OGH 10ObS105/17i

OGH10ObS105/17i13.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Dr. Regina Schedlberger, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Witwenpension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 31. Mai 2017, GZ 6 Rs 20/17h‑20, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 6. März 2017, GZ 28 Cgs 227/16s‑15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00105.17I.0913.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreterin einen mit 209,38 EUR (darin enthalten 34,89 EUR USt) bestimmten Teil der Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Im vorliegenden, den Anspruch auf Witwenpension nach Scheidung (§ 258 Abs 4 ASVG) betreffenden Fall ist die Frage zu beurteilen, ob für die Erfüllung der in § 258 Abs 4 lit d ASVG normierten Jahresfrist auch Zeiten der Gewährung von Unterhalt aufgrund der Verpflichtung aus einem befristeten Unterhaltstitel herangezogen werden können.

Die zwischen der Klägerin und Ewald U***** am 16. 10. 1993 vor dem Standesamt T***** geschlossene Ehe wurde am 7. 5. 2012 zu 1 C 10/12a des Bezirksgerichts S***** gemäß § 55a EheG im Einvernehmen geschieden. Über die Scheidungsfolgen wurde eine schriftliche Vereinbarung verfasst, gemäß deren Punkt 4 sich Ewald U***** verpflichtet, seiner ehemaligen Ehegattin ab 1. 6. 2012 bis 31. 5. 2016 monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.200 EUR zu leisten. Ab dem 1. 6. 2016 verzichtete die Klägerin auf jedweden Ehegattenunterhalt, auch für den Fall geänderter Umstände, geänderter Rechtslage, unverschuldeter Not oder Krankheit. Ewald U***** wies in der Folge monatlich regelmäßig die vereinbarte Unterhaltszahlung an. Nach Auslaufen des Dauerauftrags sagte er der Klägerin seine weitere finanzielle Unterstützung zur Deckung deren Unterhaltsbedarfs zu. Bei einem Besuch am 24. 6. 2016 hinterließ er zu ihrer Unterstützung 1.000 EUR auf dem Wohnzimmertisch. Anlässlich eines weiteren Besuchs zwischen 7. und 10. 7. 2016 übergab er ihr 800 EUR und sagte zu, wieder einen Dauerauftrag einzurichten. Die Klägerin (die Rehabilitationsgeld bezieht) ist aufgrund ihrer monatlichen Ausgaben für Miete, Strom, Heizkosten, Versicherungen und krankheitsbedingter Taxikosten auf zusätzliche Einnahmen in Form von Unterhaltsunterstützungsleistungen angewiesen.

Am 31. 7. 2016 verstarb Ewald U*****.

Mit Bescheid vom 13. 9. 2016 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 1. 8. 2016 auf Gewährung der Witwenpension ab.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei (ohne Auferlegung einer vorläufigen Zahlung) zur Leistung einer Witwenpension in der gesetzlichen Höhe ab 1. 8. 2016. Rechtlich ging es davon aus, dass Ewald U***** der Klägerin ohne Unterbrechung und über den im Scheidungsvergleich geregelten Zeitraum hinaus regelmäßig seit Juni 2012 bis zu seinem Tod tatsächlich Unterhalt zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs geleistet habe, sodass Anspruch auf Witwenpension nach § 258 Abs 4 Z 1 lit d ASVG bestehe. Die geforderte Mindestdauer der Unterhaltsleistung von einem Jahr sei erfüllt.

Infolge Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass die Klage abgewiesen wurde. Der Klägerin gebühre nach der Scheidung die Witwenpension dann, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt aufgrund eines in § 258 Abs 4 Z 1 lit a bis c ASVG genannten Rechtstitels (Urteil, gerichtlicher Vergleich, vertragliche Verpflichtung) zu leisten hatte. Zum Todeszeitpunkt des verstorbenen Gatten der Klägerin im Juli 2016 habe eine solche Verpflichtung nicht mehr bestanden, da die im Scheidungsvergleich festgehaltene Unterhaltsverpflichtung mit Ablauf des Mai 2016 geendet habe. Auch ein Anspruch auf Witwenpension gemäß § 258 Abs 4 lit d ASVG sei zu verneinen, weil der tatsächliche Unterhalt nicht während der Mindestdauer von einem Jahr vor dem Tod des Versicherten geleistet worden sei. Bei § 258 Abs 4 lit d ASVG handle es sich um eine Ausnahmeregelung, die streng zu prüfenden formalen Erfordernissen unterliege. Eine „Kombination“ aus Unterhaltsleistungen gemäß § 258 Abs 4 lit b ASVG und § 258 Abs 4 lit d ASVG, um die von § 258 Abs 4 lit d ASVG vorausgesetzte einjährige Mindestdauer zu erreichen, komme nicht in Betracht. Zudem habe der Versicherte nach dem 31. 5. 2016 nur zwei Zahlungen geleistet, sodass die erforderliche Regelmäßigkeit nicht gegeben sei.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zu der Frage, ob für den Anspruch auf Witwenpension zur Erfüllung der einjährigen Mindestdauer des § 258 Abs 4 lit d ASVG eine Kombination aus mehreren Tatbeständen möglich sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin vertritt zusammengefasst den Standpunkt, der verstorbene Versicherte habe an sie seit Jahren bis zu seinem Tod durchgehend Unterhaltsleistungen erbracht, sodass die geforderte Mindestdauer von einem Jahr nach § 258 Abs 4 lit d ASVG erfüllt sei. Es sei dabei unerheblich, ob diese Zahlungen auf einem Titel basieren; ausschließlich maßgeblich sei, dass die Zahlungen mehr als ein Jahr lang zur Deckung von Unterhaltsbedarf geleistet wurden.

Dazu ist auszuführen:

1. An sich wird für den Anspruch auf Witwen‑(Witwer‑)Pension vorausgesetzt, dass die Ehe im Todeszeitpunkt aufrecht ist.

2. § 258 Abs 4 ASVG eröffnet ausnahmsweise auch dem geschiedenen Ehegatten einen Anspruch auf Witwen‑(Witwer‑)Pension. Unter besonderen, dort aufgezählten taxativen Voraussetzungen (10 ObS 120/87, SSV‑NF 1/63, zu § 258 Abs 1 lit a bis c ASVG) kommt auch dem überlebenden Ex‑Ehegatten trotz Scheidung ein Anspruch auf Witwen‑(Witwer‑)Pensionsanspruch zu. Dieser Anspruch setzt entweder das Bestehen eines titelmäßig bestehenden Unterhaltsanspruchs (§ 258 Abs 4 lit a bis c ASVG) oder die faktische Leistung von Unterhalt durch gewisse Zeit (§ 258 Abs 4 lit d ASVG) voraus ( Neumayr , Sozialversicherungsrechtliche Folgen der Ehescheidung, Teil II, Pensionsversicherung, FamZ 2007, 40; Neumayr in SV‑Komm [90. Lfg] § 258 Rz 43).

3.1 Nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG besteht der Witwen‑(Witwer‑)Pensionsanspruch, wenn der Versicherte zur Zeit seines Todes aufgrund eines (der in dieser Gesetzesstelle erschöpfend aufgezählten) Rechtstitels (Urteil, gerichtlicher Vergleich, vertragliche Verpflichtung) Unterhalt oder einen Unterhaltsbeitrag zu leisten hatte. Nach dem Gesetzeswortlaut hängt der Anspruch auf Witwen‑(Witwer‑)Pension nach den Tatbeständen nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG nicht von der tatsächlichen Leistung, sondern davon ab, ob der Versicherte aufgrund eines der dort genannten Unterhaltstiteln im Zeitpunkt des Todes zu Unterhaltsleistungen (aufrecht) verpflichtet war (10 ObS 285/99f, SSV‑NF 13/128 uva).

3.2 Nach den Feststellungen traf dies auf den geschiedenen Ehegatten der Klägerin zum Zeitpunkt dessen Todes nicht mehr zu. Die Rechtsansicht, mangels aufrechten Bestehens einer derartigen Verpflichtung sei nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG kein Anspruch auf Witwen‑(Witwer‑)Pension gegeben, steht daher im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (10 ObS 285/99f, SSV‑NF 13/128 mwN; 10 ObS 66/92, SSV‑NF 6/43 ua). Die bloße Zahlung von Unterhalt, ohne dass der Versicherte dazu verpflichtet wäre, genügt für den Witwen‑(Witwer‑)Pensionsanspruch nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG nicht. Im Übrigen hätte der Klägerin die Witwenpension längstens bis zum Endtermin der befristeten titelmäßigen Unterhaltsverpflichtung gebührt, wenn ihr geschiedener Ehegatte schon vor diesem Endtermin verstorben wäre (RIS‑Justiz RS0117014).

4.1 Um aus der Anwendung des § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG entstehende Härtefälle zu vermeiden, steht aufgrund der seit 1. 7. 1993 in Kraft stehenden Fassung des § 258 Abs 4 lit d ASVG idF 51. ASVG‑Nov, BGBl I 1993/335, die Witwen‑(Witwer‑)Pension einem geschiedenen Ehegatten auch dann zu, wenn zwar ein Unterhaltstitel fehlt, der Versicherte aber regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod, Unterhalt geleistet hat. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Ehe – wie im vorliegenden Fall – mindestens 10 Jahre gedauert hat. Mit dieser (weiteren) Ausnahmeregelung (10 ObS 47/14f, SSV‑NF 28/31) wollte der Gesetzgeber ausschließlich unter den genannten Voraussetzungen von den Erfordernissen eines gerichtlichen Unterhaltstitels bzw einer Unterhaltsvereinbarung absehen und die tatsächliche Unterhaltsleistung des Versicherten den sonst für den Anspruch auf Witwenpension erforderlichen Unterhaltstiteln gleichsetzen. Dazu wird aber eine regelmäßige Unterhaltsleistung des Versicherten während einer bestimmten Mindestzeit verlangt (10 ObS 47/14f, SSV‑NF 28/31). Diese darf erst nach der Rechtskraft der Scheidung beginnen und muss mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor dem Tod des Versicherten erbracht werden. Während nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG auch dann ein Anspruch auf eine Witwen‑(Witwer‑)Pension besteht, wenn ungeachtet des Titels faktisch kein Unterhalt geleistet wird, kommt es nach § 258 Abs 4 lit d ASVG auf die tatsächliche Leistung von Unterhalt bei gegebenem Unterhaltsbedarf durch den in § 258 Abs 4 lit d ASVG angeführten einjährigen Zeitraum an (RIS‑Justiz RS0085355 [T2]). Selbst ein Unterhaltsverzicht schadet nicht (10 ObS 2025/96h, SSV‑NF 10/39).

4.2 Wird der Unterhalt nicht während der einjährigen Mindestdauer geleistet, gebührt die Witwen‑(Witwer‑)Pension auch nach der Bestimmung des § 258 Abs 4 lit d ASVG nicht. Dabei ist es (ebenso wie bei den anderen Fällen des § 258 Abs 4 ASVG) unerheblich, aus welchen Gründen die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Auch wenn der Versicherte vor Ablauf eines Jahres ab Rechtskraft der Scheidung gestorben ist, besteht kein Pensionsanspruch. Wie sich aus der RV zur 51. ASVG‑Novelle ergibt, hat der Gesetzgeber damit in Zusammenhang stehende (weitere) Härtefälle im Interesse der besseren Vollziehbarkeit, insbesondere aber der Verhinderung von Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung bewusst in Kauf genommen (10 ObS 37/95, SSV‑NF 9/25; 10 ObS 211/97w). So hat der Oberste Gerichtshof die Witwen‑(Witwer‑)Pension in einem Fall abgelehnt, in dem sich der Versicherte im Zuge des Scheidungsverfahrens mittels gerichtlichen Vergleichs zu Unterhaltsleistungen bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens verpflichtet und nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zu seinem Tod zehn Monate lang Unterhaltszahlungen tatsächlich erbracht hatte (10 ObS 47/14f, SSV‑NF 28/31).

5.1 Die Revisionswerberin beruft sich auf die Entscheidung 10 ObS 65/12z, SSV‑NF 26/45 (zur gleichlautenden Bestimmung des § 136 Abs 4 GSVG), der eine in einem Scheidungsvergleich vereinbarte monatliche Unterhaltsleistung von 500 EUR zu Grunde lag. Nach den dort getroffenen Feststellungen leistete der ehemalige Ehegatte seiner Ex‑Gattin ab der Scheidung bis zu seinem Ableben mehr als ein Jahr lang über diese 500 EUR monatlich hinaus regelmäßig weitere Beiträge zur Abdeckung ihres Unterhaltsbedarfs. Im Hinblick auf diese tatsächlichen Leistungen während der gesetzlichen Mindestdauer wurde der Anspruch auf Witwenpension in 500 EUR übersteigender Höhe bejaht, dies unabhängig davon, ob (auch) nach zivilrechtlichen Grundsätzen ein Anspruch auf Unterhalt bestand, der die im Scheidungsvergleich vereinbarten 500 EUR monatlich übersteigt. Zum Unterschied zu diesem Sachverhalt bestehen im vorliegenden Fall aber die titelmäßige Unterhaltsverpflichtung und die faktische Unterhaltsleistung zeitlich nicht nebeneinander, sondern war zuerst eine (befristete) titelmäßige Unterhaltsverpflichtung gegeben, nach deren Auslaufen der Versicherte bis zu seinem Tod noch zwei Monate lang Unterhalt tatsächlich geleistet hat.

5.2 Wie bereits das Berufungsgericht erkannt hat, kann dem Standpunkt, auch auf diese Weise sei die einjährige Mindestfrist in § 258 Abs 4 lit d ASVG erfüllt, nicht gefolgt werden. Der hier vorliegende Fall ist unter keinen der im Ausnahmekatalog des § 258 Abs 4 ASVG aufgezählten Tatbestände subsumierbar. Die Ansicht der Revisionswerberin geht vielmehr von einer „Kombination“ der Tatbestände nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG und des Tatbestands nach § 258 Abs 4 lit d ASVG im Wege einer Analogie aus. Um von der nach § 258 Abs 4 lit d ASVG vorausgesetzten einjährigen Mindestdauer einer faktischen Unterhaltsleistung absehen zu können, zieht sie auch den titelmäßig formalisierten Unterhaltsanspruch nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG heran und rechnet Zeiten, in denen Leistungen in Erfüllung der befristeten titelmäßigen Unterhaltsverpflichtung erbracht wurden, mit Zeiten zusammen, in denen auch noch nach Auslaufen der Befristung faktisch Unterhalt geleistet wurde.

5.3 Zwar schließt selbst eine taxative Aufzählung das Vorliegen einer „unechten“ Lücke nicht aus, bei welcher der Normzweck in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgeanordnung einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert (RIS‑Justiz RS0008839). Daraus folgend sind auch Ausnahmeregelungen im Rahmen ihrer engeren ratio legis einer Analogie fähig, wenn der nicht besonders angeführte Fall alle motivierenden Merkmale der geregelten Fälle enthält und das Prinzip der Norm auch in einem ihren Tatbeständen ähnlichen Fall Beachtung fordert (RIS‑Justiz RS0008839 [T7]; RS0008910 [T3]; 10 ObS 110/00z, SSV‑NF 14/55 mwN).

5.3 Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall aber nicht erfüllt. Die dem Gesetz zugrunde liegende Wertung bzw Zielsetzung trifft auf ihn nicht zu, weil § 258 ASVG nur ausnahmsweise auch dem geschiedenen Ehegatten einen Witwen‑(Witwer‑)Pensionsanspruch einräumt (§ 258 Abs 4 ASVG) und die Voraussetzungen dieses Anspruchs im Einzelnen detailliert aufgezählt werden, indem auf den titelmäßig formalisierten Unterhaltsanspruch nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG einerseits und – zwecks Vermeidung von Härtefällen – auf die faktische Unterhaltsgewährung durch ein Jahr nach § 258 Abs 4 lit d ASVG andererseits abgestellt wird. Dass es sich um eine erschöpfende Aufzählung handelt, ergibt sich insbesondere daraus, dass nach der RV zur 51. ASVG‑Novelle allfällige – mit der einjährigen Mindestdauer der faktischen Unterhaltsgewährung nach § 258 Abs 4 lit d ASVG in Zusammenhang stehende – (weitere) Härtefälle vom Gesetzgeber zur Vermeidung von Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung bewusst in Kauf genommen werden. Wie bereits in der Entscheidung 10 ObS 47/14f, SSV‑NF 28/31 dargelegt wurde, kann es beispielsweise auch nicht darauf ankommen, dass der Versicherte ab Beendigung der titelmäßigen Verpflichtung Unterhalt im Sinn eines „letzten wirtschaftlichen Dauerzustands“ geleistet hat, sondern muss die Voraussetzung der regelmäßigen Erbringung von Unterhaltszahlungen während des letzten Jahres vor dem Tod des Versicherten bei gegebenem Unterhaltsbedarf erfüllt sein, ohne dass die Leistungserbringung auf einen Titel nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG beruht. Andernfalls – bei einer „Kombination“ der Tatbestände nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG und nach § 258 Abs 4 lit d ASVG – würde auch die strikte Titelbindung in den Fällen des § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG relativiert, weil auch eine kurze Weiterleistung eines auf titelmäßiger Grundlage beruhenden, aber befristeten Unterhalts über das Ende der Befristung hinaus zu einem Pensionsanspruch nach § 258 Abs 4 lit d ASVG führen würde, obwohl dieser Bestimmung gerade die länger dauernde regelmäßige Unterhaltsleistung ohne titelmäßige Verpflichtung zugrundeliegt.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs kann folgendermaßen zusammengefasst werden:

Die Regelungen in § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG einerseits und § 258 Abs 4 lit d ASVG andererseits können nicht in der Form kombiniert werden, dass für die Erfüllung der in § 258 Abs 4 lit d ASVG normierten Jahresfrist auch Zeiten der Gewährung von Unterhalt aufgrund der Verpflichtung aus einem befristeten Unterhaltstitel herangezogen werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhing, entspricht es der Billigkeit, der zur Gänze unterlegenen Klägerin angesichts ihrer angespannten Einkommenslage die Hälfte der Kosten ihrer Vertreterin im Revisionsverfahren zuzusprechen (RIS‑Justiz RS0085871).

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