OGH 5Ob185/07b

OGH5Ob185/07b1.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Leopold Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wohnungseigentümergemeinschaft W*****gasse *****, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, wegen 14.747,53 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2007, GZ 12 R 14/07b-44, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Dezember 2006, GZ 10 Cg 181/02i-51, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 875,34 EUR (darin enthalten 145,89 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin von 777/1548 Anteilen (B-LNR 26) der Liegenschaft EZ ***** GB ***** Fünfhaus, verbunden mit dem Wohnungseigentum an den Geschäftslokalen 1 bis 9 samt Anteil am Keller- und Erdgeschoss und 1. Stock. Sie betreibt in den in ihrem Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeiten eine Bankfiliale, die 1978 im Haus mit entsprechenden Umbauarbeiten etabliert und 1987 im Erdgeschoss erweitert wurde. Zuletzt erfolgte, beginnend im Jahr 2000, ein Umbau, durch den die im 1. Stock gelegenen Wohnungen top 6 bis 9 in die Filialräumlichkeiten integriert wurden. Der frühere Miteigentümer der Liegenschaft Reinhard R***** nahm zuletzt 1989 Bauarbeiten im Dachgeschoss vor, indem er dort die Wohnung top Nr 28 errichtete.

Im Juli 2003, nachdem auch die Umbauarbeiten der Klägerin bereits fertiggestellt waren, kam es infolge Überlastung eines Pfeilers in der Außenmauer zu einer starken Setzung des Objekts. Das aufgrund des Versagens des Pfeilers einsturzgefährdete Haus musste von der Feuerwehr gepölzt werden. Die anschließende Wiederherstellung verursachte Kosten in Höhe von 182.601,41 EUR.

Der Dachbodenausbau durch den seinerzeitigen Miteigentümer und der Ausbau der Filiale der Klägerin waren jeweils zu 50 % Ursache der aus dem Versagen des Stützpfeilers resultierenden Gesamtschäden. Die Reparaturkosten wurden an die jeweiligen Professionisten zur Gänze bezahlt und aus der Reparaturrücklage sowie aus Beträgen geleistet, die den Miteigentümern, einschließlich der Klägerin, entsprechend ihren Miteigentumsanteilen vorgeschrieben und von diesen bezahlt wurden.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von eingeschränkt 16.965,83 EUR für von ihr an allgemeinen Teilen des Hauses durchgeführte Erhaltungsarbeiten. Diese Forderung wurde mit Teilurteil des Berufungsgerichts vom 21. 8. 2006, 12 R 88/06h, hinsichtlich eines Teilbetrags von 14.747,53 EUR rechtskräftig als zu Recht bestehend erkannt; das Mehrbegehren wurde ebenso rechtskräftig abgewiesen. Die Beklagte wandte die Reparaturkosten von 182.601,41 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes sowie nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs compensando ein. Die Klägerin habe zur Reparaturrücklage, über die die Arbeiten finanziert worden seien, entsprechend ihrem Miteigentumsanteil 50,19 % beigetragen. Die restlichen 49,81 % seien von den übrigen Eigentümern gekommen. Sämtliche Arbeiten seien von der Beklagten beauftragt und bezahlt worden, sodass der Schaden - unabhängig vom Rückgriff bei einzelnen Eigentümern - bei der Beklagten eingetreten sei.

Mit dem Endurteil sprach das Erstgericht aus, dass die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 14.747,59 EUR sA.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die eingewandte Gegenforderung als bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht bestehend erkannte und das restliche Klagebegehren abwies. Die Aufwendungen für die Liegenschaft seien grundsätzlich nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen. Im Hinblick auf die Reparaturkosten habe die Klägerin deren Hälfte, somit 91.300,70 EUR verursacht und daher diesen Betrag in ihrer Eigenschaft als Schädigerin zu ersetzen. Gleichzeitig habe sie in ihrer Eigenschaft als Wohnungseigentümerin entsprechend ihrem Eigentumsanteil 50,19 % des Reparaturaufwands (45.823,82 EUR) zu tragen. Für diesen Teilbetrag bestünden daher zwei Haftungsgrundlagen. In Betreff des zweiten Teils des Schadens, den der frühere Miteigentümer verursacht habe, haftete die Klägerin zwar nicht als Schädigerin, sie habe jedoch, weil Zahlung durch den zweiten Schädiger bzw dessen Erben (noch) nicht geleistet worden sei, in ihrer Eigenschaft als Wohnungseigentümerin entsprechend ihrem Eigentumsanteil auch davon 50,19 % und somit 45.823,82 EUR als Aufwendung für die Liegenschaft zu tragen. Vom Betrag von 137.124,52 EUR, den die Klägerin „somit insgesamt zu tragen" habe, habe sie unstrittigerweise bisher 91.657,45 EUR zum Zwecke der Begleichung der Reparaturkosten an die Hausverwaltung bezahlt. Es bestehe daher eine noch offene Forderung zugunsten der Eigentümergemeinschaft in Höhe von 45.476,87 EUR. Da die Beklagte ihre Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes bzw eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs und nicht etwa als offene Forderung gemäß § 32 Abs 1 WEG 2002 eingewendet habe, sei zu prüfen, ob es sich bei der aushaftenden Forderung um einen solchen Anspruch handle. Dass die Klägerin ihre Zahlungen als Schadenersatzbzw Ausgleichszahlungen gewidmet habe, sei nicht behauptet worden und daher davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihren Zahlungen primär ihrer Verpflichtung als Wohnungseigentümerin, den erforderlichen Reparaturaufwand mitzutragen, nachgekommen sei. Die insgesamt erfolgte Zahlung von 91.647,65 EUR sei daher mit einem Teilbetrag von 45.823,82 EUR auf die von der Klägerin verursachten Reparaturkosten und mit einem weiteren gleich hohen Teilbetrag auf die von dem zweiten Schädiger verursachten Reparaturkosten anzurechnen. Der Teilbetrag von 45.476,87 EUR, den die Klägerin von den von ihr verursachten Reparaturkosten nicht beglichen habe, stelle somit einen Schadenersatz- bzw nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog §§ 364 f ABGB dar. Der Einwand, dass die gesamten Reparaturkosten durch Zahlungen der einzelnen Miteigentümer entsprechend dem jeweiligen Miteigentumsanteil beglichen worden seien und die beklagte Eigentümergemeinschaft daher hinsichtlich der eingewendeten Gegenforderung schadlos gestellt worden sei, könne nicht überzeugen. Der in der Beschädigung des Gebäudes bestehende Schaden trete regelmäßig im Vermögen der einzelnen Liegenschaftseigentümer und nicht in jenem der Eigentümergemeinschaft ein. Bei Ersatzansprüchen, die allgemeine Teile einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft beträfen, handle es sich um Gesamthandforderungen der Miteigentümer, zu deren Geltendmachung die Eigentümergemeinschaft im Interesse aller Gemeinschafter legitimiert sei. Die Beklagte sei daher nur dann schadlos gestellt, wenn der Schaden der in Wahrheit geschädigten Miteigentümer zur Gänze ersetzt worden wäre, was jedoch bislang nicht der Fall gewesen sei. Die durch die WRN 2006 neu eingefügte Bestimmung des § 18 Abs 2 WEG sei erst mit 1. 10. 2006 in Kraft getreten und daher hier noch nicht anzuwenden. Die Anspruchslegitimation sei eine Frage des materiellen Rechts. Da Gesetze grundsätzlich nicht zurückwirkten, sei mangels besonderer Rückwirkungsanordnung durch den Gesetzgeber jene materielle Rechtsnorm auf den rechtserheblichen Sachverhalt anzuwenden, die zum Zeitpunkt seiner Verwirklichung gegolten habe. Die Sachlegitimation der Beklagten betreffend bereits davor eingewendete Gegenforderungen gehe daher durch die nachträgliche Gesetzesänderung nicht verloren. Gegen diese Entscheidung richtet sich, nach ihrer Zulassung gemäß § 508 ZPO, die Revision der klagenden Partei, die im Ergebnis auf die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils abzielt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts sei überraschend und resultiere auf der durch keinerlei Prozessvorbringen gedeckten Aufteilung der dem Grundbuchsanteil der klagenden Partei entsprechenden Zahlung auf die eigene Schadenersatzpflicht einerseits und die Forderung der beklagten Partei gegenüber dem ehemaligen Miteigentümer bzw nunmehr dessen Erben andererseits.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass der für 50 % des Schadens haftbare Schädiger des gemeinsamen Eigentums zugleich auch zu knapp über 50 % Mit- und Wohnungseigentümer ist. In dieser Eigenschaft hat er zu den von der Gemeinschaft veranlassten Reparaturen und dementsprechend getragenen Reparaturkosten bereits durch die Begleichung von Vorschreibungen zur Deckung der Liegenschaftsaufwendungen sowie zur Dotierung der Rücklage seinen anteiligen Beitrag geleistet. Welcher Teil der aufgewendeten Reparaturkosten aus der Rücklage und welcher Teil aus speziell für die Reparaturkosten erfolgten Vorschreibungen gegenüber den Miteigentümern finanziert wurde, steht zwar nicht fest; dies kann allerdings aus nachstehenden Überlegungen auch dahingestellt bleiben:

Nach § 20 Abs 1 WEG 2002 ist der Verwalter im Rahmen seiner Aufgaben

in eigener Verantwortung (vgl Löcker, Die

Wohnungseigentümergemeinschaft 294) für die Bildung einer

angemessenen Rücklage und Vorschreibung ausreichender Vorauszahlungen

auf die Bewirtschaftungskosten im Hinblick auf § 20 Abs 2 WEG 2002

verantwortlich (Würth in Rummel3 § 20 WEG 2002 Rz 1; 5 Ob 255/06w =

wobl 2007/120 [Call]; 5 Ob 171/02m = MietSlg 54/26 = immolex 2003/42,

76 = SZ 2002/148 = wobl 2003/58, 116 [Call]; 9 ObA 21/98y = MietSlg

50.611; 5 Ob 12/93 = MietSlg 45.552).

Gemäß § 31 Abs 1 WEG haben die Wohnungseigentümer eine angemessene Rücklage zur Vorsorge für künftige Aufwendungen zu bilden und bei Festlegung der Beiträge zur Bildung dieser Rücklage auf die voraussichtliche Entwicklung der Aufwendungen Bedacht zu nehmen, wobei nach Abs 2 leg cit die Rücklage für die Deckung von Aufwendungen zu verwenden ist. § 32 WEG versteht unter Aufwendungen sämtliche notwendigen Leistungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage, wohingegen § 20 Abs 2 WEG bei Regelung der Vorausschau davon spricht, dass diese die in absehbarer Zeit notwendigen, über die laufende Instandhaltung hinausgehenden Erhaltungsarbeiten und die in Aussicht genommenen Verbesserungsarbeiten sowie die dafür erforderlichen Beiträge zur Rücklage sowie die sonst vorhersehbaren Aufwendungen, vor allem die Bewirtschaftungskosten, und die sich daraus ergebenden Vorauszahlungen zu beinhalten habe, also zwischen der Rücklage und sonstigen Aufwendungen differenziert. Diese unscharfe Verwendung ein- und desselben Begriffs für verschiedene Inhalte (vgl E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht WEG § 31 Rz 15; Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft 352 ff) führt dazu, dass man bei einem weiten Rücklagenbegriff sämtliche Gelder, die die Wohnungseigentümer an die Wohnungseigentümergemeinschaft für vorgeschriebene Aufwendungen im Sinne der §§ 31, 32 WEG bezahlen, als Rücklage bezeichnen kann oder bei engerem Verständnis im Sinne des § 20 Abs 2 WEG nur jene Vorschreibungen, die als eine Art „Zwangs-Ansparsystem" für künftige Aufwendungen auf die Liegenschaft, also neben den laufenden Betriebskosten vorgeschrieben werden. Für ein engeres Verständnis spricht auch § 18 Abs 4 WEG wonach ein gegen die Eigentümergemeinschaft ergangener Exekutionstitel nur in die Rücklage (§ 31 WEG) oder in die von den Wohnungseigentümern geleistete oder geschuldete Zahlungen für Aufwendungen (§ 32 WEG) vollstreckt werden kann.

Jedenfalls handelt es sich aber bei den Geldmitteln, die die Eigentümergemeinschaft durch Beitragsleistungen ihrer Teilhaber für Aufwendungen und zur Dotierung der Rücklage im Sinne §§ 31 und 32 WEG erworben hat, samt den Zinsen aus ihrer fruchtbringenden Anlage um für die künftigen Aufwendungen der betreffenden Liegenschaft gebundenes Vermögen und Eigentum der Eigentümergemeinschaft. Beitragsleistungen der Wohnungseigentümer, sobald sie in die Verfügungsgewalt der Eigentümergemeinschaft eintreten, fließen ex lege und widmungsunabhängig der Eigentümergemeinschaft zu (vgl auch E. M. Hausmann aaO Rz 18).

Damit ist klargestellt, dass die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung durch die auf einem völlig anderen Rechtsgrund beruhenden laufenden Beitragsleistungen der klagenden Partei zur Abdeckung der Liegenschaftsaufwendungen sowie zur Dotierung der Rücklage nicht beglichen sein kann.

Die beklagte Partei ist daher zur Geltendmachung des hier verfolgten Ersatzanspruchs jedenfalls bis zur Höhe des bereits rechtskräftig zugesprochenen Klagebegehrens berechtigt, wozu zu bemerken ist, dass die Frage der Sachlegitimation der beklagten Partei im Revisionsverfahren substanziell gar nicht mehr aufgerührt wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob dabei von einer Schädigung der Wohnungseigentümer des Hauses selbst oder der von diesen zu unterscheidenden beklagten (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft (vgl 5 Ob 50/07z) ausgegangen wird. Anhaltspunkte für die Sachlegitimation

wären in Judikatur (1 Ob 163/03g = SZ 2003/99 = wobl 2004, 19/4

[Call] = MietSlg 55.476/23) und Literatur (H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 18 WEG Rz 101) zu finden, weil mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wie im gegenständlichen Fall letztendlich Eigentumsbefugnisse ausgeübt werden, die - wie die Verwaltung selbst - im gemeinsamen Eigentum wurzeln; in Frage käme aber auch eine durch die Instandhaltungspflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft bei ernsten Schäden des Hauses zu begründende Sachlegitimation kraft Schadensverlagerung oder letztlich ein - als vom Tatsachenvorbringen her gesehen ebenfalls indizierter - Anspruch nach § 1422 ABGB. Ob die Durchsetzung der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung gegen die klagende Partei zur Herabsetzung der Rücklage Anlass bietet (vgl E. M. Hausmann aaO Rz 32), ist in diesem Verfahren nicht zu erörtern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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