European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118894
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der Klägerin zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin kaufte von der Beklagten, die mit Neu- und Gebrauchtwagen handelt, am 4. 2. 2011 einen PKW mit einem Kilometerstand von 78.166 km für 12.000 EUR. Der Zustand des Fahrzeugs wurde mit „genügend fahrbereit Klasse 3: mittlerer Kilometerstand; entsprechende Reparaturen oder Wartungsarbeiten erforderlich“ festgehalten. Weiters wurde eine nicht auf bestimmte Fahrzeugteile beschränkte zwölfmonatige Gewährleistungsfrist vereinbart.
Die Klägerin fuhr zumindest 2.500 km, ehe im März 2011 erst Probleme beim Starten des Fahrzeugs auftraten. Nachdem sich das Fahrzeug zwischen Mai und Juni wiederholt nicht starten ließ, wurde es mehrmals in Reparaturwerkstätten gebracht, wo – auf Kosten der Beklagten – die Glühstifte des Motors und später die komplette Einspritzpumpe getauscht wurden.
Am 15. 8. 2011 schaltete sich das Fahrzeug bei einer Autobahnfahrt in ein Notprogramm, sodass es nur noch mit 80 km/h fahrbar war. Sowohl zwei Reparaturwerkstätten als auch ein von der Klägerin beigezogener Sachverständiger gingen davon aus, dass die Reparatur „extrem teuer“ werde. Der Sachverständige kam zum Schluss, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliege.
Die Klägerin machte mit Schreiben vom 22. 9. 2011 Wandlung geltend.
Die Klägerin begehrte (zuletzt) die Wandlung des Kaufvertrags. Mehrere Versuche der Beklagten, die Probleme beim Starten zu beheben seien erfolglos geblieben. Letztlich habe sich ein Schaden im Bereich des Kraftstoffsystems, der Pumpe und bei den Einspritzdüsen herausgestellt, sodass laut Kostenvoranschlag mit Reparaturkosten von 10.090,70 EUR zu rechnen sei. Das Fahrzeug sei nicht fahrtauglich, weshalb eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft fehle.
Die Beklagte bestritt. Das Fahrzeug sei fahrbereit übergeben worden. Der behauptete Mangel am Kraftstoffsystem, an der Pumpe und der Einspritzpumpe betreffe Verschleißteile.
Das Erstgericht wies das (verbliebene) Klagebegehren ab. Sowohl im Zeitpunkt der Übergabe als auch in jenem des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz habe das Fahrzeug dem vereinbarten mechanischen Zustand entsprochen und hätten die behaupteten Startschwierigkeiten nicht vorgelegen. § 924 ABGB komme daher nicht zum Tragen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellung, dass die behaupteten Mängel bei Schluss der mündlichen Streitverhandlung nicht vorgelegen haben, mangels rechtlicher Relevanz dagegen nicht jene über das Nichtvorliegen der Mängel im Übergabezeitpunkt, und erachtete auf dieser Sachverhaltsbasis die Rechtsrüge der Klägerin für nicht berechtigt. Ein Wandlungsbegehren sei den Entscheidungen 6 Ob 97/13b und 9 Ob 46/14a folgend nur berechtigt, wenn der Mangel im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch vorhanden sei. Bestehe er dagegen in diesem Zeitpunkt nicht mehr, bestehe auch kein Anspruch auf Wandlung. Nach den Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Mangel, der ursprünglich Startschwierigkeiten verursacht habe, nicht mehr vorliege. Der Wagen habe sich bei allen insgesamt 90 Startversuchen durch den gerichtlichen Sachverständigen anstandslos starten lassen. Der Fehler sei daher offensichtlich schon bei den von der Beklagten bezahlten Reparaturen behoben worden.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil nach der Entscheidung 2 Ob 131/98y ein ohne Zutun des Klägers vor Schluss der Verhandlung reparierter Mangel für die Berechtigung des Wandlungsbegehrens unerheblich sei.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revision, dem Klagebegehren stattzugeben, und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag. Inhaltlich verweist sie auf die zuletzt genannte Entscheidung. Die nicht vollständige Auseinandersetzung mit der Beweisrüge der Klägerin in der Berufung stelle daher eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens dar. Dass ohne Zutun der Klägerin der Mangel offenbar behoben worden sei, habe auf die Entscheidung daher richtigerweise keinen Einfluss. Ab dem Verzug mit der Verbesserung könne Wandlung begehrt werden. Nach einem solchen Vertragsrücktritt komme es auf die erklärte Bereitschaft zur Verbesserung ebenso wenig an, wie auf eine real vorgenommene. Die Klägerin habe die nachträgliche Verbesserung auch nicht als verspätete Erfüllung angenommen.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen. Im Gegensatz zum Sachverhalt der Entscheidung 2 Ob 131/98y seien hier zwischen Vertragsrücktritt und Schluss der Verhandlung erster Instanz keinerlei Maßnahmen zur Vermeidung der Startschwierigkeiten gesetzt worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entsprechend den Ausführungen des Berufungsgerichts zulässig; sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt:
1. Gemäß § 922 ABGB leistet der Übergeber einer Sache dafür Gewähr, dass der Kaufgegenstand die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat und dass er der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung gemäß verwendet werden kann. Eine Leistung ist dann iSd § 922 ABGB mangelhaft, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, das heißt dem Vertragsinhalt, zurückbleibt (RIS‑Justiz RS0018547). Weicht die Leistung vom Vertrag ab und ist daher mangelhaft, muss dies der Übernehmer unter Zugrundelegung des gesamten Vertragsinhalts dartun; er ist es, der nach wie vor das Vorliegen eines Mangels beweisen muss (8 Ob 124/08f; insoweit auch: 1 Ob 199/07g; RIS‑Justiz RS0018553). Nach § 924 Satz 2 ABGB – der auch beim Kauf gebrauchter Sachen, insbesondere beim Gebrauchtwagenkauf gilt (RIS‑Justiz RS0120550; P. Bydlinski in KBB4 § 924 Rz 5 mwN) – wird dann das Vorliegen eines Mangels im Zeitpunkt der Übergabe vermutet, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt („Rückwirkungs-vermutung“), es sei denn, die Vermutung wäre mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar (§ 924 Satz 3 ABGB; vgl auch 1 Ob 199/07g).
2. Besteht danach ein Gewährleistungsanspruch, hat der Besteller gemäß § 932 Abs 2 ABGB primär Anspruch auf Verbesserung oder Austausch. Er kann nach § 932 Abs 2 bis 4 ABGB die sekundären Gewährleistungsbehelfe, Preisminderung und Wandlung, ua dann geltend machen, wenn der Übergeber die Verbesserung nicht in angemessener Frist vornimmt. Die Wandlung setzt überdies voraus, dass der Mangel nicht geringfügig ist (6 Ob 143/07h). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Übernehmer schon bei Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs den Sekundärbehelf (Wandlung oder Preisminderung) in Anspruch nehmen kann (4 Ob 198/15v; 1 Ob 106/13i; 6 Ob 143/07h = ecolex 2007/355, 852 [zust Jud]; 2 Ob 34/11f, jeweils mwN; RIS‑Justiz RS0018722 [T2]; RS0018702 [T9]).
3. Damit stellt sich die Frage, was zu gelten hat, wenn nach Inanspruchnahme des Sekundärbehelfs der Wandlung die Sache mängelfrei gestellt wird.
Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung auf 6 Ob 97/13b und 9 Ob 46/14a gestützt. In diesen Fällen hatte aber der jeweils Gewährleistungsberechtigte durch Ersatzvornahme bzw auf eigene Kosten die Verbesserung vornehmen lassen. Auf die Geltendmachung der Gewährleistung durch Wandlung kann aber grundsätzlich – wenn besondere Umstände dies rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0014265) – wirksam verzichtet werden (RIS‑Justiz RS0016568), was nach § 863 ABGB zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0014263) und bei Selbstverbesserung durch den Gewährleistungsberechtigten naheliegend ist.
Hingegen besteht keine Grundlage für die Annahme eines Verzichts des Gewährleistungsberechtigten auf die von ihm eingeforderte Wandlung, wenn die Beseitigung des Mangels ohne seine Beteiligung und ohne sein Zutun erfolgte, wie in 2 Ob 131/98y ausgesprochen wurde. Nach einem Vertragsrücktritt kommt es demnach auf die erklärte Bereitschaft (des Übergebers) zur Verbesserung (Lieferung) ebenso wenig an, wie auf eine (ohne Zutun des Übernehmers) real vorgenommene Verbesserung oder Lieferung, außer der Gewährleistungsberechtigte hätte die nachträgliche Verbesserung als (verspätete) Erfüllung angenommen und insoweit auf sein Wandlungsbegehren verzichtet.
4. Im vorliegenden Fall ist eine Beteiligung der Klägerin an den Vorgängen, die dazu führten, dass nach den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz die von der Klägerin behaupteten Mängel nicht bestanden, nicht festgestellt. Es liegen daher keine Anhaltspunkte für einen Verzicht der Klägerin vor.
5. Ob der Wandlungsanspruch der Klägerin zu Recht besteht, hängt daher in weiterer Folge zunächst davon ab, ob die geltend gemachten Mängel im Übergabezeitpunkt vorhanden waren. Das Berufungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die diesbezügliche Beweisrüge der Berufung zu behandeln haben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
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