OGH 11Os140/18z

OGH11Os140/18z11.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin in der Strafsache gegen A***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 11. Juni 2018, GZ 40 Hv 2/18d‑54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00140.18Z.1211.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde A***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er im Zeitraum zumindest ab 8. Mai 2003 bis 7. Mai 2005 in Sch***** in Betreff der am 8. Mai 1991 geborenen und im Tatzeitraum unmündigen S*****

I./ dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar,

a./ in zwei Angriffen, indem er durch sie den Oralverkehr an sich durchführen ließ;

b./ indem er mit der Zunge einige Mal über die äußeren und inneren Schamlippen ihrer Vagina leckte;

II./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an sich vornehmen lassen und an ihr vorgenommen, und zwar

a./ in einer Vielzahl von Vorfällen, etwa zweimal monatlich, indem er sie die Handonanie an sich durchführen ließ;

b./ mehrfach, indem er über ihre äußeren Schamlippen streichelte;

III./ durch die zu 1./ und 2./ genannten Taten mit seiner Stieftochter geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der teilweise über die Antragstellung hinaus argumentierenden (s aber RIS‑Justiz RS0099117) Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens (zum Beweis dafür, dass „es aufgrund der von S***** [bei einem Verkehrsunfall im Oktober 2008] erlittenen Verletzungen wahrscheinlich ist, dass sie aufgrund der massiven Schädel- und Hirnverletzungen Erinnerungslücken hat bzw Vorgänge der Vergangenheit nicht mehr richtig zuordnen kann und Bilder wahrnimmt, die so nicht passiert sind“ – ON 53 S 9) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten der Abweisung. Der – im Übrigen spekulativ („wahrscheinlich“) auf Erkundung gerichtete – Antrag legte nämlich nicht – wie für die prozessuale Tauglichkeit eines Beweisbegehrens unabdingbar – dar, weshalb zu erwarten sei, dass die (sich einer weiteren Aussage entschlagende – ON 34 S 3) Zeugin ihre Zustimmung zu einer Exploration als unabdingbare Grundlage für die begehrte Expertise erteilen werde (RIS-Justiz RS0108614, RS0118956; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350).

Mit dem Einwand der Scheinbegründung in den tatrichterlichen Beweiswerterwägungen – vorliegend zu Arbeitszeiten von Bankangestellten und Zeitfenstern berufsbedingter Abwesenheit der Mutter des Opfers von zu Hause (US 17) – spricht die Mängelrüge (Z 5) keinen entscheidenden, dh auf die rechtliche Unterstellung der Tat oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss übenden Aspekt an (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 21 ff, 398 f; RIS‑Justiz RS0117264, RS0117499, RS0118317 [T3]), sondern kritisiert nur den Umstand, dass das Erstgericht die darauf bezogenen Schilderungen des Opfers für plausibel erachtete.

Die Tatsachenrüge (Z 5a), die zunächst auf das zur Mängelrüge erstattete Vorbringen verweist (vgl aber: RIS‑Justiz RS0116733), beanstandet die tatrichterliche Überzeugung von der Glaubwürdigkeit des Opfers aufgrund des von ihm in der Hauptverhandlung (mittels Vorführung der Ton- und Bildaufnahmen über die kontradiktorische Vernehmung [ON 53 S 8; ON 34]) gewonnenen Eindrucks (US 10 ff; vgl aber: RIS‑Justiz RS0106588). Sie unterzieht überdies bloß die übrigen (vom Schöffengericht durchaus gewürdigten) Verfahrensresultate – nämlich die Aussagen der Zeugen Nermin H*****, Nico K***** und D***** (vgl US 12 ff, 16 f) sowie die medizinischen Unterlagen betreffend die (durch einen Verkehrsunfall bedingten) Beeinträchtigungen des Opfers (US 8; ON 35 sowie Beilagen A./ bis D./) – einer eigenständigen Bewertung, um schließlich einzuwenden, dass S***** „im Hinblick auf die Missbrauchsvorwürfe nicht die Wahrheit spricht bzw nicht zwischen Phantasie und Wahrheit unterscheiden kann“. Insgesamt vermag sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken (RIS‑Justiz RS0119583), sondern wendet sich – außerhalb der Anfechtungskategorien der Z 5a – bloß gegen die Würdigung von Beweisergebnissen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) global fehlende Feststellungen „zum Vorsatz des Angeklagten“ reklamiert, blendet sie sämtliche insofern maßgebliche Urteilsannahmen (US 4 ff) zur Gänze aus (RIS‑Justiz RS0099810). Weshalb diese Konstatierungen – trotz vorhandenen Sachverhaltsbezugs – eine bloße Verwendung der „verba legalia“ und daher ungenügend bzw welche weiteren Feststellungen zur inneren Intention aus Beschwerdesicht erforderlich sein sollten, bleibt schlicht offen (RIS‑Justiz RS0099620 [T7]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Dieses wird dem (ungerügt gebliebenen) Umstand Rechnung zu tragen haben (RIS‑Justiz RS0122140), dass die vom Schöffengericht vorgenommene erschwerende Gewichtung der „Eigenschaft als Angehöriger“ (US 19) eine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende unrichtige Gesetzesanwendung (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) zufolge Doppelverwertung (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) des für die Subsumtion nach § 212 Z 1 StGB essentiellen Umstands begründet, dass der Angeklagte als Stiefvater des Opfers handelte.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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