OGH 1Ob13/12m

OGH1Ob13/12m1.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. I***** G*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 43.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2011, GZ 14 R 72/11b-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 1. März 2011, GZ 31 Cg 9/10m-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Als vermeintlich erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erörtert die Revisionswerberin, wann von „gleicher Eignung“ von Bewerbern verschiedenen Geschlechts im Sinne des Frauenförderungsgebots nach den §§ 11 ff B-GlBG gesprochen werden könne. Es sei eine Frage der Gesetzesinterpretation, die für den gesamten Bereich von Stellenbesetzungen unter geschlechtsspezifischen Kriterien grundlegende Bedeutung habe, ob hiebei die Zuordnung (Benotung) nach einer vier- bis fünfstufigen Skala - entsprechend dem § 10 Abs 2 AusG - maßgeblich zu sein habe, wogegen es aber etwa auch möglich wäre, Unterschiede in der Eignung in 99 Abstufungen zu „messen“. Eine derartige Abstufung, die sich letztlich auch einer objektiven Nachprüfung entziehen würde, wäre mit dem Frauenförderungsgebot nicht vereinbar.

Es mag sein, dass die von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage in anderem Zusammenhang erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO haben könnte. Im Bereich der Amtshaftung geht es bei der Prüfung des Verschuldens der am Entscheidungsvorgang beteiligten Organe des jeweiligen Rechtsträgers aber nicht primär darum, wie diese richtigerweise zu entscheiden gehabt hätten, sondern um die Beurteilung, ob sie in unvertretbarer Gesetzesanwendung eine mit dem Wortlaut und dem erkennbaren Ziel einer Norm unvereinbare Rechtsauffassung vertreten haben. Eine solche Unvertretbarkeit hat das Berufungsgericht in einer ausführlich begründeten Entscheidung verneint, der keinesfalls eine grobe Fehlbeurteilung zugrundeliegt, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Die Auffassung, den Entscheidungsgremien im Besetzungsverfahren sei ihrerseits keine unvertretbare Fehlbeurteilung anzulasten, wenn sie angesichts der konkreten Umstände bei ihrer Ermessensentscheidung davon ausgegangen sind, dass der - ebenfalls mit dem Kalkül „sehr geeignet“ beurteilte - männliche Mitbewerber aufgrund einschlägiger Erfahrung mit dem betreffenden Schultyp und aufgrund seiner in verschiedener Hinsicht überzeugenderen Vorstellung beim Hearing, insgesamt besser geeignet sei, stellt jedenfalls keinen Beurteilungsfehler vom Gewicht einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage dar.

2. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kann es auch keinen Mangel des Berufungsverfahrens darstellen, wenn sich das Berufungsgericht mit dem Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission nicht ausführlich auseinandergesetzt haben sollte und aus diesem Grunde nicht zum Ergebnis gekommen ist, dass die Hearing-Auswertung durch die „Begutachtungskommission“ tendenziell zu Gunsten des Mitbewerbers und zu ihren Ungunsten erfolgt sei.

Dabei gesteht die Revisionswerberin zwar zu, dass eine Bindung der Gerichte an ein solches Gutachten nicht besteht (in diesem Sinne etwa auch Rosenkranz, Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz 222 f; Ziehensack, AHG, § 1 Rz 1455), vertritt allerdings die unzutreffende Auffassung, das Gericht dürfe von einem solchen Gutachten nur dann abweichen, wenn „auf der Basis von Lebenserfahrung und Allgemeinwissen unter rechtlichen Gesichtspunkten, sowie nach Maßgabe von Logik und Schlüssigkeit stichhältige Gründe dafür gegeben“ seien. Dabei wird allerdings übersehen, dass im Verfahren vor der Bundes-Gleichbehandlungskommission einerseits bloß die objektive Rechtswidrigkeit im Sinne des geltend gemachten Diskriminierungstatbestands zu beurteilen ist und andererseits für diese Beurteilung besondere Beweisregeln bestehen, die grundsätzlich die bloße Glaubhaftmachung des Diskriminierungstatbestands genügen lassen. In diesem Sinne wird in dem erwähnten Gutachten etwa ausgeführt, die Beklagte hätte darzulegen gehabt, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes als das (glaubhaft gemachte) diskriminierende Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend gewesen sei. Weiters wird im Gutachten formuliert, es sei nicht die Aufgabe der Bundes-Gleichbehandlungskommission, die Eignung der Bewerber/innen zu prüfen, sondern zu hinterfragen, ob das die Eignung prüfende Gremium und die für die Personalauswahl zuständige Behörde von sachlichen Erwägungen geleitet gewesen seien.

Demgegenüber kann die Klägerin im Amtshaftungsverfahren nur erfolgreich sein, wenn sie sowohl beweist, dass sie besser geeignet ist, als der ihr vorgezogene männliche Mitbewerber - oder zumindest gleich - und dass darüber hinaus die Beurteilung einer besseren Eignung des Mitbewerbers auf unvertretbarer rechtlicher Grundlage erfolgt ist. Schon deshalb kann die von der Revisionswerberin behauptete weitgehende inhaltliche Bindung an das Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission nicht bestehen.

3. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kann es insbesondere nicht als unvertretbar angesehen werden, im Hinblick auf eine allenfalls „gleiche Eignung“ von Bewerbern verschiedenen Geschlechts auch innerhalb von vier oder fünf - von einschlägigen Vorschriften vorgegebenen - Bewertungsstufen (zB „nicht geeignet“, „wenig geeignet“, „geeignet“, „gut geeignet“ und „sehr gut geeignet“) zusätzliche Differenzierungen vorzunehmen. Dazu hat das Berufungsgericht im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung etwa ausgeführt, dass gerade in der höchsten Eignungsstufe durchaus erhebliche Unterschiede in der Eignung für eine bestimmte Planstelle vorkommen können und gerade in solchen Fällen das bloß formale Abstellen auf die Eignungsstufe zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Mitbewerbern führen würde. Ob im jeweiligen Einzelfall die vom betreffenden Entscheidungsgremium angenommenen Unterschiede so groß sind, dass es verfehlt wäre, von „gleicher Eignung“ zu sprechen, bzw so gering, dass von einem bei objektiver Beurteilung ins Gewicht fallenden Eignungsunterschied vernünftigerweise nicht mehr gesprochen werden kann, kann nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und der für die Annahme einer Differenzierung ins Treffen geführten Begründung beurteilt werden. Für die Zulässigkeit einer gewissen „Feinabstufung“ spricht auch die Judikatur des EuGH, der eine Bevorzugung von Frauen im öffentlichen Dienst bei gleicher Qualifikation nur erlaubt, wenn die einschlägigen nationalen Bestimmungen gewährleisten, dass die Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der die besondere persönliche Lage aller Bewerberinnen und Bewerber berücksichtigt wird (Rs C-158/97 Badeck; vgl auch RIS-Justiz RS0114714; RS0114712). Dass die bessere Eignung des männlichen Bewerbers im hier zu beurteilenden Fall in vertretbarer Weise ausgesprochen wurde, hat das Berufungsgericht jedenfalls ohne groben Beurteilungsfehler angenommen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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