OGH 7Ob126/17f

OGH7Ob126/17f21.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** F*****, vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Chyba Reiter Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2017, GZ 1 R 21/17a‑46, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00126.17F.0921.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Zwischen den Streitteilen besteht eine Eigenheimversicherung, die auch eine Haftpflichtversicherung umfasst. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

„Art 10 welche Gefahren sind mitversichert?

Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit, [...]“

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefähr des täglichen Lebens“ ist nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind (RIS‑Justiz RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Haftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RIS‑Justiz RS0081276). Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Vorhabens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus der Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich eine Fehlleistung oder schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RIS‑Justiz RS0081070).

1.2 Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anwendung von der Rechtsprechung bereits entwickelter Grundsätze im Einzelfall stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn es sich um eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt (RIS‑Justiz RS0044088).

1.3 So hat der Oberste Gerichtshof beispielsweise zu privat vorgenommenen Reparaturarbeiten ausgesprochen, dass es zu den „Gefahren des täglichen Lebens“ gehört, wenn eine im Haus vorgenommene, nicht ungewöhnliche Arbeit (Anschluss eines Waschmaschinenschlauches) misslingt und es dadurch zu Sachbeschädigungen kommt (7 Ob 50/83). Erbringt ein als Fußbodenleger berufstätiger Versicherungsnehmer Verlegungsarbeiten lediglich aus Gefälligkeit im Rahmen des Privatlebens außerhalb seines Beschäftigungsverhältnisses, dann gehört diese Tätigkeit noch zu den Gefahren des täglichen Lebens (7 Ob 7/94).

2.1 Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall erheblich. Der Kläger, der über keine Ausbildung als KFZ‑Mechaniker und nur über Basiskenntnisse des Schweißens verfügte, wollte seinen verkehrsuntauglichen PKW in der Lagerhalle seines Onkels selbst reparieren, wozu es insbesondere auch Schweißarbeiten im größeren Ausmaß an dessen Unterboden bedurfte. Durch die Schweißarbeiten entstand ein Brand im Innenraum des Fahrzeugs, der in der Folge auf die Halle übergriff.

2.2 Schweißarbeiten sind grundsätzlich gefährlich. Dem Kläger ist durchaus zuzugestehen, dass insbesondere im ländlichen Bereich ein Teil der Bevölkerung in seiner Freizeit auch (kleinere) Reparaturen an Fahrzeugen vornimmt. Ausdrücklich festgestellt hat das Erstgericht aber, dass es sich bei Schweißarbeiten an einem PKW hingegen um keine Freizeitbeschäftigung handelt, der üblicherweise männliche Landbewohner zwischen 16 und 30 Jahren regelmäßig nachgehen. Hier kann dahingestellt bleiben, ob im Privatleben bereits die Durchführung von Arbeiten an einem Fahrzeug innerhalb eines geschlossenen Raums mittels eines Schweißgeräts an sich als unüblich anzusehen ist. Im konkreten Fall handelte es sich nämlich schon nicht um gewöhnliche kleinere Reparaturen, deren Durchführung außer Kontrolle geraten ist, sondern um umfangreiche Schweißarbeiten am Unterboden eines PKW, die einer entsprechenden Vorbereitung der Umgebung und auch des Fahrzeugs selbst bedürfen. Solche Arbeiten werden jedoch gewöhnlich in einer KFZ‑Werkstätte von dazu ausgebildeten und befugten Fachleuten vorgenommen. Es handelt sich daher um Arbeiten, die in Art und Umfang einer betrieblichen Tätigkeit gleichkommen und – auch von Bastlern – in der Regel nicht in Eigenregie vorgenommen werden. Mit der Durchführung von Schweißarbeiten in einem derartigen Ausmaß muss vielmehr im Privatleben eines Menschen üblicherweise nicht gerechnet werden.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, eine Gefahr des täglichen Lebens sei hier daher nicht gegeben, hält sich damit im Rahmen der von der Rechtsprechung bereits entwickelten Grundsätze und stellt im Einzelfall keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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