European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020DS00003.17I.1003.000
Spruch:
Der Berufung wird teilweise, durch Festsetzung des erstinstanzlichen Kostenersatzes mit 600 Euro, sonst aber nicht Folge gegeben.
Der Beschuldigte hat die mit 300 Euro bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Dr. H***** eines Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RStDG schuldig erkannt.
Danach hat er als Richter die Pflicht, sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes nicht gefährdet wird (§ 57 Abs 3 RStDG), dadurch verletzt, dass er am ***** in ***** in seiner Privatwohnung der ihm zugeteilten Richteramtsanwärterin M***** zunächst (sinngemäß) eröffnete, an ihr den Oralverkehr durchführen zu wollen, es gebe „Orgasmusgarantie“, es könne auch „einseitig“ sein und es wäre eine Verschwendung, wenn sie es nicht machen würde; ihr sodann Videos von „Frauen beim Orgasmus“ vorführte und dabei äußerte, dass sie das verpassen würde; ihr Fragen zu sexuellen Gewohnheiten (sinngemäß etwa, ob sie schon einmal Oralverkehr und einen Orgasmus gehabt habe) stellte und auf ihre durchgehend ablehnende Haltung mit der Äußerung reagierte, er würde in ihrer Beurteilung festhalten, dass sie konsequent sei.
Gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG wurden über den Beschuldigten (dessen Bruttomonatsbezug im März 2017 7.139 Euro betrug; ES 3) hiefür eine Geldstrafe von 7.000 Euro verhängt und die gemäß § 137 Abs 2 zweiter Satz RStDG zu ersetzenden Kosten des Verfahrens mit 1.000 Euro bestimmt.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über Schuld, Strafe und den Kostenersatz.
Rechtliche Beurteilung
Zur Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld:
Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld meint die Berufungspunkte des § 464 Z 1 und Z 2 erster Fall StPO (RIS‑Justiz RS0128656).
Es besteht Bindung an das Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0128657). Unklarheiten gehen zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (RIS‑Justiz RS0100183).
Soweit die Berufung „für die rechtliche Beurteilung und auch für die Kostenentscheidung bedeutsame“ Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten vermisst (der Sache nach §§ 468 Abs 1 Z 4, 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), legt sie die rechtliche Relevanz folgender Umstände nicht dar: Bezug von Pflegegeld der Stufe 1 seit Juni 2014, Inhaberschaft eines Behindertenpasses; ausschließlich ausgezeichnete Dienstbeurteilungen, durch Mitarbeitermotivation bewirktes Vorrücken seines Gerichts im PAR‑Ranking; persönliche Verhältnisse des Opfers; Möglichkeit der Richteramtsanwärterin „nach der 1. Frage“ [die immerhin ansatzlos bereits auf Oralverkehr abzielte] „zu gehen“; Annahme einer Einladung zum Besuch in der Privatwohnung des Beschuldigten mittels Textbotschaft (woraus der Berufungswerber eigenständig beweiswürdigend spekuliert, eine „Aufgeschlossenheit … zu einem … sexuellen Kontakt“ könne nicht ausgeschlossen werden).
Als verfehlt erweist sich in diesem Zusammenhang übrigens die Bezeichnung der Richteramtsanwärterin als „Disziplinaranzeigerin (DA)“, weil Prozessgegenstand des Disziplinarverfahrens („Disziplinaranzeige“; siehe ON 1) lediglich der ohne Formzwang zum Ausdruck gebrachte, aber unmissverständliche Wille des Dienstgebers ist, eine Entscheidung des Disziplinargerichts herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0130574).
Zu den gewechselten Textbotschaften verschweigt der Beschuldigte zudem, dass die Wendung „Dann passts und bleibts dabei“ von ihm selbst und nicht von der Richteramtsanwärterin geschrieben wurde (ON 1 S 15). Dieses Vorbringen vermag keine Bedenken gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen zu wecken, die vom Disziplinargericht schlüssig und überzeugend begründet wurden, indem es die vorliegenden Beweise einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung unterzog und plausibel darlegte, wie es zu den Konstatierungen zum objektiven Handlungsablauf (mit Verneinung eines Missverständnisses bezüglich der Bereitschaft der Betroffenen) sowie den darauf bezogenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere im Hinblick auf die bewusste und gewollte Fortsetzung der – sich intensivierenden und audiovisuell unterstützenden – Äußerungen gelangte (ES 3 f iVm ES 6 f).
Die Geltendmachung eines materiell‑rechtlichen Fehlers hat das Festhalten am gesamten im Erkenntnis festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung zur Voraussetzung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei (vgl RIS‑Justiz RS0099810).
Der Berufungswerber wendet in seiner weiteren Rechtsrüge ein, dass die im Schuldspruch inkriminierten Äußerungen, nachdem er seine sexuellen Neigungen und Vorstellungen dargelegt habe, als Unterbreitung eines „annahmebedürftigen … Anbots, ihr (der Richteramtsanwärterin) sexuell zu Diensten sein zu wollen“, in seiner Privatwohnung erfolgten, der Bereich der Privatsphäre jedoch im Hinblick auf seine subjektiven Rechte im Sinne von § 16 ABGB und Art 8 EMRK der Disziplinargewalt entzogen sei. § 57 Abs 3 RStDG, welche Vorschrift dem § 16 ABGB als lex specialis derogiert, wird damit ebenso übergangen wie der Umstand, dass das Grundrecht des Art 8 EMRK unter Gesetzesvorbehalt steht. Darüber hinaus wird die konstatierte (ES 1, 3 f) Ausnützung der durch das Autoritätsverhältnis als ausbildender Richter gegenüber der zugeteilten Richteramtsanwärterin eröffneten Gelegenheit (vgl auch § 212 Abs 2 Z 3 StGB) übergangen, diese zu veranlassen, sich in die Wohnung des Beschuldigten zu begeben und damit in jene Sphäre einzutreten, deren Schutz der Berufungswerber – nur – für sich reklamiert (vgl aber Art 8 Abs 2 letzter Fall EMRK). Gegenstand der Beurteilung des Disziplinargerichts ist nämlich, ob das gesamte inkriminierte Verhalten des Richters mit Rücksicht auf die Art und Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf andere erschwerende Umstände ein Dienstvergehen darstellt (§ 101 Abs 1 RStDG; Fellner/Nogratnig, RStDG‑GOG4 § 101 RStDG Anm 4). Das ins Treffen geführte Erkenntnis 15 Os 175/08m tangiert mit seinen Ausführungen zu § 7 Abs 1 MedG die gegenständlichen Vorwürfe genausowenig wie Überlegungen zur Pflicht des Dienstgebers zur Wahrung der Privatsphäre eines Beamten und zu § 1328a ABGB relevant sind.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – der Erfolg zu versagen.
Zur Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe:
Dem Berufungsvorbringen zuwider ist im Rahmen disziplinarrechtlicher Strafbemessung auch den Erfordernissen der Generalprävention Rechnung zu tragen (RIS‑Justiz RS0108407, jüngst 2 Ds 1/17w).
Der Beschuldigte hat zwar durchgehend einen Beitrag zur Wahrheitsfindung (vgl § 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) geleistet, ohne dass sich dieser aufgrund der sonstigen Beweislage aber als wesentlich darstellt.
Weder die schweren Krankheiten noch die hervorragenden Dienstleistungen des Berufungswerbers lassen seinen Übergriff gegenüber einer ihm persönlich zur Ausbildung zugeteilten Richteramtsanwärterin in einem milderen Licht erscheinen und kann sich der Beschuldigte durch die aktuell knapp an einen Monatsbezug heranreichende Geldstrafe nicht beschwert erachten.
Unrechts‑ und Schuldgehalt der Tat verbieten in diesem Sinne die begehrte Anwendung von § 101 Abs 3 RStDG ebenso wie einen bloßen Verweis (§ 104 Abs 1 lit a RStDG).
Der Strafberufung war daher nicht Folge zu geben. Dass das Erstgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (Ds 26/13), wonach eine Geldstrafe nach § 104 Abs 1 lit b RStDG in Monatsbezügen (§ 3 Abs 2 Gehaltsgesetz 1956) festzusetzen und die ziffernmäßige Berechnung der Strafe keine Frage ihrer Bemessung, sondern ein bloßer Rechenvorgang (s §§ 66, 68 bzw 168 ff RStDG) ist, der erst beim Vollzug der Geldstrafe erfolgt, übergangen und diese mit einem unterhalb eines Monatsbezugs liegenden Betrag festgesetzt hat, hat mangels Beschwer für den Beschuldigten und Anfechtung des Erkenntnisses zu seinem Nachteil auf sich zu beruhen.
Der Verfahrensaufwand in erster Instanz (ua die Vernehmung einer Mehrzahl von Zeugen) war nur teilweise Grundlage für den letztlich ergangenen Schuldspruch, sodass die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts im Gegenstand zu hoch ausfiel und entsprechend zu korrigieren war.
Die Entscheidung nach § 137 Abs 2 iVm § 140 Abs 3 letzter Satz RStDG ist im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof und den Vermögensverhältnissen des Beschuldigten begründet.
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