OGH 2Ob188/18p

OGH2Ob188/18p29.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** W***** und 2. H***** W*****, vertreten durch die Friedl & Holler Rechtsanwalt‑Partnerschaft in Gamlitz, gegen die beklagten Parteien 1. DI J***** P*****, vertreten durch Mag. Horst Bruckner, Rechtsanwalt in Leibnitz, und 2. M*****, vertreten durch Dr. Fritz Starnberg, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen 102.388 EUR sA und Feststellung (Streitwert 15.000 EUR), über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Juli 2018, GZ 5 R 59/18p‑109, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00188.18P.1129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Anwendung des § 26 HGB:

1.1. Die Regeln über die Haftung von Veräußerer und Erwerber eines Handelsgeschäfts unter Lebenden (§§ 25 f HGB), bei Fortführung durch den Erben (§ 27 HGB) sowie bei „Vergesellschaftung“ (§ 28 HGB) für Geschäftsverbindlichkeiten sind mit Ablauf des 31. 12. 2006, somit vor fast zwölf Jahren, außer Kraft getreten (§ 906 Abs 14 UGB).

Zu der von der Revision aufgezeigten Frage, ob die Verjährungsregeln des § 26 HGB auch bei „Vergesellschaftung“ nach § 28 HGB anzuwenden sind, existiert – soweit zu sehen – auch nach 80 Jahren, seit diese Normen in Kraft gesetzt wurden, keine einzige oberstgerichtliche Entscheidung. Dies zeigt, dass diese Frage in der Praxis offenbar kaum jemals eine Rolle gespielt hat. Angesichts der langen Zeit, seit die Bestimmungen nicht mehr gelten, ist auch damit zu rechnen, dass diese Frage in Zukunft überhaupt nicht oder doch nur mehr vereinzelt auftreten wird.

In vergleichbaren Fällen hat der Oberste Gerichtshof daher selbst bei fehlender oberstgerichtlicher Rechtsprechung die Erheblichkeit der zu beurteilenden Rechtsfrage verneint (RIS‑Justiz RS0114669; RS0114721 [T1]).

1.2. Vom Obersten Gerichtshof wäre daher nur eine unvertretbare Rechtsansicht des Berufungsgerichts (vgl 2 Ob 8/13k) aufzugreifen. Eine solche liegt nicht vor: Das Berufungsgericht hat für seine Ansicht, § 26 HGB sei in den Fällen des § 28 HGB nicht anzuwenden, auf die herrschende Lehre ( Schuhmacher in Straube , HGB 3 [2003] § 28 Rz 14; Haberer , Nachhaftungsbegrenzung bei Dauerschuldverhältnissen, ecolex 2004, 275 [276: für Zielschuldverhältnisse] je mwN) verwiesen (vgl auch Fromherz in Jabornegg , HGB [1997] § 28 Rz 14 mwN).

1.3. Der Revisionswerber beruft sich für seinen Standpunkt, die Klageforderung gegen ihn wäre verjährt, auf Karollus , Unternehmerwechsel und Dauerschuldverhältnis, ÖJZ 1995, 241 und 292, Haberer , Nachhaftungsbegrenzung bei Dauerschuldverhältnissen, ecolex 2004, 275, sowie die Entscheidungen 4 Ob 222/04d und 5 Ob 182/03f, in denen die so genannte „Fristenlösung“ angewendet worden sei.

Daraus ist für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, weil die zitierten Entscheidungen Dauerschuldverhältnisse betrafen und die genannten Autoren ihre Aussagen ebenso zu Dauerschuldverhältnissen gemacht haben. Hier liegt dem Begehren der Kläger aber kein Dauerschuldverhältnis zugrunde. Prozessgegenstand ist vielmehr ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der werkvertraglichen Aufklärungspflicht.

1.4. § 39 UGB und die diesbezügliche Kommentierung von Karollus in Jabornegg/Artmann , UGB 2 , sind nicht einschlägig, weil diese Bestimmung die Nachhaftung des Veräußerers anders regelt als die §§ 25 bis 28 HGB.

2. Zum Feststellungsinteresse:

2.1. Dem Feststellungsbegehren kann durch eine Feststellung in der Richtung der Boden entzogen werden, dass weitere Schäden aus dem schädigenden Ereignis nicht mehr zu erwarten sind; bleibt jedoch die Möglichkeit offen, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen könnte, dann kann dem Geschädigten ein Feststellungsinteresse nicht abgesprochen werden (RIS‑Justiz RS0039018, RS0038865).

Ein Feststellungsbegehren ist auch dann, wenn der Besteller aus dem Titel des Schadenersatzes das Deckungskapital zur Behebung der Mängel fordert, zulässig, wenn die Möglichkeit künftiger Schäden aus dem bereits eingetretenen Schadensereignis nicht ausgeschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0021745).

2.2. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung im Sinn des § 228 ZPO richtet sich nach den Umständen des

Einzelfalls, denen – vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0039177 [T1]).

Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0042828). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist (RIS‑Justiz RS0042828 [T7]).

Ebenso begründet die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0118891). Nur wenn die Auslegung der erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstellt, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (RIS‑Justiz RS0118891 [T5]).

2.3. Das Berufungsgericht hat mit der Bejahung des Feststellungsinteresses seinen ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten: Das Vorbringen über die Notwendigkeit einer umfassenden Sanierung trägt bei lebensnahem Verständnis die Auslegung des Berufungsgerichts, als mögliche künftige Schäden kämen etwa Kostenüberschreitungen in Betracht, ist doch ungewiss, wann den Klägern das errechnete, die Sanierung ermöglichende Deckungskapital zur Verfügung gestellt werden wird. Der Revisionswerber zeigt auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

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