OGH 5Ob80/18b

OGH5Ob80/18b18.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ * KG *, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner S* e.U., *, vertreten durch Dr. Andreas Joklik, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm § 31 Abs 3 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2018, GZ 38 R 232/17z‑38, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122431

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52Abs 2WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62Abs 1AußStrG zurückgewiesen (§ 71Abs 3AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen wiesen den auf § 31 Abs 3 WEG gestützten Antrag auf Rechnungslegung und Herausgabe des sich aus der Abrechnung ergebenden Überschusses übereinstimmend ab. Der Antragsgegner habe seiner Abrechnungsverpflichtung nach § 31 Abs 3 WEG entsprochen und die vom Antragsgegner gelegte Abrechnung habe keinen Überschuss ergeben.

2. Bei Beendigung eines Verwaltungsvertrags hat der Verwalter ohne Verzug über die Rücklage Rechnung zu legen und den Überschuss an den neuen Verwalter oder bei Fehlen eines solchen an die Eigentümergemeinschaft herauszugeben (§ 31 Abs 3 WEG). Die Verwendung ein- und desselben Begriffs für verschiedene Inhalte führt dazu, dass man als Rücklage bei einem weiten Begriffsverständnis sämtliche Gelder, die die Wohnungseigentümer an die Eigentümergemeinschaft für Aufwendungen iSd §§ 31, 32 WEG zahlen, bezeichnen kann oder bei engerem Verständnis iSd § 20 Abs 2 WEG und § 18 Abs 4 WEG nur jene Vorschreibungen, die als eine Art „Zwangs-Ansparsystem“ für künftige Aufwendungen auf die Liegenschaft, also neben den laufenden Betriebskosten vorgeschrieben werden (5 Ob 185/07b).

In Bezug auf die in § 31 Abs 3 WEG festgelegte besondere Abrechnungs- und Herausgabepflicht des Verwalters ist die Betrachtung der Rücklage als das der Deckung von Aufwendungen dienende Gesamtvermögen der Eigentümergemeinschaft (also ein weites Verständnis des Rücklagenbegriffs) geboten, weil nur damit gewährleistet ist, dass sämtliche Geldmittel der Eigentümergemeinschaft von der Verpflichtung zur Abrechnung und Herausgabe an die Eigentümergemeinschaft oder den neuen Verwalter umfasst sind (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, WEG4 § 31 WEG Rz 20).

3. Die Amtswegigkeit ist im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren eingeschränkt (RIS-Justiz RS0083783; RS0029344; RS0070480; RS0069653). In Verfahren, in denen Abrechnungen oder Kostenpositionen zu überprüfen sind, beschränkt sich die Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Prüfung des Sachverhalts auf das von der Partei erhobene Sachvorbringen. Erst wenn im zuvor dargestellten Sinn konkrete Sacheinwendungen erhoben wurden oder ein bestimmter abgegrenzter Sachverhalt amtswegig klärungsbedürftig erscheint und danach Unklarheiten verbleiben, stellen sich Fragen der Beweislast (5 Ob 80/14x).

Im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm § 31 Abs 3 WEG bezieht sich die Amtswegigkeit demnach nur auf die von der Eigentümergemeinschaft geltend gemachten Abrechnungsmängel. Der Prüfumfang des Gerichts hat sich auf diese zu beschränken. Es bedarf daher eines konkreten Vorbringens, aus welchen Gründen die Abrechnung formell mangelhaft oder inhaltlich unrichtig sein soll (vgl RIS‑Justiz RS0083560). Fehlt es an einem zureichenden Vorbringen in erster Instanz, steht diesem im Rechtsmittelverfahren das im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltende Neuerungs-verbot (§ 37 Abs 3 Z 14 MRG) entgegen.

4. Auf zahlreiche im Verfahren vor dem Erstgericht erhobene Einwendungen formaler und inhaltlicher Natur kommt die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs nicht mehr zurück (vgl RIS-Justiz RS0043338). Deren Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf die behauptete Unvollständigkeit der Abrechnung mangels Ausweises der Zinserträge und der (vom Antragsgegner behaupteten) Dotierungen. Das Rekursgericht führte dazu aus, dass die Antragstellerin zu dem erstmals im Rekurs monierten Fehlen von Zinserträgen, Vergütungszinsen, Dotierungen und transparenten Buchungen in erster Instanz kein ausreichendes Vorbringen erstattet habe und auf diese erstmals im Rekurs erhobenen Einwände daher im Hinblick auf das Neuerungsverbot nicht mehr einzugehen sei.

Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828). Auch die Beantwortung der Frage, ob eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus (RIS-Justiz RS0042828 [T35]). Gegenteiliges würde im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann gelten, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre oder gegen die Denkgesetze verstieße (RIS‑Justiz RS0042828 [T11]), das Auslegungsergebnis daher als unvertretbar anzusehen wäre (RIS‑Justiz RS0042828 [T30]). Das ist hier nicht der Fall.

5. Der Revisionsrekurs zeigt auch sonst keine Rechtsfrage auf, der iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Bedeutung zukommt. So entspricht es – losgelöst von der Frage, ob an die Abschlussrechnung nach § 31 Abs 3 WEG überhaupt die gleichen Anforderungen zu stellen wären, wie an die Jahresabrechnung nach § 20 Abs 3 iVm § 34 WEG – der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass ein behauptetes pflichtwidriges Verhalten des Verwalters im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe an Dritte im Rechnungslegungsverfahren weder zu prüfen noch für die Richtigkeit der Abrechnung relevant ist (5 Ob 146/16f mwN).

Mit dem Einwand der fehlenden „Belegeinsicht“ verstößt die Antragstellerin nicht nur gegen das Neuerungsverbot, dieser Einwand ist angesichts der festgestellten Tatsache, dass der Antragsgegner sämtliche Verwaltungsunterlagen der neuen Verwalterin übergab, auch nicht nachvollziehbar.

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