OGH 10ObS37/95

OGH10ObS37/9528.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Meches (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Lohr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Edith M*****, Kindergartenhelferin, ***** vertreten durch Dr.Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Dezember 1994, GZ 34 Rs 95/94-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 10.März 1994, GZ 8 Cgs 207/93v-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit wies die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 2.12.1992 auf Witwenpension gemäß § 270 iVm § 258 Abs 4 ASVG idF vor der 51.ASVGNov nach dem am 10.9.1989 verstorbenen Versicherten Horst M***** ab. Der geschiedene Ehegatte sei ihr zu Zeit seines Todes nicht auf Grund eines in der letztzit Gesetzesstelle aufgezählten Titels unterhaltspflichtig gewesen.

Das auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab 1.10.1992 gerichtete Klagebegehren stützt sich, wie in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10.3.1994 klargestellt wurde (ON 14 AS 53/55 S 2/3 der Protokollübertragung), ausdrücklich nur auf zwei Rechtsgründe: 1. auf § 258 Abs 4 lit a ASVG (Anerkenntnisurteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 26.6.1992, 1 C 38/92p); 2.auf lit d der zit Gesetzesstelle idF der 51. ASVGNov (regelmäßige Unterhaltsleistung).

Die Beklagte bestritt diese Rechtsgründe und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Nach den durch die Berufungsgründe nicht berührten und daher auch der Entscheidung des Berufungsgerichtes zugrunde gelegten (§ 498 Abs 1 ZPO) wesentlichen erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen ist die am 24.7.1965 geschlossene Ehe der Klägerin mit dem Versicherten der Beklagten Horst M***** seit 31.3.1989 geschieden. Die Klägerin hat keine neue Ehe geschlossen. Der geschiedene Ehemann hat für die Klägerin (nach der Scheidung) nie Unterhalt geleistet; er ist am 10.9.1989 verstorben. Sein Nachlaß wurde seinen Kindern Ronald und Esther M***** am 15.12.1989 je zur Hälfte eingeantwortet. Mit einer am 2.4.1992 gerichtshängig gemachten Klage begehrte die Klägerin von ihrem verstorbenen geschiedenen Ehemann zu Handen der eingeantworteten Erben (richtig von den Erben) einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.120,-- seit 1.1.1989. Da die Erben den gegen sie erhobenen Anspruch anerkannten, wurden sie mit Anerkenntnisurteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 26.6.1992, 1 C 38/92p zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, der Klägerin ab 1.1.1989 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.120,-- zu zahlen. Dieses in Anwesenheit aller Parteien verkündete Urteil erwuchs infolge Rechtsmittelverzichtes aller Parteien am selben Tag in Rechtskraft.

In der rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht beide Klagegründe. Das gegen die Erben ergangene Anerkenntnisurteil vom 26.6.1992 sei kein Urteil, auf Grund dessen der bereits am 10.9.1989 verstorbene Versicherte der Klägerin zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte. Die Voraussetzungen des § 258 Abs 4 lit d ASVG idF der 51. ASVGNov seien schon deshalb nicht gegeben, weil der Versicherte bereits im sechsten Monat nach der Rechtskraft der Scheidung verstarb und deshalb ab einem Zeitpunkt nach dieser Rechtskraft nicht mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod Unterhalt habe leisten können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte, nicht Folge.

Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, daß das gegen die Erben des Versicherten erwirkte Unterhaltsurteil kein Urteil iS des § 258 Abs 4 lit a ASVG sei, stimme mit der Rsp des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 5/98, 6/99) überein. Die zit Gesetzesstelle sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Da der Versicherte - selbst unter der Annahme von Naturalleistungen - keinen der Höhe nach bestimmten oder zumindest ohne weiteres Verfahren bestimmbaren Betrag erbracht habe, könne aus den Zahlungen für das Reihenhaus und dessen Energieversorgung kein Anspruch auf Witwenpension gemäß § 258 Abs 4 lit d ASVG idgF abgeleitet werden.

In der Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; sie beantragt, die Urteile beider Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben. Weiters regt sie an, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 258 Abs 4 ASVG zu stellen.

Die Beklagte wendet sich in der Revisionsbeantwortung gegen diese Anregung und beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der ASGG-Nov 1994 BGBl 624 (Art X § 2 Z 7) auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 der erstzit Gesetzesstelle zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das Klagebegehren ausdrücklich nur auf die Rechtsgründe des § 258 Abs 4 lit a und lit d ASVG gestützt wurde. Deshalb war von den Vorinstanzen und ist vom Revisionsgericht nicht zu prüfen, ob der Versicherte der Klägerin zur Zeit seines Todes auf Grund einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte (lit c der zit Gesetzesstelle).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß die Witwenpension nicht nach § 258 Abs 4 lit a ASVG gebührt, ist richtig (§ 48 ASGG). Sie stimmt mit der Rsp des erkennenden Senates überein (neben den schon vom Berufungsgericht zit veröffentlichten E SSV-NF 5/98 und 6/99 die E 11.5.1993, 10 Ob S 86/93 und 7.12.1993, 10 Ob S 210/93), an der er festhält. Der Gesetzeswortlaut verbietet jedenfalls die Berücksichtigung eines Unterhaltstitels, der in einem ausschließlich gegen die Verlassenschaft oder die Erben des Versicherten geführten Verfahren erging und in dem die Verlassenschaft oder die Erben zur Zahlung von Unterhaltsrückständen verurteilt wurden. Ob den überlebenden früheren Ehepartner am nicht rechtzeitigen Zustandekommen eines Unterhaltstitels ein Verschulden trifft, ist unerheblich. Für einen Pensionsanspruch nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG ist nur entscheidend, ob der (die) Versicherte zur Zeit seines (ihres) Todes dem überlebenden früheren Ehepartner auf Grund der in diesen Buchstaben der zit Gesetzesstelle angeführten Titel Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte, nicht hingegen, ob der Unterhalt im Zeitpunkt des Todes auch tatsächlich geleistet wurde. Von diesen Grundsätzen ging auch der Gesetzgeber der

51. ASVGNov BGBl 1993/335 aus. Die Gesetzesmaterialien halten daran fest, daß der Zweck der formalen Voraussetzungen des § 258 Abs 4 ASVG einerseits darin liegt, den Sozialversicherungsträgern die materielle Prüfung des Grundes, insbesondere der Höhe des Unterhaltsanspruchs zu ersparen. Anderseits sollen damit Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten der Sozialversicherung vermieden werden (932 BlgNR 18 GP 49).

Nach der mit 1.7.1993 in Kraft getretenen Fassung des § 258 Abs 4 lit d ASVG gebührt die Pension nach Abs 1 leg cit ... auch dem früheren Ehepartner des (der) Versicherten, wenn ihm dieser (diese) zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) geleistet hat, und zwar regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem (ihrem) Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem (ihrem) Tod, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat. Durch diese Novellierung soll - um Härtefälle zu vermeiden - ein Anspruch auf Hinterbliebenenpension auch dann entstehen, wenn für eine bestimmte Zeit nachweislich bis zum Tod des Versicherten regelmäßig tatsächlich Unterhalt geleistet worden ist (RV aaO) (7.12.1993, 10 Ob S 210/93).

Nach dem eindeutigen Wortlaut der lit d muß der Unterhalt regelmäßig ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zum Tod des (der) Versicherten, mindestens während der Dauer eines Jahres vor seinem (ihrem) Tod, geleistet worden sein, also mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor dem Tod (so auch Teschner in Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 401; Grillberger, österreichisches Sozialrecht2, 96). Die von der Revisionswerberin gewünschte ausdehnende Auslegung, daß die im Gesetz festgelegte Mindestdauer der tatsächlichen Unterhaltsleistung von einem Jahr dann nicht gelte, wenn der Versicherte zwar ab der Rechtskraft der Scheidung regelmäßig Unterhalt geleistet habe, aber vor Ablauf eines Jahres nach der Rechtskraft der Scheidung gestorben sei, scheitert daran, daß es sich bei der neuen lit d um eine Ausnahmeregelung handelt. Damit wollte der Gesetzgeber unter den darin genannten Voraussetzungen von den Erfordernissen eines gerichtlichen Unterhaltstitels bzw einer Unterhaltsvereinbarung absehen und die tatsächliche Unterhaltsleistung den sonst für den Anspruch auf Witwen(Witwer)pension erforderlichen Unterhaltstiteln gleichsetzen. Dazu wird aber eine regelmäßige Unterhaltsleistung während einer bestimmten Mindestzeit verlangt. Diese darf erst nach der Rechtskraft der Scheidung beginnen und muß mindestens während der Dauer des letzten Jahres erbracht werden. Wird der Unterhalt nicht während dieser Mindestdauer geleistet, gebührt die Witwen(Witwer)pension auch nach der neuen lit d nicht. Dabei ist es ebenso wie bei den anderen Fällen des § 258 Abs 4 ASVG unerheblich, aus welchen Gründen die Voraussetzungen nicht erfüllt sind und ob den überlebenden früheren Ehegatten an der Nichterfüllung ein Verschulden trifft. Wenn der (die) Versicherte seinem (ihrem) früheren Ehepartner nach der Rechtskraft der Scheidung deshalb nicht mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem (ihrem) Tod Unterhalt geleistet hat, weil er (sie) vor Ablauf dieses Jahres gestorben ist, dann gebührt dem hinterbliebenen früheren Ehepartner ebensowenig eine Pension wie dem, der vor dem Tod des (der) Versicherten kein gerichtliches Urteil erlangen oder keinen gerichtlichen Vergleich schließen konnte. In diesem Zusammengang kann es zu Härtefällen kommen. Diese wurden jedoch vom Gesetzgeber, wie sich ua aus der zit RV zur 51.ASVGNov ergibt, im Interesse der besseren Vollziehbarkeit, insbesondere aber der Verhinderung von Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung bewußt in Kauf genommen.

Daß der erkennende Senat gegen die Anwendung des § 258 Abs 4 ASVG (idF vor der 51.ASVGNov) aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit insbesondere im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz keine Bedenken hat, wurde erstmals in der E SSV-NF 2/27 dargelegt und in vielen anderen E wiederholt (zB SSV-NF 4/126; 5/98 und 127; 6/43; 11.5.1993, 10 Ob S 86/93). Auch die Revisionsausführungen, die sich übrigens in erster Linie auf die im vorliegenden Fall gar nicht anzuwendende und daher nicht präjudizielle lit c der zit Gesetzesstelle beziehen, können solche Bedenken nicht hervorrufen. Deshalb ist der Anregung der Revisionswerberin, beim Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 2 B-VG die Aufhebung des § 258 Abs 4 ASVG zu beantragen, nicht zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Die von der Revision im Zusammenhang mit § 258 Abs 4 lit a ASVG aufgeworfenen rechtlichen Fragen wurden vom Obersten Gerichtshof schon wiederholt beantwortet. Die Auslegung der lit d dieser Gesetzesstelle bietet keine rechtlichen Schwierigkeiten. Aber auch die aktenkundigen Einkommensverhältnisse der Klägerin rechtfertigen es nicht, ihr auch nur den teilweisen Ersatz der Kosten ihrer Revision zuzubilligen.

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