OGH 4Ob125/16k

OGH4Ob125/16k15.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** GmbH, 2. S***** GmbH, beide *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH & Co. KG, *****, vertreten durch Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 6.500 EUR sA, Unterlassung (Streitwert 62.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2016, GZ 5 R 17/16f‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00125.16K.0615.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Beurteilung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung richtet sich immer nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Stellungnahme. Maßgeblich ist dabei das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden (RIS‑Justiz RS0031883 [T1]). Wie dabei eine Äußerung zu verstehen ist, ist ebenso eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0043000) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung der Behauptung vertretbar ist (RIS‑Justiz RS0107768) oder ob eine strittige Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Meinungsäußerungsfreiheit zulässig ist (4 Ob 22/09b; RIS‑Justiz RS0122468 [T3]). Diese Grundsätze gelten auch bei der Beurteilung, ob Äußerungen ein Unternehmen nach § 7 UWG unlauter herabsetzen (zB 4 Ob 97/07d; 4 Ob 193/08y; RIS‑Justiz RS0031869 [insb T2]; RS0122468 [T3]).

1.2 Die Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, dass die beklagte Partei den klagenden Parteien im Zusammenhang mit einem tatsächlich geführten Interview unterstellt hat, dieses Interview in der klägerischen Zeitung „erfunden“ zu haben. Darin liegt jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss, bedenkt man, dass die beklagte Partei in ihrer Zeitung darüber berichtete, „im Gratisblatt … werden immer öfter Interviews erfunden“, sie Parallelen zu einer „Märchentante“ zog und die Zeitung der klagenden Parteien als eine „vom Staat finanzierte Fälscherwerkstatt“ herabsetzte.

2. Auch die Frage, ob der beklagten Partei der Wahrheitsbeweis gelungen ist, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen. Die Frage, ob im Einzelfall die Beurteilung der Vorinstanzen zutrifft, die beanstandete Behauptung sei im Wesentlichen wahr oder der Wahrheitsbeweis sei nicht erbracht, geht in ihrer Bedeutung – von einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung abgesehen – nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus (4 Ob 97/07d). Die Vorinstanzen erachteten die beanstandete Herabsetzung, wonach das Interview der Klägerinnen im Anlassfall erfunden worden sei, nicht dadurch im Kern bestätigt, dass das Interview am Telefon geführt wurde und die klägerische Zeitung die Aussagen des Interviewten in redigierter und nicht wortgetreuer Form wiedergab. Darin ist jedenfalls keine krasse Fehlentscheidung zu erblicken.

3. Die – nach neuem Recht in § 7 UWG noch relevante – Wettbewerbsabsicht muss nicht das einzige oder auch nur das wesentliche Ziel der beanstandeten Äußerung sein; sie fehlt nur dann, wenn sie gegenüber den anderen Motiven ganz in den Hintergrund tritt. Ob das zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (4 Ob 4/13m mwN). Die Beurteilung der Vorinstanzen bedarf auch in diesem Zusammenhang keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung, zumal auch unter Berücksichtigung von Art 10 EMRK (vgl RIS‑Justiz RS0122468) ein öffentliches Interesse an unwahren und herabsetzenden Behauptungen nicht zu erkennen ist.

4. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; er liegt nicht vor. Auch eine für die Entscheidung bedeutsame Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

Stichworte