OGH 4Ob193/18p

OGH4Ob193/18p23.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* P*, vertreten durch die Dr. Gerhard Horak Mag. Andreas Stolz Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei C* P*, vertreten durch Dr. Susanne Schwarzenbacher, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Juli 2018, GZ 48 R 8/18h‑51, womit das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 30. Oktober 2017, GZ 29 C 21/16f‑37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123396

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine unheilbare Ehezerrüttung dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlagen der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben, wobei es genügt, dass die klagende Partei die eheliche Gesinnung verloren hat (RIS‑Justiz RS0056832). Während die Frage, ob und wann eine Ehe objektiv zerrüttet ist, eine auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen nach objektivem Maßstab zu beurteilende Rechtsfrage ist (RIS‑Justiz RS0043423), zählt die Frage, ob ein Ehegatte die Ehe subjektiv als unheilbar zerrüttet ansieht, zum – beim Obersten Gerichtshof nicht mehr anfechtbaren – Tatsachenbereich (RIS‑Justiz RS0043423 [T4]; RS0043432 [T4]). Eheverfehlungen, die nach der unheilbaren Zerrüttung der Ehe gesetzt werden, haben bei der Verschuldensabwägung kein entscheidendes Gewicht (RIS‑Justiz RS0057338). In diesen Fällen fehlt es zwischen der neuen Eheverfehlung und der Zerrüttung am ursächlichen Zusammenhang (RIS‑Justiz RS0056921; RS0056939). Eheverfehlungen nach Zerrüttung der Ehe können nur dann noch von Bedeutung sein, wenn die Ehe noch nicht unheilbar zerrüttet ist und der verletzte Ehegatte bei verständiger Würdigung die weitere Eheverfehlung noch als Zerrüttung empfinden durfte (RIS‑Justiz RS0056887; RS0057338 [T7]).

Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen, welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ob noch eine Vertiefung der Zerrüttung als möglich anzusehen ist oder bereits ausgeschlossen werden kann und wie das beiderseitige Fehlverhalten zu gewichten ist, sind Fragen des Einzelfalls (7 Ob 63/13k).

War ein wesentlicher Grund für die Zerrüttung der Ehe das Verhalten des mit einer geistigen Störung behafteten Ehepartners, wäre es grob unbillig, dieses Verhalten völlig außer Acht zu lassen und die Ehe auf eine Art zu scheiden, die den auf Scheidung nach § 50 EheG Klagenden so stellt, als hätte sein Gegner mit einer auf alleiniges Verschulden des Klägers gestützten Klage Erfolg gehabt. In einem solchen Fall wäre eine einseitige Schuldfestsetzung grob unbillig und hat daher zu unterbleiben (RIS‑Justiz RS0057224; vgl RS0057233). Auch dies ist eine Einzelfallentscheidung (vgl 8 Ob 627/92).

Die Vorinstanzen gaben dem auf § 50 EheG gestützten Scheidungsbegehren des Klägers statt, weil die Ehe durch das nicht als Eheverfehlung zu betrachtende Verhalten der an einer psychischen Erkrankung (Angststörung mit Panikattacken) leidenden Beklagten unheilbar zerrüttet worden sei. Vor dem Eintritt der Zerrüttung gesetzte Eheverfehlungen des Klägers begründeten kein überwiegendes Verschulden; nach Eintritt der – vom Kläger als unheilbar angesehenen – Zerrüttung und nach Erhebung der Scheidungsklage gesetzte Eheverfehlungen des Klägers seien nicht geeignet gewesen, die Ehe noch weiter zu zerrütten.

Soweit die Revision ins Treffen führt, das Verhalten des Klägers habe dazu geführt, dass die Beklagte sich vor ihm gefürchtet, zu weinen und zu zittern begonnen habe, und ihr Verhalten sei bloß Reaktion auf zerrüttungskausales Verhalten des Klägers gewesen, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Dass eine beharrliche und grundlose Verweigerung ehelichen Verkehrs bei dutzenden Gelegenheiten über Jahre hinweg hier eine objektive Eheverfehlung verwirklicht, haben die Vorinstanzen ausgehend von der Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0056561) vertretbar bejaht.

Dass die Beklagte den Auszug des Klägers aus der Ehewohnung als zerrüttend empfunden habe, ist angesichts der Feststellungen zum bereits davor liegenden Eintritt unheilbarer Zerrüttung nicht relevant. Die in der Revision angesprochenen Ausführungen des Berufungsgerichts, der Kläger habe nach seinem „gerechtfertigten“ Auszug die Beklagte weiter unterstützt, bringen ersichtlich zum Ausdruck, dass sein Verhalten vor Eintritt der Zerrüttung auch im Lichte seines Verhaltens danach kein Verschulden nahelege. Mit „gerechtfertigt“ wollte das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ersichtlich zum Ausdruck bringen, dass es die Rechtsauffassung des Erstgerichts – der an sich eine Eheverfehlung verwirklichende Auszug sei nach Eintritt der Zerrüttung erfolgt und habe auf diese keinen Einfluss gehabt – nach § 500a ZPO teilt. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung wird von der Revision in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte