European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00074.18S.1121.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger bewarb sich im Jahr 2009 für die Stelle des Vorsitzenden eines Berufungssenats beim unabhängigen Finanzsenat („UFS“) mit voraussichtlichem Arbeitsschwerpunkt im Finanzstrafrecht. Die Ausschreibung enthielt ein detailliertes und prozentuell gewichtetes Anforderungsprofil. Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens erstellte eine Begutachtungskommission Eignungsgutachten („Gutachten“), in dem der Kläger als in höchstem und die Mitbewerberin als in hohem Ausmaß geeignet beschrieben wurde. 2013 wurde die Mitbewerberin auf die ausgeschriebene Stelle ernannt.
Das Erstgericht wies das auf das Amtshaftungsgesetz gestützte und auf den Ersatz des Verdienstentgangs sowie auf Feststellung der Haftung für künftige Vermögensschäden gerichtete Begehren des Klägers ab, weil das zur Ernennung berufene Organ sein bei der Stellenbesetzung bestehendes Ermessen nicht missbraucht habe. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sei vertretbar gewesen, dass das zur Ernennung berufene Organ das Gutachten als nicht tragfähig ansah, von diesem abging und eine gleiche Eignung beider Bewerber annahm, weshalb letztlich die Mitbewerberin auf die ausgeschriebene Stelle ernannt wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Revisionswerber rügt eine mangelnde Befassung des Berufungsgerichts mit seiner Verfahrensrüge. Mit dieser kritisierte er, dass sich das Erstgericht „im Rahmen der Beweiswürdigung“ nicht mit dem [nach erfolgter Stellenbesetzung eingeholten] Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission auseinandergesetzt habe. Der Revisionswerber unterlässt es aber, die Erheblichkeit des behaupteten zweitinstanzlichen Verfahrensmangels darzulegen (vgl RIS-Justiz RS0043027 [T1, T6, T19]), weshalb darauf nicht eingegangen werden muss.
2. Der Revisionswerber rügt als „aktenwidrig“, dass sich das Berufungsgericht mit seinem Vorwurf der Aktenwidrigkeit nicht näher befasst habe. Dass das Berufungsurteil mit Aktenwidrigkeit behaftet sei, weil es eine als aktenwidrig bekämpfte Feststellung des Erstgerichts übernommen habe, ist schon deshalb unrichtig, weil in der Übernahme der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen kann (RIS‑Justiz
RS0043240). In der Sache macht der Kläger einen zweitinstanzlichen Verfahrensmangel geltend. Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet aber nur dann einen Revisionsgrund, wenn er „relevant“, also abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0043027). Wird dem Berufungsgericht ein derartiger Fehler vorgeworfen, muss im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof dargelegt werden, worin die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels liegt (RIS‑Justiz RS0043027 [T1, T6, T10]). Die bloß allgemeinen Ausführungen des Revisionswerbers zur „maßgeblichen bzw wesentlichen Bedeutung“ bzw „großen Relevanz“ der behaupteten erstinstanzlichen Aktenwidrigkeit entsprechen den Anforderungen an die Darlegung der Relevanz nicht. Welche für den Revisionswerber günstigeren Konsequenzen sich ergeben hätten, wenn das Berufungsgericht die seiner Ansicht nach – im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffene – aktenwidrige „Feststellung“ (über den Inhalt einer Zeugenaussage zur beruflichen Erfahrung der Bewerber mit Finanzstrafrecht) beseitigt oder durch eine andere ersetzt hätte, führt der Kläger aber nicht konkret aus. Dazu hätte er aber gerade in diesem Zusammenhang besonderen Anlass gehabt, steht doch fest, dass die „fachspezifischen Berührungspunkte mit Finanzstrafrecht“ bei der Mitbewerberin umfangreicher waren als beim Kläger.
3. Wenngleich kein Rechtsanspruch auf Ernennung auf einen bestimmten Posten besteht, begründet es einen Ersatzanspruch nach dem AHG, wenn das zur Ernennung berufene Organ sein ihm eingeräumtes Ermessen missbraucht und gegen tragende Grundsätze der rechtsstaatlichen Ordnung verstößt (RIS-Justiz RS0102403) und damit einen Bewerber schädigt. Jeder Bewerber hat Anspruch darauf, dass die Behörde den ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum oder Auslegungsspielraum pflichtgemäß nutzt (RIS‑Justiz RS0112461, [insb T9]). Ob ein Ermessensmissbrauch vorliegt, kann stets nur auf Grund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0112461 [T3, T8]); eine Auflistung aller im Bestellungsverfahren zu beachtenden Kriterien ist nicht möglich (1 Ob 273/01f). Im Bereich der Amtshaftung geht es nicht primär darum, wie ein Organ richtigerweise zu entscheiden gehabt hätte, sondern um die Beurteilung, ob es in unvertretbarer Gesetzesanwendung eine mit dem Wortlaut und dem erkennbaren Ziel einer Norm unvereinbare Rechtsauffassung vertreten hat (vgl 1 Ob 13/12m). Es soll nicht jede Frage, die im Ermessensrahmen zu entscheiden ist, in einem nachfolgenden Amtshaftungsprozess einer neuen Prüfung unterzogen werden (RIS-Justiz RS0049955).
4.1. Im vorliegenden Fall konnten „keine Umstände festgestellt werden, wonach eine Präferenz von Seiten der Ministerin bzw des Ministeriums für Dr. S***** [also die Mitbewerberin] und gegen den Kläger bestand“. Das Erstgericht ging im Rahmen seiner Feststellungen auch davon aus, dass keine verpönte Motivlage hervorgekommen sei und das Beweisverfahren nicht ergeben habe, dass parteipolitische Motive zu Lasten des Klägers eine Rolle gespielt hätten. Der Revisionswerber argumentiert, dass diese Negativfeststellungen zu Lasten der Beklagten gehen hätten müssen; er könne sich nämlich unmittelbar auf Art 10 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf berufen. Demnach haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass es immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, dem Beklagten obliegt, zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgte.
Da diese europarechtliche Vorgabe – soweit für den vorliegenden Fall relevant – in § 20a B‑GlBG umgesetzt wurde, stellt sich die in der Revision aufgeworfene Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art 10 der Richtlinie 2000/78/EG gar nicht. Auch der Anregung des Revisionswerbers auf Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH zur Auslegung dieser Bestimmung ist daher nicht näher zu treten. Ob § 20a B‑GlBG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novellierung durch das BGBl I 210/2013) auch im Amtshaftungsverfahren anzuwenden ist, muss hier bereits deshalb nicht geprüft werden, weil der Revisionswerber nicht darlegt, welche Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aus einem der im B‑GlBG (taxativ) genannten Gründe vermuten ließen, er im Sinn der genannten Bestimmung glaubhaft gemacht haben will. Für die Auffassung, allein das Abweichen von der Bewertung der Begutachtungskommission führe zu einer Beweislastumkehr, sind gesetzliche Grundlagen nicht zu erkennen; der vom Revisionswerber zitierte § 15 Abs 2 AusG hat einen gänzlich anderen Regelungsinhalt.
4.2. Im Übrigen traf das Erstgericht nicht bloß die genannten Negativfeststellungen, sondern stellte auch positiv fest, dass der mit der Vorbereitung der Ernennung befasste Abteilungsleiter „eine zumindest gleiche Qualifikation [der Mitbewerberin] gegenüber dem Kläger als gegeben erachtete, auf Grund derer nach den Grundsätzen des Bundesgleichbehandlungsgesetzes diese zum Zug käme“. Daraus ergibt sich implizit die (positive) Feststellung, dass der Vorschlag zur Ernennung aufgrund der Einschätzung der Qualifikation beider Bewerber und eben nicht aus – in der Revision nicht näher dargelegten – sachfremden Motiven erfolgte. Damit stellt sich auch die in der Revision weiter aufgeworfene Frage nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen dem übergangenen Bewerber für den Nachweis einer Ernennung aus sachfremden Motiven der Anscheinsbeweis zuzugestehen wäre.
5. Darauf, dass die mehrere Jahre nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens erfolgte Stellenbesetzung eine neuerliche Befassung der Begutachtungskommission erfordert hätte, kommt der Kläger in seiner Revision ebensowenig zurück, wie auf den Vorwurf, ein Mitglied der Begutachtungskommission sei befangen und das Ernennungsverfahren daher fehlerhaft gewesen.
6.1. Der Revisionswerber stützt den behaupteten Ermessensmissbrauch aber – wie bereits in erster Instanz – weiterhin darauf, dass entgegen dem von der Begutachtungskommission erstellten Gutachten nicht er sondern die als weniger geeignet beurteilte Mitbewerberin auf die ausgeschriebene Stelle ernannt wurde und damit (per se) der bei der Personalauswahl bestehende Spielraum überschritten worden sei. Er wirft dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang vor, die Frage der besseren Eignung insoweit unrichtig beantwortet zu haben, als es nicht von den in der Ausschreibung genannten Ernennungsvoraussetzungen ausgegangen sei. Dass das Berufungsgericht im Ergebnis zur Ansicht gelangte, es sei vertretbar gewesen, dass das zur Ernennung berufene Organ von dem als nicht tragfähig angesehenen Gutachten abging und beide Bewerber als gleich geeignet einstufte, bedarf aber auch unter Berücksichtigung der in der Ausschreibung genannten Kriterien keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.
6.2. Die Beurteilung der Eignung eines Menschen für die Anforderungen eines bestimmten Postens spielt sich als Teil des Ernennungsvorgangs auch in objektiv nicht oder nur schwer erfassbaren Bereichen ab (1 Ob 273/01f; vgl auch 1 Ob 167/16i). Anhand der festgestellten und von der Begutachtungskommission berücksichtigten Lebensläufe kann objektiv nur schwer beurteilt werden, welcher Bewerber den in der Ausschreibung konkretisierten fachlichen Voraussetzungen der ausgeschriebenen Stelle eher entsprach. Noch weniger als die fachlichen Voraussetzungen können die sozial-persönlichen Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle objektiv beurteilt werden, zumal das Gutachten hinsichtlich der dazu in der Ausschreibung geforderten Eigenschaften nur eine eingeschränkte Beurteilungsgrundlage bietet. Dass konkrete in der Ausschreibung genannte sozial-persönliche Eigenschaften bei ihm in größerem Ausmaß als bei der Mitbewerberin vorhanden gewesen wären, behauptet der Kläger nicht. Die (detailliert begründete) Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Ausführungen der Begutachtungskommission zur sozial-persönlichen Eignung der Mitbewerberin nur schwer nachzuvollziehen seien und es vertretbar gewesen sei, davon abzugehen, erscheint nicht korrekturbedürftig. Entsprechendes gilt für die fachliche Eignung und die besondere Berücksichtigung des Fachwissens im Bereich des Finanzstrafrechts.
6.3. Soweit der Revisionswerber Feststellungen zur unterlassenen Durchführung eines Hearings „seitens des BMF“ vermisst, ging das Berufungsgericht ohnehin davon aus, dass kein solches Hearing erfolgte. Daraus ist für den Kläger aber nichts zu gewinnen, weil er seinen Ersatzanspruch in erster Instanz gar nicht darauf gestützt hat, dass das Ernennungsverfahren wegen der Unterlassung eines solchen Hearings rechtswidrig gewesen sei und er bei dessen Durchführung ernannt worden wäre.
7. Der Kläger kritisiert, dass das Berufungsgericht sein Berufungsvorbringen, wonach die Ernennung der Mitbewerberin aufgrund ihres beruflichen Naheverhältnisses zu dem die Ernennung „vorbereitenden“ Abteilungsleiter des mit der Ernennung betrauten Organs unsachlich gewesen sei, zu Unrecht als unzulässige Neuerung qualifiziert habe. Tatsächlich hat sich der Kläger in erster Instanz aber nicht auf eine solche „Befangenheit“ – und deren Relevanz für das Verfahrensergebnis – gestützt. Derartiges wurde vielmehr erst in der Berufung behauptet, was der Revisionswerber, der in diesem Zusammenhang nur auf die erstinstanzlichen Feststellungen hinweist, auch gar nicht bestreitet.
8. Soweit der Revisionswerber die fehlende Erledigung der Mängelrüge (richtig: Beweisrüge) durch das Berufungsgericht auch in seiner Rechtsrüge aufgreift, wird damit keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Mit der Behauptung, das Berufungsgericht habe die Behandlung der vom Kläger in zweiter Instanz erhobenen Mängelrüge (richtig: Beweisrüge) unterlassen, kommt der Kläger vielmehr nur auf die – bereits behandelte und verneinte – Rüge eines zweitinstanzlichen Verfahrensmangels zurück. Gleiches gilt für den in der Rechtsrüge wiederholten Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich mit der in zweiter Instanz gerügten Aktenwidrigkeit nicht auseinandergesetzt.
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