European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120841
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf gemeinsame Obsorge für den Minderjährigen ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Vorauszuschicken ist, dass der Ablehnungswerber emeritierter Rechtsanwalt ist und nach der auch im Außerstreitverfahren anwendbaren Bestimmung des § 28 Abs 1 ZPO dann, wenn er in einem Verfahren als Partei einschreitet, keiner Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf. Auch wenn ein Rechtsanwalt auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hat, bleibt er in eigenen Angelegenheiten jedenfalls von der Anwaltspflicht befreit (RIS‑Justiz RS0119575, RS0035758).
2. Die Entscheidung, welchem Elternteil die Obsorge übertragen werden soll, ist dann eine solche des Einzelfalls, der keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, wenn dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RIS‑Justiz RS0115719). Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs wäre nur dann zulässig, wenn Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung verletzt wurden (RIS‑Justiz RS0007101). Auch die Frage, ob die Obsorge beider Eltern dem Kindeswohl entspricht und ob mit einer sinnvollen Ausübung der beiderseitigen Obsorge zu rechnen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0128812 [T5, T8]). Dabei hat das Gericht von Amts wegen zu beurteilen, ob es eine Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung iSd § 180 Abs 1 ABGB einleitet oder ob es ohne eine solche endgültig über die Obsorge entscheidet (RIS‑Justiz RS0128813). Auch die Frage, ob das Wohl des Kindes die Einleitung einer Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung erfordert, ist eine Einzelfallfrage, der in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (RIS‑Justiz RS0128813 [T1]). Eine im Sinn dieser Rechtsprechung korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen.
3. Die Vorinstanzen haben ihre abweisende Entscheidung insbesondere unter Hinweis auf die Meinung des bereits 16‑jährigen Minderjährigen getroffen, was § 138 Z 5 ABGB entspricht, wonach die Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung ein wichtiges Kriterium ist, wenngleich im Sinn des Kindeswohls davon auch abgewichen werden könnte (9 Ob 90/16z). Dass einem mündigen Minderjährigen die Obsorge durch einen Elternteil möglichst nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden soll, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen und der Wunsch nicht gegen die offenbar erkennbaren Interessen des Kindes gerichtet ist, entspricht den Grundsätzen der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0048820). Dies gilt gleichermaßen für die vom Vater beantragte gemeinsame Obsorge. Auch wenn diese nun (eher) die Regel sein soll (RIS-Justiz RS0128811), ist doch auch nach der neuen Rechtslage für die Obsorgeregelung ausschließlich das Kindeswohl maßgeblich, das Kindesinteresse ist dem Willen der Eltern übergeordnet. Auch für die Anordnung der beiderseitigen Obsorge kommt es daher darauf an, ob die Interessen des Kindes auf diese Weise am besten gewahrt werden können (8 Ob 40/15p). Dass die Vorinstanzen dies hier verneinten, ist jedenfalls vertretbar; die vom Vater ins Treffen geführte Unterstützung beim Lernen wäre – abgesehen davon, dass der Minderjährige sich dagegen ausgesprochen hat – auch ohne Beteiligung an der Obsorge möglich.
4. Im Außerstreitverfahren kann der Mangel rechtlichen Gehörs in erster Instanz nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0006057) behoben werden, wenn Gelegenheit besteht, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten. Dies war hier der Fall, sodass die behauptete Gehörverletzung – offenbar aufgrund der mangelnden Zustellung der Protokolle über die Vernehmung des Minderjährigen und der Mutter – der zweitinstanzlichen Entscheidung nicht entgegenstand (5 Ob 1/09x).
5. Die Durchsetzung der Informationsrechte des Vaters iSd § 189 ABGB bedarf keiner Änderung der Obsorge. Das Recht auf Information des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils richtet sich gegen die Person, die mit der Obsorge betraut ist, hier somit gegen die Mutter. Im Streitfall hätte das Gericht daher nach § 189 Abs 4 ABGB in erster Linie dem Obsorgebetrauten aufzutragen, dem nicht obsorgebetrauten Elternteil entsprechende Informationen zu erteilen. Erst wenn einem solchen Auftrag nicht nachgekommen wird, ist mit weitergehenden Verfügungen iSd § 189 Abs 4 ABGB vorzugehen, worunter auch die Ermächtigung des anderen Elternteils zur direkten Informationsbeschaffung bei Dritten fiele (4 Ob 104/15w).
6. Soweit der Vater im Revisionsrekurs Feststellungen zum erklärten Wunsch des Minderjährigen bekämpft, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nur Rechts‑ und nicht Tatsacheninstanz ist (RIS‑Justiz RS0006737). Eine Verletzung der Verpflichtung des Erstgerichts zur amtswegigen Wahrheitsforschung im Zusammenhang mit der erstmals im Revisionsrekurs behaupteten Beeinflussung des Minderjährigen durch die Mutter war kein Thema des Rekurses, im Revisionsrekurs kann dies nicht mehr nachgeholt werden (3 Ob 46/11b; vgl RIS‑Justiz RS0043111). Aus der Aktenlage – insbesondere dem mit der Mutter vor dem Erstgericht am 23. Mai 2017 aufgenommenen Protokoll – ist eine derartige Beeinflussung des Willens des Minderjährigen im Übrigen auch nicht abzuleiten.
7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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