European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00009.18D.0419.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs und der Rekurs werden zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelbeantwortung (darin 366,30 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Parteien und mit ihnen verbundene Unternehmen stehen im Wettbewerb auf dem Markt der Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, die sich Themen der Mode widmen. Sie streiten über die Nutzung des Begriffs „Fashion“ zur Bezeichnung solcher Programme. Beide Unternehmensgruppen verfügen insofern über Rechte an Marken, die sie der jeweils anderen Seite entgegenhalten; beide Parteien führen diesen Begriff auch in ihrer Firma.
Im Verfahren 29 Cg ***** des Handelsgerichts Wien wurde einer der Unternehmensgruppe der Beklagten angehörenden Gesellschaft auf Antrag der Klägerin einstweilen verboten, ihr Programm mit „Fashion One“ zu bezeichnen (4 Ob 148/14i). Dieses Hauptverfahren ist unterbrochen, weil in Bezug auf die dortige Klagsmarke („Fashion One“) beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum ein Löschungsverfahren anhängig ist. Die Beklagte strahlt seither ein als „Fashion Television“ bezeichnetes Programm aus. Sie erwarb dafür von einem kanadischen Unternehmen Lizenzrechte an zwei Unionsmarken. Aufgrund dieser Marken erhob die hier Beklagte zu 11 Cg ***** des Handelsgerichts Wien Unterlassungsansprüche gegen die nunmehrige Klägerin. Auch dieses Verfahren ist wegen anhängiger Löschungsverfahren unterbrochen.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist einerseits eine zum letztgenannten Verfahren erhobene Widerklage, mit der die hier (Wider‑)Klägerin den Verfall, hilfsweise die Nichtigerklärung der dortigen Klagsmarken anstrebt; insofern ist das Verfahren ebenfalls unterbrochen.
Andererseits begehrt die (Wider‑)Klägerin, der (Wider-) Beklagten zu untersagen, die strittigen Marken oder damit verwechselbare Zeichen zur Kennzeichnung eines Mode-Sparten-Fernsehprogramms zu benutzen. Sie stützte ihren Unterlassungsanspruch vorerst darauf, dass die Beklagte die Rechte an den Marken sittenwidrig erworben habe, was Unterlassungsansprüche nach § 1 UWG (Behinderungswettbewerb) begründe.
Die Beklagte wandte ein, dass sie die Rechte an den Marken nicht sittenwidrig erworben habe.
Das zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens erhobene Provisorialbegehren der Klägerin wurde mit der – sich von früherer Rechtsprechung des Senats ausdrücklich abwendenden – Begründung abgewiesen dass der bloße Umstand des sittenwidrigen Rechtserwerbs keinen Anspruch auf Unterlassung der Zeichennutzung begründen kann (4 Ob 252/16m = RIS‑Justiz RS0131234).
Klagsänderung ON 38:
In der Folge erstattete die Klägerin ergänzendes Vorbringen dahin, ihr Klagebegehren auch auf einen Eingriff in ihr infolge Verkehrsgeltung gemäß § 9 UWG geschütztes Unternehmenskennzeichen sowie auf unlautere Rufausbeutung zu stützen.
Die Beklagte wandte dagegen ein, es handle sich um eine unzulässige Klagsänderung.
Das Erstgericht ließ die Klagsänderung nicht zu, weil sonst ein umfangreiches Beweisverfahren erforderlich wäre.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es die Klagsänderung zuließ. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob vor Durchführung eines ordnungsgemäßen Rechtsgesprächs nach § 258 Abs 1 Z 3 ZPO auch im Bereich der Klagsänderung die zur Zurückweisung von Vorbringen nach § 179 ZPO entwickelten höchstgerichtlichen Leitlinien gleichermaßen Anwendung fänden.
Dagegen richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wiederherzustellen, in eventu die Rekursentscheidung aufzuheben und den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihn abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Teilurteil ON 42:
Nach Nichtzulassung der Klagsänderung schloss das Erstgericht die Verhandlung und wies das lauterkeitsrechtliche Unterlassungsbegehren ab, weil dieses – ausgehend von den Ausführungen des Obersten Gerichtshofs im Provisorialverfahren zu 4 Ob 252/16m – schon unter Zugrundelegung der Klagsbehauptungen unberechtigt sei.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Rechtsmittelerfolg im Rekursverfahren betreffend die Nichtzulassung der Klagsänderung müsse zur Urteilsaufhebung führen. Den Rekurs ließ das Berufungsgericht zu, weil im Falle der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Klagsänderung der Grund für den Berufungserfolg wegfiele.
Dagegen richtet sich erkennbar der (richtig:) Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das erstgerichtliche Teilurteil wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt erkennbar, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rechtsmittel sind entgegen den – den Obersten Gerichtshof nicht bindenen – Aussprüchen des Rekurs‑ und Berufungsgerichts unzulässig.
1. Zum Revisionsrekurs:
1.1. Eine Beschlussausfertigung liegt nur dann vor, wenn das Schriftstück die Unterschrift des Richters oder unter dessen Unterfertigungsstampiglie die Unterschrift des Leiters der Geschäftsabteilung trägt; eine Protokollabschrift kann nie einer Beschlussausfertigung gleichgestellt sein, sodass die Zustellung der Protokollabschrift nicht den Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang setzt (RIS‑Justiz RS0041627 [T4]).
Wenn die Ausfertigung des Teilurteils nicht auch als Ausfertigung des – mündlich verkündeten – Beschlusses über die Klagsänderung umzudeuten wäre, wäre für die Beklagte nichts gewonnen, weil diesfalls die Rechtsmittelfrist gegen den Beschluss noch nicht zu laufen begonnen hätte, zufolge Bindung des Gerichts an den verkündeten Beschluss aber dennoch eine Anfechtung bereits zulässig wäre (vgl RIS‑Justiz RS0041748 [T2], RS0007015).
1.2. Die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels hindert nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RIS‑Justiz RS0036258), insbesondere wenn das Begehren deutlich erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0036410) und das Rechtsmittel sonst alle Inhaltserfordernisse eines statthaften Rechtsmittels aufweist (RIS‑Justiz RS0036652); auch eine unrichtige oder unvollständige Bezeichnung der Rechtsmittelgründe gereicht dem Rechtsmittelwerber nicht zum Schaden, wenn die Rechtsmittelausführungen die Beschwerdegründe deutlich erkennen lassen (RIS‑Justiz RS0041851). Der Antrag zur Abgrenzung des Anfechtungsumfangs bedarf keiner besonderen Formulierung; es genügt, wenn der Zusammenhang der Rechtsmittelschrift verlässlich erkennen lässt, was der Rechtsmittelwerber erreichen will. Rechtsmittelgründe und -antrag stehen in einem logischen Zusammenhang, sodass bei der Beurteilung des Umfangs der Anfechtung auch die Rechtsmittelgründe zu berücksichtigen sind. Ein Vergreifen im Ausdruck bei der Formulierung des Antrags schadet nicht (vgl RIS‑Justiz RS0042142).
Die Auffassung des Rekursgerichts, es lasse sich aus den Rechtsmittelgründen ausreichend erkennen, dass die Klägerin mit ihren Darlegungen im Rahmen der Mängelrüge auch gegen die Nichtzulassung der Klagsänderung vorgehe, ist im Einzelfall (vgl RIS‑Justiz RS0042828) nicht zu beanstanden.
1.3. Eine Klagsänderung ist tunlichst zuzulassen (RIS‑Justiz RS0039441), wenn sie es ermöglicht, das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis mit den einfachsten Mitteln, unter Vermeidung eines weiteren Prozesses, klarzustellen (RIS‑Justiz RS0039518). Sie ist immer dann zuzulassen, wenn sie einen zweiten Prozess erspart, ohne den ersten unbillig zu erschweren oder zu verzögern (RIS‑Justiz RS0039428).
Wenn allerdings nach Durchführung eines Beweisverfahrens bereits abschließend geklärt ist, dass der ursprünglich geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht besteht, kann dem Kläger grundsätzlich nicht mehr die Möglichkeit geboten werden, durch Änderung seines Begehrens den Prozess auf neuer Grundlage mit völlig neuen Beweismitteln fortzusetzen (RIS‑Justiz RS0039525 [insb T2, T3]; RS0039594 [T1]); sogar dies kann aber aus Gründen der Prozessökonomie im Einzelfall möglich sein (vgl 6 Ob 171/17s mwN). Keinesfalls geht es aber an, Klagsänderungen, die am Anfang des Rechtsstreits beantragt wurden, schon deshalb nicht zuzulassen, weil das ursprüngliche Klagebegehren ohne jede weitere Beweisaufnahme abgewiesen werden könnte (RIS‑Justiz RS0039505; vgl RS0039529). Für die Frage der Zulässigkeit einer Klagsänderung oder Ausdehnung ist es belanglos, ob dieser geänderte oder erweiterte Anspruch begründet ist oder nicht (RIS‑Justiz RS0039622; RS0039541). Auch die Frage, ob der Kläger sein Vorbringen zur Klageänderung früher erstatten hätte können und ob Prozessverschleppung vorliegt, hat das Gericht nach § 179 ZPO zu beurteilen, ist aber nach § 235 Abs 3 ZPO kein gesondertes Prüfkriterium (RIS‑Justiz RS0036873 [T1]).
Ob im Einzelfall aufgrund der besonderen Umstände eine Klageänderung im Interesse der erwünschten endgültigen und erschöpfenden Beendigung des Streites zuzulassen ist, ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, es sei denn es liegt eine Fehlbeurteilung vor, die im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifen wäre (RIS‑Justiz RS0115548). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0039525 [T4, T6]; RS0039441 [T11]; RS0039428 [T2]).
Eine solche Fehlbeurteilung der Zulassung der Klagsänderung wird hier nicht aufgezeigt, zumal sich die Entscheidung des Rekursgerichts – das unter Darlegung des Verfahrensverlaufs zutreffend darauf verwies, dass das Streitverfahren erst am Anfang steht – im Rahmen der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze hält. Auch auf die vom Rekursgericht aufgeworfene Zulassungsfrage kommt es daher nicht an.
2. Zum Rekurs:
Ausgehend von der Zulassung des ergänzenden Klagsvorbringens zeigt der Rekurs nicht auf, warum die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dem Teilurteil ermangle es der zur Beurteilung des Klagsanspruchs erforderlichen Feststellungen, unzutreffend sein sollte.
3. Zur Kostenentscheidung:
In Ansehung der Klagsänderung liegt ein Zwischenstreit vor (RIS‑Justiz RS0035952); die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; vielmehr findet auch hier ein Kostenersatz statt, wenn – wie hier – der Rechtsmittelgegner auf diese Unzulässigkeit hingewiesen hat (RIS‑Justiz RS0123222, RS0035976 [T2]).
Insgesamt gebührt der Klägerin für ihren Rechtsmittelschriftsatz zur Gänze Ersatz (§§ 41, 50 ZPO).
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