European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00057.18S.0529.000
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger ist gemäß § 29 Abs 1 KSchG legitimiert, Unterlassungsansprüche nach § 28 und § 28a KSchG geltend zu machen. Die Beklagte betreibt das Bankgeschäft (Kreditinstitut gemäß § 1 BWG) und bietet ihre Leistungen bundesweit an. Dabei tritt sie auch in geschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern und schließt mit diesen Verträge. Diesen Verträgen legt sie Vertragsformblätter und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zugrunde, darunter auch zwei „Konditionenübersichten“, die die drei im Revisionsverfahren noch beanstandeten Klauseln enthalten.
Der Kläger behauptet die Unzulässigkeit dieser Klauseln. Er stellt ein entsprechendes Unterlassungs‑ und Urteilsveröffentlichungsbegehren.
Die Beklagte hält die Klauseln für gesetzeskonform und das Veröffentlichungsbegehren für zu weitgehend. Als Leistungsfrist seien sechs Monate angemessen.
Die Vorinstanzen gaben dem Unterlassungsbegehren für alle Klauseln mit einer Leistungsfrist von sechs Monaten und dem Veröffentlichungsbegehren statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Leistungsfrist bezüglich der Verpflichtung eines Unternehmers, sich auf als rechtswidrig erkannte Vertragsklauseln zu berufen, uneinheitlich sei.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Zur Revision der Beklagten:
1. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von Klauseln in AGB nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Die Auslegung von Klauseln in AGB bestimmter Geschäftsbranchen, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, bildet nach ständiger Rechtsprechung eine erhebliche Rechtsfrage, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren (RIS‑Justiz RS0121516) und die fragliche Regelung nicht so eindeutig ist, dass nur eine Möglichkeit der Beurteilung in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0121516 [T17]). Zu den fraglichen Klauseln existiert aber bereits oberstgerichtliche Judikatur, die sich mit gleichlautenden oder vergleichbaren Klauseln befasst hat, und zudem ist deren Auslegung eindeutig.
2. Klauseln 1 und 2:
„ manuelle Nachbearbeitung von Transaktionen € 2,90/EUR 3,90“
2.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind unter AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. AGB liegen nur dann nicht vor, wenn Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind (RIS‑Justiz RS0123499 [T2]).
Das Berufungsgericht vertrat unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung die – nicht korrekturbedürftige – Rechtsansicht, die Entgeltangaben in den „Konditionenübersichten“ der Beklagten seien ein aus Sicht des Verwenders (der Beklagten) nicht verhandelbarer Teil des Vertrags mit ihren Kunden und damit ein Vertragsformblatt im Sinn des § 28 KSchG. Dass die Beklagte zu einem Aushang dieser Vertragsbedingungen gesetzlich verpflichtet sei [§ 35 Abs 1 Z 1 lit b BWG], entbinde sie nicht davon, bei der Formulierung der Vertragsklauseln die Gesetze und die guten Sitten einzuhalten. Soweit sie weiterhin in Abrede stellt, dass die in den „Konditionenübersichten“ genannten Entgelte keine AGB seien, ist ihr das Zugeständnis in ihrer Revision entgegenzuhalten, dabei handle es sich um „ein im Rahmenvertrag vereinbartes Entgelt“. Die von ihr in diesem Zusammenhang gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.
2.2. Die Ausnahme von der in § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle – die Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten – ist möglichst eng zu verstehen und soll auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben, sodass vor allem auch die im dispositiven Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, also vor allem Ort und Zeit der Vertragserfüllung, nicht unter diese Ausnahme fallen (RIS‑Justiz RS0016908; vgl RS0016931). Nur Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen, sollen der Inhaltskontrolle entzogen sein, nicht jedoch Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen (RIS‑Justiz RS0016908 [T5, T8]; RS0016931 [T2]).
Das Berufungsgericht ging – dieser Rechtsprechung folgend – unbedenklicherweise davon aus, dass die Klauseln 1 und 2, die ein zusätzliches Entgelt für eine manuelle Nachbearbeitung von Transaktionen vorsehen, das Leistungsversprechen der Beklagten veränderten und damit der Inhaltskontrolle unterlägen. Eine Einschränkung der in den Klauseln angeordneten Zahlungspflicht für die manuelle Nachbearbeitung finde sich weder in den „Konditionenübersichten“ noch in den sonstigen AGB der Beklagten; insbesondere gebe es keine Einschränkung, dass die Zahlungspflicht der Bankkunden davon abhängig wäre, dass die manuelle Nachbearbeitung durch ein vertragswidriges Verhalten des Kunden verursacht worden sei. Nach dem Wortlaut der Klauseln müssten die Kunden das darin festgelegte Entgelt auch dann zahlen, wenn die manuelle Nachbearbeitung ihrer Transaktion aus Gründen erforderlich werde, die allein aus der Sphäre der Beklagten stammen (wie etwa ein EDV‑Fehler, der die automatische Bearbeitung der Transaktion – allenfalls vorübergehend – unmöglich mache). Die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz, dass eine derartige Verpflichtung der Bankkunden, ein zusätzliches Entgelt auch dann zu zahlen, wenn die Beklagte den entsprechenden Mehraufwand allein wegen einer in ihrer Sphäre liegenden Ursache habe, gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und damit nichtig sei, ist jedenfalls vertretbar.
2.3. Dem Einwand der Beklagten, die beiden Klauseln seien einschränkend zu verstehen, nämlich nur bezüglich manueller Transaktionen, die aufgrund von in der Sphäre der Kunden liegender Umstände erforderlich wären, hielt das Berufungsgericht – ohne Fehlbeurteilung – entgegen, dann erwiesen sich die Klauseln als intransparent (im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG), weil sie diese maßgebliche Einschränkung nicht enthielten. Mit ihren Darlegungen, wonach keine Intransparenz vorliege, zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die gerügten sekundären Feststellungsmängel sind ohne rechtliche Relevanz, weil in den Klauseln auf die Verpflichtungen der Kunden im Zusammenhang mit von ihnen erteilten Aufträgen und Überweisungsaufträgen gar nicht Bezug genommen wird.
3. Klausel 3:
„Fremde Spesen werden weiterverrechnet.“
Nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung hat die Auslegung von Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0016590). Der Einwand, eine gesetzwidrige Klausel werde in der Praxis anders gehandhabt, ist im Verbandsprozess unerheblich (RIS‑Justiz RS0121943). Maßstab für die Transparenz im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG ist das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen „Durchschnittskunden“ (RIS‑Justiz RS0115217 [T12, T19]).
Das Berufungsgericht beurteilte Klausel 3 als intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG. Sie befinde sich – fettgedruckt – unter der Auflistung der „sonstigen Entgelte“ für verschiedene Leistungen wie beispielsweise Mahnungen, Kartennachbestellungen, PIN‑Nachbestellungen, Karten-sperren, papierhafter Auszug, Bareinzahlung und Barauszahlung, Auslandszahlungsüberweisung und sonstige Dienstleistungen. Die Klausel erwecke den Eindruck, dass die Kunden der Beklagten verpflichtet seien, Spesen dritter Unternehmen zu tragen, die im Zusammenhang mit einer der zahlreichen in den „Konditionenübersichten“ erwähnten Leistungen der Beklagten entstanden seien, und zwar auch dann, wenn die Beklagte Leistungen, die sie ihren Kunden erbringen müsse, an ein derartiges drittes Unternehmen ausgelagert habe. Es fehle jede Präzisierung und Einschränkung, was unter „fremde Spesen“ gemeint sei. Auch diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. So wurde in der Entscheidung 10 Ob 70/07b (= RIS‑Justiz RS0124702) eine Klausel, wonach ein Kreditkartenunternehmen unter anderem dem Kunden Spesen „anlasten“ könne, als intransparent erkannt, weil jegliche Konkretisierung fehle, welche Spesen darunter fallen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der beanstandeten Klausel nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um Spesen für Leistungen Dritter handle, welche nicht ihrer Sphäre zuzurechnen seien. Die in diesem Zusammenhang gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor, kommt es doch nicht darauf an, sämtliche mit der Ausführung von Kundenaufträgen verbundene Spesen Dritter anzuführen, sondern den Ausdruck „fremde Spesen“ so nachvollziehbar zu erklären, dass bestimmbar ist, welche Spesen darunter fallen und welche nicht.
4. Ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, ist – von einer hier nicht vorliegenden Fehlbeurteilung abgesehen – regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042967 [T8]). Gleiches gilt auch für die Wahl des Publikationsmediums (RIS‑Justiz RS0042967 [T11]).
Gemessen am Zweck der Urteilsveröffentlichung, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RIS‑Justiz RS0121963), ist die Verurteilung zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstagausgabe einer österreichweiten Tageszeitung jedenfalls vertretbar.
Zur Revision des Klägers:
5. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn sie durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS‑Justiz RS0112769 [T9, T11, T12]; RS0112921 [T5]).
6. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Zwischenzeit in der eingehend begründeten Entscheidung 9 Ob 82/17z (dieser schon folgend 6 Ob 56/18f) mit der Vorjudikatur, der Lehre und den Argumenten des Klägers auseinandergesetzt. Dabei gelangte er zum Ergebnis, dass die Frage der Zulässigkeit einer Leistungsfrist für das Sich‑berufen auf unzulässige Klauseln nicht generell nach dem Alles‑oder‑nichts‑Prinzip zu beantworten ist. Vielmehr kann es Klauselwerke geben, die ein sofortiges Abstandnehmen von einem Sich‑darauf‑berufen erlauben und zur Umsetzung dieses Unterlassungsgebots keine weiteren aktiven Vorkehrungen erfordern, aber auch Klauselwerke, die sehr wohl bestimmter betrieblicher und/oder organisatorischer Maßnahmen bedürfen, um zu verhindern, dass sie weiter der Gestion von Altverträgen zugrunde gelegt werden. Im vom neunten Senat zu beurteilenden Fall seien Gründe, warum das Unterlassungsgebot bezüglich der dort beurteilten Klauseln keiner oder einer anderen Umsetzungsfrist bedürften, nicht ersichtlich, zumal die Klauseln auch abrechnungsrelevante Entgeltbemessungen beträfen, deren Außerachtlassung einer Systemanpassung bedürfen werde.
7. Diese Argumentation lässt sich auch auf den vorliegenden Fall übertragen. In Übereinstimmung mit dieser Entscheidung argumentierte das Berufungsgericht, die Beklagte müsse, um dem Unterlassungstitel zu entsprechen, ihre EDV‑Programme überprüfen und korrigieren, sodass für die manuelle Nachbearbeitung von Transaktionen kein Entgelt verrechnet und fremde Spesen nicht weiterverrechnet würden. Insofern ist nachvollziehbar, dass auch die Abstandnahme vom Sich‑berufen bei laufenden Verträgen einer organisatorischen Anpassung bedarf. Die Untersagung des Sich‑berufens ist daher keine reine Unterlassungspflicht, sodass auch dafür eine Leistungsfrist festzusetzen ist.
8. Damit liegt aber keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität vor, sodass beide Revisionen zurückzuweisen sind.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41 und § 50 ZPO. Die Parteien haben in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die fehlende Zulässigkeit der Revision des Prozessgegners hingewiesen.
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