirtschaftsjahr 2007/08 sollte sich die Phase II anschließen. In dieser hätten sich die Stimmrechte des Klägers auf 51 % erhöht, er hätte alleiniger Geschäftsführer werden sollen. Der Beklagte hatte das Recht, vor Ende der Phase I den MBIBV trotz Erreichens der Zielvorgabe zu kündigen. Er machte von diesem Recht Ende 2007 Gebrauch. Für diesen Fall sieht Punkt VI.B. des MBIBV die Verpflichtung des Beklagten vor, den Geschäftsanteil des Klägers zurückzukaufen. Der Rückkaufspreis setzte sich aus dem ursprünglichen Kaufpreis zuzüglich einer Abgeltung von 70 % der Wertsteigerung des Unternehmens zusammen. Die Streitteile änderten diese Vereinbarung im März 2009 ab, wobei sich die Abweichungen ausschließlich auf die Vergleichszeitpunkte für die Ermittlung der Unternehmenswertsteigerung und auf die Fälligkeit der Kaufpreisanteile bezog. Als Vergleichsstichtage wurden der 31. 1. 2005 und der 31. 1. 2008 festgelegt.

Punkt IX. des MBIBV sieht vor, dass die Methodik eines im Juli 2004 von K***** erstellten Unternehmensbewertungsgutachtens bei allen zukünftigen Unternehmensbewertungen beizubehalten und „nach Maßgabe der im Unternehmen vorhandenen Planrechnungen zu verfeinern“ sei; die Sekundärmarktrendite und der Beta-Wert des K*****-Gutachtens des Jahres 2004 seien beizubehalten. Die Parteien sollten sich auf die Person des Gutachters einigen; gelinge dies nicht, sei der Gutachter vom Präsidenten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder namhaft zu machen.

Die Parteien gehen einvernehmlich von einem Unternehmenswert zum 31. 1. 2005 von 6,5 Mio EUR aus. Sie erzielten jedoch keine Einigkeit über die Steigerung des Unternehmenswerts. Sie gaben daher einvernehmlich ein Gutachten in Auftrag, das von den Nebenintervenienten ausgearbeitet wurde. Dieses Gutachten ergab einen Unternehmenswert zum 31. 1. 2008 von 16,4 Mio EUR.

Bei der Erstellung des Gutachtens durch die Nebenintervenienten wurden im Einzelnen festgestellte Aufwendungen in den Planungsannahmen zu Unrecht nicht eliminiert, obwohl die Notwendigkeit dafür für einen sachkundigen unbefangenen Beurteiler erkennbar war. Dies hätte für die Ermittlung des Unternehmenswerts zum 31. 1. 2008 zu einem höheren Cashflow geführt, dessen Barwert abzüglich KESt 237.700 EUR beträgt. Die Nebenintervenienten hätten zudem eine Prozesskostenrückstellung aus der für die Planzahlen ermittelten Aufwandsintensität eliminieren müssen, was für einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Unternehmensbewertung ohne Zögern erkennbar war. Der Barwert abzüglich KESt der daraus resultierenden Änderung der Zahlungsströme beträgt 105.000 EUR. Zudem fand im Gutachten der Nebenintervenienten im Vergleich zum K*****-Gutachten 2004 hinsichtlich der Wachstumsannahme ein Wechsel in der Methode statt, der zu einem um 965.000 EUR höheren Unternehmenswert als bei Beibehaltung der Methode führte. Dies war für einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Unternehmensbewertung evident.

Der Beklagte zahlte dem Kläger 2.172.058 EUR zur Abgeltung der Unternehmenswertsteigerung.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 10.036.110 EUR samt gestaffelter Zinsen von 9,2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz als restliche Abgeltung von 70 % der Unternehmenswertsteigerung. Das Gutachten der Nebenintervenienten sei in mehreren Punkten unrichtig und daher nicht bindend. Die geltend gemachten Ansprüche resultierten aus einem abgebrochenen Unternehmensnachfolgeprozess. Der Kläger sei im Zeitpunkt der Beendigung dieses Vorgangs geschäftsführender Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 26 % gewesen. Er gelte daher in Bezug auf seine Ansprüche als Unternehmer. Der Rückkauf des Geschäftsanteils sei ein unternehmensbezogenes Geschäft. Daher habe der Kläger Anspruch auf unternehmerische Verzugszinsen.

Der Beklagte bringt vor, die Nebenintervenienten hätten im Vergleich zum K*****-Gutachten unterschiedliche Methoden angewandt, woraus sich ein zu hoher Unternehmenswert ergebe. Die Parteien hätten den MBIBV nicht als Unternehmer, sondern als Private abgeschlossen. Jedenfalls sei der Kläger bei Abschluss der Verträge nicht Unternehmer gewesen; für ihn sei zu keinem Zeitpunkt ein unternehmensbezogenes Geschäft vorgelegen.

Die Nebenintervenienten stehen auf dem Standpunkt, ihr Gutachten auf Grundlage der von den Parteien übergebenen Unterlagen richtig erstattet zu haben.

Das Erstgericht gab der Klage mit 4.322.332 EUR samt Zinsen von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.247.195 EUR vom 7. 9. 2012 bis 10. 10. 2012 und aus 4.322.332 EUR seit 11. 12. 2012 statt und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 5.713.778 EUR sA und das Zinsenmehrbegehren ab.

Rechtlich beurteilte es Punkt IX. des MBIBV als Schiedsgutachterabrede. Das Schiedsgutachten sei für die Parteien und das Gericht bindend, sofern nicht eine qualifizierte Unrichtigkeit vorliege. Aufgrund derartiger Unrichtigkeiten sei dem ermittelten Unternehmenswert der Barwert der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Prozesskostenrückstellungen hinzuzuschlagen; hingegen sei jener Betrag abzuziehen, der sich aus einer von der Methodik des K*****-Gutachtens abweichenden Berücksichtigung eines Wachstumsfaktors ergebe. 70 % der so ermittelten Wertsteigerung abzüglich der bereits bezahlten Abgeltung ergebe den zugesprochenen Betrag.

Das Berufungsgericht gab den vom Kläger und vom Beklagten erhobenen Berufungen nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen seien.

Das Berufungsgericht beurteilte die Berufung des Klägers, der im Gutachten der Nebenintervenienten kein Abgehen von der Methode des K*****-Gutachtens erblickte, als nicht berechtigt.

Zur Berufung des Beklagten vertrat es die Rechtsansicht, dass es für das Vorliegen einer qualifizierten Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens nicht auf das Ausmaß einer Korrektur ankomme, sondern nur darauf, ob das Gutachten augenscheinlich unrichtig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch unternehmerischer Verzugszinsen. Beurteilungszeitpunkt für die Unternehmereigenschaft der Streitteile sei der Zeitpunkt der Optionsausübung durch den Beklagten Ende 2007, weil dadurch das Rechtsverhältnis – der Rückkauf der Geschäftsanteile – in Geltung gesetzt worden sei. Damals sei der Kläger Geschäftsführer mit einem Geschäftsanteil von 26 % gewesen; er wäre, hätte der Beklagte die Option nicht genutzt, ab dem Jahr 2008/09 alleine mit der Leitung der Gesellschaft beauftragt gewesen und hätte 51 % der Stimmrechte gehabt. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise seien beide Vertragsparteien als Unternehmer zu qualifizieren, die Rückübertragung als unternehmensbezogenes Geschäft.

Mit seiner Revision strebt der Beklagte die Abweisung der Klage im 4.082.442 EUR übersteigenden Umfang, sohin die Herabsetzung des von den Vorinstanzen zugesprochenen Kapitals um 239.980 EUR, sowie die Abweisung des über einen Zinssatz von 4 % hinausgehenden Zinsenbegehrens an.

Er bringt zusammengefasst vor, das Berufungsgericht hätte wegen der nur geringfügigen Korrektur des von den Nebenintervenienten ausgemittelten Unternehmenswerts nicht von einer offenbaren Unbilligkeit des Schiedsgutachtens ausgehen dürfen. Darüber hinaus fehle im Hinblick auf die Regelung unternehmerischer Zinsen Rechtsprechung zur Einordnung von Geschäftsführer-Gesellschaftern als Unternehmer oder Verbraucher bei einem GmbH-Anteilskauf. Der Normzweck der hohen unternehmerischen Zinsen sei bei Einzelgeschäften von Gesellschaftern, die kein eigenes Unternehmen betrieben, nicht erfüllt; ein solcher Fall liege hier vor.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision des Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Höhe der Verzugszinsen im Fall der Abtretung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters an einen anderen vorliegt. Sie ist im Zinsenpunkt auch berechtigt.

Zur Bindungswirkung des Schiedsgutachtens

1. Das Ergebnis eines Schiedsgutachtens ist grundsätzlich für die Parteien und das Gericht materiell-rechtlich bindend (RIS‑Justiz RS0106359). Nicht jede objektive, sondern nur eine qualifizierte Unrichtigkeit beraubt das Schiedsgutachten seiner bindenden Wirkung (RIS‑Justiz RS0106360 [T1]). Es unterliegt dann einer nachprüfenden richterlichen Kontrolle, wenn es offenbar der Billigkeit widerstreitet. Als offenbar unbillig ist eine Bestimmung anzusehen, wenn sie den Maßstab von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und ihre Unrichtigkeit sich dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss (RIS‑Justiz RS0016769 [T2]; RS0081234 [T1]).

2. Das angefochtene Urteil steht mit diesen Grundsätzen im Einklang, da sich das Berufungsgericht auf die Feststellungen stützen konnte, dass die aufgegriffenen Unrichtigkeiten in der Bewertung des Unternehmens zum Stichtag 31. 1. 2008 für eine unbefangene sachkundige Person evident waren. Dass sich die Abweichung in einem generalisierbaren quantitativen Mindestausmaß auswirken müsse, kann der vom Revisionswerber zitierten Rechtsprechung nicht entnommen werden. Zu 2 Ob 236/07f wurde die Bejahung der Bindungswirkung des Schiedsgutachtens angesichts des weiten Ermessensspielraums bei der Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses trotz einer Abweichung von 30 % als im Einzelfall vertretbar angesehen. Hingegen konnte zu 7 Ob 8/17b die Unbilligkeit der Preisfestsetzung durch den Vertragspartner nicht beurteilt werden, weil bei Abweichungen vom Marktpreis von 6,77 % und 8,24 % Feststellungen zur Kostenstruktur des relevanten Markts fehlten.

Die Vorinstanzen kamen zum Ergebnis, dass der Unternehmenswert zum Stichtag 31. 1. 2008 aufgrund qualifizierter Unrichtigkeiten des Schiedsgutachtens um insgesamt 622.300 EUR, das sind 3,8 % von dem im Schiedsgutachten ermittelten Wert, abwich. Darin sind Abweichung zugunsten und zu Lasten beider Streitparteien enthalten. Mit dem pauschalen Hinweis, es müsse ein „entsprechend hohes“ Ausmaß der Unrichtigkeit vorhanden sein, zeigt der Revisionswerber nicht auf, dass diese Abweichungen im konkret zu beurteilenden Fall insgesamt zu gering sei, um die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens zu beseitigen.

Zur Höhe der Verzugszinsen

1. Der Kläger macht offene Kaufpreisansprüche für die Rückübertragung seiner Geschäftsanteile an den Beklagten aufgrund der Kündigung des MBIBV durch den Beklagten geltend. Der MBIBV vom 30. 9. 2004 enthält in seinem Punkt VI.B. eine Regelung des Kaufpreises sowie der Fälligkeit für den Fall der Ausübung des Kündigungsrechts durch den Beklagten. Diese Vereinbarung wurde von den Parteien mit notarieller Vereinbarung vom 9./25. 3. 2009 abgeändert. Beide Vereinbarungen enthalten keine Regelung der Verzugszinsen.

Das Berufungsgericht stellte als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Verbraucher- oder Unternehmereigenschaft der Parteien auf den Zeitpunkt der Kündigung des MBIBV durch den Beklagten Ende 2007 ab. Demgegenüber steht der Revisionswerber auf dem Standpunkt, es sei auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Abtretungsvertrags am 9. 12. 2010 abzustellen, zu dem der Kläger nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei. Darauf kommt es aber, wie im Folgenden ausgeführt, nicht an.

2.1. Gemäß § 352 UGB in der hier relevanten Fassung (HaRÄG BGBl I 120/2005) beträgt der gesetzliche Zinssatz bei der Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus unternehmensbezogenen Geschäften acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

2.2. § 352 UGB setzt ein beiderseitiges Unternehmergeschäft voraus (RIS‑Justiz RS0120608 [T6]; Dullinger in Jabornegg/Artmann , UGB² § 352 Rz 2; vgl Haberer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 455 Rz 10 zu § 456 UGB idFd Zahlungsverzugsgesetzes BGBl I 2013/50, anzuwenden auf ab dem 16. 3. 2013 geschlossene Verträge). Die Regelung unternehmerischer Verzugszinsen knüpft sohin an den Unternehmensträger an ( Haberer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 455 Rz 10). Außerdem muss das Geschäft zum Betrieb des Unternehmens gehören ( Dullinger in Jabornegg/Artmann , UGB² § 352 Rz 2). Der für die Anwendung unternehmerischer Zinsen maßgebliche Unternehmerbegriff entspricht insofern jenem des § 1 Abs 2 KSchG (ErläutRV 1167 BlgNR 21. GP  10 zum ZinsRÄG, BGBl I 118/2002).

Unternehmer ist, wer ein Unternehmen betreibt (§ 1 Abs 1 UGB); das ist derjenige, in dessen Namen unternehmensbezogene Geschäfte abgeschlossen werden ( Dehn in Krejci , RK, § 1 UGB Rz 7). Gesellschafter einer rechtsfähigen Gesellschaft betreiben das Unternehmen der Gesellschaft nicht, da die unternehmensbezogenen Geschäfte nicht in ihrem Namen abgeschlossen werden ( Straube in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 1 Rz 26 mwN; Dehn in Krejci , RK, § 1 UGB Rz 14).

3. Die Rechtsprechung hat in Fällen, in denen ein Unternehmen von einer Gesellschaft betrieben wird, die Gesellschafter im Verhältnis zu Dritten vielfach vom Anwendungsbereich verbraucherschützender Bestimmungen ausgenommen und sie als Unternehmer iSv § 1 Abs 1 Z 1 KSchG qualifiziert. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Anwendung von Verbraucherschutzbestimmungen nicht gerechtfertigt ist, wenn der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird (7 Ob 315/01a; 8 Ob 72/14t; 8 Ob 86/16d; RIS‑Justiz RS0065238 [T1, T11, T16]; vgl RS0116313). Die Verbraucher- bzw Unternehmereigenschaft eines Gesellschafters ist nach ständiger Rechtsprechung in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen (6 Ob 43/13m mwN). Als entscheidendes Kriterium ist darauf abzustellen, inwiefern der Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen kann (6 Ob 14/18d; 6 Ob 43/13m mwN). Der Sache nach liegt in der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Abgrenzung nach teleologischen Erwägungen (6 Ob 43/13m). Die jüngere Rechtsprechung hat klargestellt, dass eine teleologische Reduktion nicht generell beim Anwendungsbereich des § 1 KSchG zu erfolgen hat, sondern bei der jeweils konkret fraglichen Norm, etwa bei §§ 25c, 25d KSchG (4 Ob 232/12i; 6 Ob 43/13m mwN; RIS‑Justiz RS0065288).

4. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht die (Nicht-)Anwendung von Schutzvorschriften des Verbraucherrechts, sondern die Anwendung von gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht strengeren Regeln des unternehmerischen Sonderprivatrechts des Vierten Buches des UGB auf das hier vorliegende Geschäft zwischen zwei GmbH-Gesellschaftern.

Auch diese Beurteilung hat – wie im Folgenden gezeigt – nach dem Zweck der jeweiligen Regelung zu erfolgen.

5.1. In der Literatur finden sich zahlreiche Stellungnahmen, die der Frage nachgehen, ob im „Innenverhältnis“ zwischen den Gesellschaftern eine Qualifikation als Unternehmer oder Verbraucher überhaupt in Betracht kommt; gegebenenfalls, nach welchen Kriterien sie zu erfolgen habe.

5.2. Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass die Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft (zumindest in manchen) Verträgen über die Gründung und innere Organisation einer Gesellschaft im Regelfall nicht als Unternehmer oder Verbraucher anzusehen seien. Dies wird damit begründet, dass das Gesellschaftsverhältnis kein Austauschverhältnis sei, sondern aus einer Fülle wechselseitiger Rechte und Pflichten bestehe, die dem Zweck des gemeinschaftlichen Zusammenwirkens dienen ( Kalss , Der Anleger im Handlungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt [2001] 11 ff, 116; Terlitza/Weber , Zur Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten nach dem SchiedsRÄG 2006, ÖJZ 2008, 1 [7]; Kathrein/Schoditsch in KBB 5 § 1 KSchG Rz 5 aE; Skarics , Der GmbH-Gesellschafter als Verbraucher [2017] 100 ff). Als Beispiele werden etwa die Gesellschaftsgründung und die interne Willensbildung angeführt ( Kathrein/Schoditsch in KBB 5 § 1 KSchG Rz 5 aE).

5.3. Hingegen wird für den Erwerb von Geschäftsanteilen vertreten, dass darin sowohl eine unternehmerische, als auch eine private Tätigkeit gelegen sein kann ( Kalss , Der Anleger im Handlungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt [2001] 111 ff). Der Erwerb und die Veräußerung von Geschäftsanteilen sollen in jenen Fällen zur Qualifikation des Gesellschafters als Unternehmer führen, in denen diese Geschäfte zu einem vom Gesellschafter selbst betriebenen Unternehmen gehören ( Artmann in Jabornegg/Artmann , UGB² § 105 UGB Rz 55; Told in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 111 Rz 6). Das sei dann der Fall, wenn der Gesellschafter die Beteiligungsgeschäfte in einem Rahmen ausübe, der über die private Vermögensverwaltung hinausgehe, beispielsweise, indem er fortlaufend im eigenen Namen Geschäftsanteile an- und verkaufe. In einem solchen Fall sei der für die Unternehmerstellung erforderliche Marktauftritt im Außenverhältnis gegeben ( Skarics , Der GmbH-Gesellschafter als Verbraucher 113 ff, 119 f, 205 f). Im Regelfall sei der künftige oder ausscheidende Gesellschafter beim Anteilskaufvertrag aber als Verbraucher einzustufen ( Skarics , Der GmbH-Gesellschafter als Verbraucher 113 ff, 119 f, 205 f).

5.4. Nach F. Schuhmacher (Der Gesellschafter als Unternehmer, wbl 2012, 71 [77]) sind die Regeln des UGB und des KSchG über den unternehmerischen Geschäftsverkehr auf Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander in der Regel deshalb nicht anzuwenden, weil die Behandlung des Gesellschafters als Unternehmer die Zurechnung der unternehmerischen Tätigkeit zum Gesellschafter und sein Auftreten im Geschäftsverkehr voraussetzen. Diese Regelungen bezögen ihre Legitimität aus den besonderen Bedürfnissen des unternehmerischen Geschäftsverkehrs und aus der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers, die beide im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern nicht vorlägen.

5.5. Auch Dehn (in Krejci , RK, § 1 UGB Rz 12 ff) geht grundsätzlich davon aus, dass der Gesellschafter nicht Adressat der Ordnungsanliegen des UGB sei, wobei sie methodisch – im Zusammenhang mit dem KSchG – den Zweck der jeweils in Betracht kommenden Schutzvorschrift als maßgeblich erachtet.

5.6. Straube (in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 1 Rz 26) sieht in der Rechtsprechung zur Nichtanwendung von Bestimmungen des KSchG auf Gesellschafter einer rechtsfähigen Gesellschaft eine Antwort auf besondere Anwendungsfragen des Konsumentenschutzrechts, die auf die Regelungsanliegen des UGB nicht passe. Für die Anwendung des UGB sei daher allein auf das Betreiben des Unternehmens abzustellen; dies erfolge durch die Gesellschaft und nicht durch die Gesellschafter.

5.7.  Haberer (Verbraucher- und Unternehmerbegriff nach UGB und KSchG am Beispiel des GmbH-Gesellschafters, in Grünwald/Schummer/Zollner , Festschrift Jud [2012], 161 [177 ff]) lehnt die Ableitung der Unternehmereigenschaft des GmbH-Gesellschafters allein aus der Stellung als Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls ab. Er erachtet allerdings eine analoge Anwendung von Einzelbestimmungen des Vierten Buches des UGB, so auch des § 352 UGB, als erwägenswert. Zur Beurteilung könne in einem ersten Schritt von den von der Rechtsprechung zur Interzession des Gesellschafters entwickelten Merkmalen ausgegangen werden; dies sei aber nicht zwingend. Entscheidend sei die Beurteilung, ob die Teleologie der Einzelbestimmung eine analoge Anwendung auch auf den GmbH-Gesellschafter rechtfertige. Die Voraussetzung des § 343 Abs 2 UGB, wonach nur Geschäfte erfasst seien, die zum Betrieb des Unternehmens gehörten, sei dahin auszulegen, dass der Gesellschafter ein Geschäft tätige, das mit dem Betrieb des Unternehmens der GmbH zusammenhänge. Als Beispiel nennt er den Erwerb einer Maschine durch den Gesellschafter-Geschäftsführer, der diese in der Folge „seiner“ GmbH zur Nutzung zur Verfügung stellt.

6.1. Für den vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger und der Beklagte jeweils ein eigenes Unternehmen betreiben, dessen Gegenstand die Beteiligung an Gesellschaften wäre. Die Unternehmereigenschaft der Streitteile könnte daher nur aus dem von der GmbH betriebenen Unternehmen abgeleitet werden.

6.2. Der erkennende Senat schließt sich der Ansicht Haberers an, dass die Anwendung einzelner Bestimmungen des UGB auf den Gesellschafter einer GmbH dann in Betracht kommt, wenn der Normzweck der jeweiligen Bestimmung dies erfordert.

6.3. Diese Rechtsansicht steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung zur Beurteilung der Verbraucher- oder Unternehmereigenschaft des Gesellschafters einer rechtsfähigen Personen- oder Kapitalgesellschaft. Wie bereits ausgeführt, zielt die Beurteilung nach einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ nicht generell auf die Auslegung des Verbraucher- oder Unternehmerbegriffs ab, sondern auf die Ermittlung des Zwecks der konkret in Rede stehenden Norm (beispielsweise von §§ 25c, 25d KSchG; 4 Ob 232/12i; 6 Ob 43/13m). Nichts anderes kann für die Beurteilung der Anwendung einzelner Bestimmungen des UGB auf den Gesellschafter gelten. Ebenso wie der Normzweck einer Konsumentenschutzbestimmung der Anwendung dieser Vorschrift auf den Gesellschafter entgegenstehen kann, kann der Normzweck einer konkreten Bestimmung des UGB deren Anwendung auf den Gesellschafter einer rechtsfähigen Gesellschaft erfordern.

6.4. Das Abstellen auf die Teleologie der konkret in Rede stehenden Bestimmung scheint auch mit den übrigen dargestellten Lehrmeinungen im Einklang zu stehen. Wie ausgeführt, stellen diese – hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit des KSchG und des UGB auf Organisationsgeschäfte, auf die interne Willensbildung der Gesellschaft, sowie hinsichtlich der Frage nach den Regelungsadressaten des UGB – im Grundsatz ebenfalls auf teleologische Überlegungen zur jeweils betrachteten Norm ab.

Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die Regelung unternehmerischer Zinsen analog auf die Abtretung der Geschäftsanteile des Klägers an den Beklagten anzuwenden ist.

7.1. Ein Analogieschluss setzt eine Gesetzeslücke voraus. Es muss also eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts vorliegen, das heißt, dass dieses, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, ergänzungsbedürftig ist (RIS‑Justiz RS0098756; RS0008866).

7.2. Die Vorinstanzen haben die Unternehmereigenschaft der Streitteile mit ihrem Einfluss auf die GmbH mit der von ihnen gehaltenen Gesellschaftsbeteiligung und ihrer Stellung als Geschäftsführer begründet. Sie haben damit auf Kriterien abgestellt, die für die Beurteilung der (fehlenden) Schutzwürdigkeit von Gesellschaftern relevant sind. Hier kommt es jedoch entscheidend auf den von der Anordnung unternehmerischer Zinsen verfolgten Zweck an.

7.3. Der höhere Zinsfuß für Kaufleute wurde in den Materialien zum HGB vor allem damit begründet, dass der Kaufmann öfter als der Privatmann in der Lage sei, das ihm zur Verfügung gestellte Kapital umzuschlagen; außerdem sei der höhere Zinssatz ein Ausdruck dessen, dass manche Geschäfte zum Verlust des Kapitals führten ( Dullinger in Jabornegg , HGB [1999] § 352 HGB Rz 3).

§ 352 UGB idF HaRÄG (BGBl I 120/2005) setzt (ebenso wie bereits die Vorläuferbestimmung § 1333 Abs 2 ABGB) die Zahlungsverzugsrichtlinie (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 6. 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr [2000/35/EG ], ABl L 200/35; Neufassung vom 16. Februar 2011 [2011/7/EU , ABl L 48/1]) um ( Schauer in Krejci , RK, § 352 UGB Rz 1). Daher sind auch die Grundwertungen der Richtlinie beim Verständnis der gesetzlichen Verzugszinsen zu berücksichtigen (1167 BlgNR 22. GP  9). Der Zweck hoher unternehmerischer Zinsen liegt vor allem darin, die systematische Verzögerung von Zahlungen im geschäftlichen Verkehr zu unterbinden (1167 BlgNR 22. GP  9). Die nachteiligen Wirkungen des Zahlungsverzugs im geschäftlichen Verkehr bestehen insbesondere in der negativen Beeinflussung der Liquidität der Unternehmen, der Erschwerung ihrer Finanzbuchhaltung und der Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit ( Haberer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter , § 455 UGB I 4 Rz 8; ErwGr 3 der Zahlungsverzug-RL 2011).

7.4. Im vorliegenden Fall erfolgte die Übertragung des Geschäftsanteils zwischen den Parteien nicht im Rahmen des Betriebs von Unternehmen, die derartige Transaktionen zum Gegenstand hatten. Die mit der Anordnung der hohen unternehmerischen Zinsen verfolgten Ziele, die unmittelbar auf die Bedürfnisse von Unternehmen im Geschäftsverkehr abstellen, kommen daher hier nicht zum Tragen. Der Einfluss der Gesellschafter auf die Gesellschaft, sowie eine aus der Position als Geschäftsführer resultierende Geschäftserfahrung stehen in keinem Zusammenhang mit den Zielen der hohen unternehmerischen Zinsen und können daher hier die Unternehmereigenschaft der Streitteile nicht begründen.

7.5. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf unternehmerische Zinsen damit begründet, dass ein Abwicklungsgeschäft zum Zweck der Aufgabe eines Unternehmens vorliege, überzeugt dies nicht. Zwar gehören von einem Unternehmer getätigte Abwicklungsgeschäfte grundsätzlich zum Betrieb des Unternehmens (vgl 2 Ob 503/94 zum Verkauf der Betriebsliegenschaft durch einen Gastwirt; 5 Ob 509/92 zur Veräußerung des gesamten Unternehmens [eines Zinshauses]; RIS‑Justiz RS0065304; Rauter in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 344 Rz 64).

Im vorliegenden Fall gehört der Verkauf der Geschäftsanteile aber – wie bereits ausgeführt – nicht zu einem vom Kläger betriebenen Unternehmen. Die analoge Anwendung des § 352 UGB auf den Kläger als Gesellschafter der Unternehmensträgerin scheitert an dem § 352 UGB innewohnenden, auf die Bedürfnisse von Unternehmen im Geschäftsverkehr abstellenden Normzweck.

Die Revision wendet sich daher zu Recht gegen die Höhe des zugesprochenen Zinssatzes. Der Kläger hat nur Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von vier Prozent gemäß § 1000 Abs 2 ABGB.

7.6. Zusammengefasst gilt: Für den von einem GmbH-Gesellschafter an den Mitgesellschafter zu leistenden Kaufpreis für die Abtretung seiner Geschäftsanteile sind grundsätzlich keine unternehmerischen Verzugszinsen zu leisten. Abweichendes gilt dann, wenn beide Gesellschafter ein Unternehmen betreiben, zu dessen Betrieb der Erwerb und die Veräußerung von Geschäftsanteilen gehört.

8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO. Das Obsiegen des Beklagten bloß im Zinsenpunkt hat als geringfügig außer Betracht zu bleiben. Aus diesem Grund hat auch trotz Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen keine Abänderung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen stattzufinden. Das Revisionsinteresse beträgt 239.890 EUR. Dem Kläger stand im Revisionsverfahren nur eine Person gegenüber, sodass er keinen Anspruch auf Streitgenossenzuschlag gemäß § 15 RATG hat.

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