European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121660
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
1. Im Vorverfahren machte die zwischenzeitlich verstorbene Ehegattin des Klägers wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers Schmerzengeld (30.000 EUR), Verunstaltungsentschädigung (3.000 EUR) sowie Haushalts- und Pflegehilfe (2.000 EUR) gegen den Beklagten geltend. Nach dem Tod der Klägerin trat im Vorverfahren am 19. 9. 2016 „Ruhen des Verfahrens“ ein, weil zur anberaumten Tagsatzung niemand erschienen ist. Am (richtig) 27. 3. 2017 stellte ihr Ehegatte (Kläger im vorliegenden Verfahren) den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens; seine Ehegattin habe ihm vor ihrem Ableben sämtliche Ansprüche abgetreten. Dieser Antrag wurde mangels Parteistellung des Ehegatten rechtskräftig zurückgewiesen.
Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger aus denselben anspruchsbegründenden Tatsachen Schmerzengeld (30.150 EUR) sowie Kosten für Haushalts- und Pflegehilfe (10.000 EUR), zudem begehrte er Trauerschmerzengeld in Höhe von 12.000 EUR. Seine Ehegattin habe die ihr zustehenden Ansprüche gegen den Beklagten an ihn zediert. Der Beklagte erhob die Einrede der Streitanhängigkeit und beantragte die Zurückweisung der Klage.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Das Rekursgericht erkannte die Einrede der Streitanhängigkeit hingegen als teilweise berechtigt; aus diesem Grund hob es die Entscheidung des Erstgerichts und das dieser vorangegangene Verfahren im Umfang der im Vorverfahren geltend gemachten Ansprüche auf und wies die Klage in diesem Umfang zurück.
Rechtliche Beurteilung
2. Der Kläger steht im außerordentlichen Revisionsrekurs auf dem Standpunkt, dass das Vorverfahren „definitiv“ ruhe und nicht fortgesetzt werden könne, weil sein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens rechtskräftig zurückgewiesen worden sei. Das Verhalten des Beklagten mache die Überprüfung der geltend gemachten Ansprüche nach dem Tod seiner Ehegattin unmöglich.
Damit zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3.1 Gemäß § 233 Abs 1 ZPO hat die Streitanhängigkeit die Wirkung, dass während ihrer Dauer über den geltend gemachten Anspruch weder beim selben noch bei einem anderen Gericht ein Rechtsstreit durchgeführt werden darf. Eine während der Streitanhängigkeit wegen desselben Anspruchs eingebrachte Klage ist auf Antrag oder von Amts wegen zurückzuweisen. Trotz Streitanhängigkeit geführte Verfahren sind nichtig (RIS-Justiz RS0039233; 3 Ob 28/06y). Streitanhängigkeit setzt Identität der Parteien und des geltend gemachten Anspruchs in beiden Verfahren voraus (RIS‑Justiz RS0039196).
3.2 Der Kläger beruft sich auf die Zession der Ansprüche durch seine zwischenzeitlich verstorbene Ehegattin während des anhängigen Vorverfahrens.
Nach § 234 ZPO hat die Veräußerung einer streitverfangenen Sache oder Forderung auf den Prozess keinen Einfluss. Veräußerung iSd § 234 ZPO ist nach der Rechtsprechung jede wechselnde Rechtszuständigkeit der vom Klagebegehren betroffenen Sache bzw Forderung außerhalb einer Gesamtrechtsnachfolge (RIS‑Justiz RS0039302). § 234 ZPO gilt demnach für jede Art der Einzelrechtsnachfolge (RIS-Justiz RS0039231; 1 Ob 153/11d).
3.3 Von diesen Grundsätzen ist das Rekursgericht nicht abgewichen.
Die Identität der Ansprüche – in jenem Umfang, in dem das Rekursgericht die Klage zurückgewiesen hat – zieht der Kläger in seinem Rechtsmittel nicht in Zweifel. Ausgehend von seinen Prozessbehauptungen macht er (im genannten Umfang) Ansprüche auf Schmerzengeld sowie Haushalts- und Pflegehilfe als Einzelrechtsnachfolger seiner Ehegattin geltend, weshalb sich die Beurteilung des Rekursgerichts, dass § 234 ZPO zur Anwendung gelange, nicht als korrekturbedürftig erweist.
4. Auf ein „definitives Ruhen“ des Vorverfahrens kann sich der Kläger nicht berufen.
Grundsätzlich ist es durchaus richtig, dass Streitanhängigkeit nicht nur mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Sachentscheidung, sondern auch in bestimmten Fällen der Prozessbeendigung ohne Sachentscheidung, nämlich im Falle eines Vergleichs, einer Klagsrücknahme oder einer rechtskräftigen Klagszurückweisung endet. Umstände, die bloß einen Stillstand des Verfahrens bewirken, beenden oder unterbrechen die Streitanhängigkeit hingegen nicht. Dies gilt nach der Rechtsprechung selbst für ein jahrzehntelanges oder „ewiges“ („immerwährendes“ oder „dauerndes“) Ruhen des Verfahrens (3 Ob 28/06y) und ebenso für eine – vom Kläger aber nicht behauptete – Vereinbarung ewigen Ruhens (3 Ob 121/07a).
4. Auch auf das Argument, dass ein Verlassenschaftsverfahren nach seiner Ehegattin wegen Vermögenslosigkeit unterblieben sei, kann sich der Kläger nicht stützen.
Wurde das Verlassenschaftsverfahren nicht durch Einantwortung beendet, so besteht der ruhende Nachlass – als Inbegriff der Rechte und Pflichten des Verstorbenen (1 Ob 121/16z) – weiter (6 Ob 103/15p; 2 Ob 105/15b). Dies gilt insbesondere auch bei Absehen von der Verlassenschaftsabhandlung wegen des geringen Wertes der Aktiva nach § 153 AußStrG und im Fall der Überlassung der Verlassenschaft an Zahlungs statt nach § 154 AußStrG (8 ObA 65/08d). Der ruhende Nachlass ist Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers (1 Ob 75/16k) und wird in der Regel von einem – zu bestellenden – Verlassenschaftskurator vertreten (RIS‑Justiz RS0115929; RS0007737; vgl auch RS0008131). Der Antrag auf Einleitung oder Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens durch einen Vertreter des Nachlasses ist an keine Frist gebunden (RIS‑Justiz RS0123657). Es ist somit auch das Argument des Klägers, im Fall des Todes des Anspruchsberechtigten könnten die Ansprüche bei Annahme von Streitanhängigkeit nicht mehr geprüft werden, nicht stichhaltig.
5. Für das vorliegende Verfahren ist die Beurteilung des Rekursgerichts, der Klage stehe im Umfang der Zurückweisung das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit entgegen, nicht korrekturbedürftig. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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