OGH 9ObA66/18y

OGH9ObA66/18y28.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch die B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch die Denkmair Hutterer Hüttner Waldl Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. April 2018, GZ 12 Ra 20/18z‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00066.18Y.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob ein Arbeitnehmer als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG anzusehen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0050979 [T7]) und bildet daher – abgesehen von einer groben Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

2. Maßgeblich ist, ob der Arbeitnehmer durch seine Position an der Seite des Arbeitgebers und durch Ausübung von Arbeitgeberfunktionen in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern geraten kann. Bei den Arbeitgeberfunktionen, die die Unterstellung unter den Begriff des leitenden Angestellten rechtfertigen können, steht der Einfluss auf die Eingehung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Vordergrund (RIS-Justiz RS0050979; vgl auch RS0053034). Wesentlich ist aber auch die Ingerenz in Gehaltsfragen, bei Vorrückungen, bei der Urlaubseinteilung, bei der Anordnung von Überstunden, bei der Ausübung des Direktionsrechts und bei der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb. Entscheidend ist dabei, ob der Mitarbeiter rechtlich und nicht nur faktisch befugt war, eine selbständige Personalkompetenz eigenständig auszuüben (RIS-Justiz RS0050979 [T5]). Völlige Weisungsfreiheit ist hingegen nicht erforderlich und kann mit Rücksicht auf die aus der Sicht des Arbeitsvertragsrechts gegebene Arbeitnehmereigenschaft auch des leitenden Angestellten nicht verlangt werden (RIS-Justiz RS0051284 ua).

3. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger, der auch nach 2009 auf der ersten Betriebsebene – und nur dem Geschäftsführer unterstellt – tätig war, in die Festlegung der Strategie des Unternehmens eingebunden war (etwa bei Preisgestaltung und Planungsverantwortlichkeit), berechtigt war, Personal aufzunehmen und zu kündigen, wobei diese Befugnis auch nach 2009 (jedenfalls theoretisch) weiterbestand, die Gesamtverantwortung für seinen Bereich mit eigenem Budget trug und wirtschaftlich betrachtet für ca 20 % des Gesamtumsatzes alleinverantwortlich war, als leitender Angestellter anzusehen ist. Diese Rechtsmeinung ist jedenfalls vertretbar.

4. Soweit der Kläger Feststellungen zum Inhalt des 2001 abgeschlossenen Dienstvertrags vermisst, so kommt es bei der Beurteilung nicht auf den Wortlaut der Vereinbarung an, sondern auf die tatsächliche Ausgestaltung der in der Folge gelebten Rechtsbeziehung, ist doch davon auszugehen, dass die Parteien den Vertrag regelmäßig auch so verstehen, wie sie ihn vollziehen bzw steht es ihnen ja auch frei, diesen entsprechend zu ändern (vgl 8 ObA 44/03h). Dazu hat das Erstgericht aber umfangreiche Feststellungen getroffen.

Aus diesen ergibt sich aber auch, dass dem Kläger hinsichtlich Personalentscheidungen gerade nicht nur ein Vorschlagsrecht (wie in der Entscheidung 9 ObA 77/15m) zukam, sondern nur die formale Zeichnungsbefugnis bei der Geschäftsführung lag. Dabei hat das Berufungsgericht die Änderungen in der Tätigkeit des Klägers 2009 sehr wohl in seine Beurteilung einfließen lassen.

5. Entgegen den Ausführungen in der Revision kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger über eine Prokura, Handlungsvollmacht oder Zeichnungs- bzw Vertretungsbefugnisse nach außen verfügte, da dies über den maßgebenden Einfluß auf die Betriebsführung allein noch nichts aussagt, ihn aber auch nicht ausschließt (9 ObA 106/95).

6. Insgesamt gelingt es dem Kläger daher nicht, einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte