OGH 4Ob74/18p

OGH4Ob74/18p19.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Beklagte o***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.000 EUR, Unterlassung (Streitwert: 14.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2018, GZ 15 R 198/17y‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00074.18P.0419.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Beide Parteien sind Medieninhaber jeweils einer Tageszeitung, die miteinander im Wettbewerb stehen.

Das Berufungsgericht verbot der Beklagten die Behauptungen, die Tageszeitung der Klägerin beschäftige den „übelsten Kolumnisten-Schuft“, was in der ganzen Branche bekannt sei, sie veröffentliche Kolumnen eines Mitarbeiters, die bevorzugt unter starkem Alkoholeinfluss und/oder als „Besoffener“ verfasst würden, und/oder habe eine gegen die Tageszeitung der Beklagten gerichtete Kolumne veröffentlicht, bei deren Verfassen der „Promille-Pegel“ ziemlich hoch gewesen und/oder deren Autor „stockbesoffen“ gewesen sei, und/oder beschäftigte einen Mitarbeiter, der ein Spezialist für dreckige Witze über Frauen und/oder Behinderte und/oder Kranke sei. Die heftige und exzessive Kritik sei ein unlauterer Wettbewerbsverstoß der Beklagten. Die Beklagte wurde zudem nach § 16 Abs 2 UWG zur Zahlung eines Schadenersatzbetrags von 6.000 EUR sA verpflichtet.

Die Beklagte macht in ihrer außerordentlichen Revision geltend, die beanstandeten Aussagen seien nur die Reaktion auf ehrbeleidigende und kreditschädigende Äußerungen der Klägerin gewesen, nicht unlauter und von Art 10 EMRK gedeckt. Bei medialen Auseinandersetzungen von Zeitungsverlegern mangle es an einer lauterkeitsrechtlich relevanten Wettbewerbshandlung.

Damit zeigt die Beklagte jedoch keine erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Die (für § 7 UWG noch relevante) Wettbewerbsabsicht kann völlig in den Hintergrund treten oder ganz fehlen, wenn es zwischen zwei Medieninhabern zu weltanschaulichen Auseinandersetzungen kommt und jeder der Beteiligten die öffentliche Meinungsbildung in seinem Sinne zu beeinflussen sucht. Bei Auseinandersetzungen, die keine weltanschaulichen Themen, sondern den Mitbewerbern unmittelbar in seiner gewerblichen Tätigkeit betreffen, trifft das in der Regel nicht zu (RIS‑Justiz RS0077728, RS0088937). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass sich die Beklagte wegen ihrer bloß unsachlichen – auch im Rahmen einer Pressefehde von Art 10 EMRK nicht gedeckten (4 Ob 19/13t; 4 Ob 103/10s, Wild gewordener Schmiranski) – Beleidigungen nicht auf die aufgezeigte Judikatur zu sogenannten „Pressefehden“ und die Förderung der öffentlichen Meinungsbildung (vgl RIS‑Justiz RS0088937) berufen kann, ist keine unvertretbare Beurteilung dieser Frage des Einzelfalls (4 Ob 125/16k; RIS‑Justiz RS0122468 [T3]).

2. Wenngleich sogenannte „Retorsionskritik“ milder zu beurteilen ist, wenn keine unwahren Tatsachen verbreitet werden (4 Ob 60/00b; RIS‑Justiz RS0122468 [T8]) und sie sich in einem angemessenen Rahmen hält (RIS‑Justiz RS0077873 [T6]), sind nur sachliche Informationen über das Fehlverhalten eines Mitbewerbers erlaubt, ein darüber hinaus gehendes Anschwärzen ist unzulässig (RIS-Justiz RS0077957 [T9]), zumal ein Hineinzerren persönlicher Verhältnisse des Mitbewerbers in den Wettbewerbskampf dem Sinn des Leistungswettbewerbs widerspricht (RIS-Justiz RS0116885). Ob eine Wettbewerbshandlung unter dem Gesichtspunkt der Abwehr erforderlich ist, lässt sich nur aufgrund einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilen (RIS‑Justiz RS0077873 [T7]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte auch unter dem Gesichtspunkt der Retorsionskritik nicht zu niveaulosen und beleidigenden Äußerungen und/oder zur Verbreiterung unwahrer Tatsachen berechtigt gewesen sei, bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

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