OGH 4Ob137/16z

OGH4Ob137/16z21.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A***** regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Kraft, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte M***** S.A, *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 108.500 EUR), über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. April 2016, GZ 5 R 182/15v‑17, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Oktober 2015, GZ 19 Cg 43/15t‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00137.16Z.0221.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit verworfen wird. Dem Erstgericht wird die Durchführung des Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme von diesem Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 6.826,44 EUR (darin enthalten 1.137,74 EUR USt) bestimmten Kosten des Zwischenstreits binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Urkundenvorlage der Klägerin vom 14. November 2016 und die Äußerung der Beklagten vom 21. November 2016 werden zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist eine österreichische Verwertungsgesellschaft, die für Werke der Tonkunst über eine aufrechte Betriebsgenehmigung mit der Befugnis zur treuhändigen Wahrnehmung von Senderechten ihrer Mitglieder gemäß §§ 17 bis 17b, 18a und § 59a UrhG verfügt.

Die Beklagte, ein in Luxemburg ansässiges Unternehmen, bietet nach den Behauptungen der Klägerin gegen Entgelt in Österreich mittels auch hier aufrufbaren Webseiten über Satellit ausgestrahlte Rundfunkprogramme teils unverschlüsselt, teils verschlüsselt an, wobei sie ihren Kunden den Zugangsschlüssel zur Entschlüsselung des Sendesignals zur Verfügung stellt. Es werden auch Werke gesendet, an denen der Klägerin die treuhändige Wahrnehmung der Verwertungsrechte zusteht.

Nach den Einwendungen der Beklagten stellt diese nur Infrastruktur zur Verfügung, die es ermöglicht, ein von Fernsehsendern in eine ununterbrochene Kommunikationskette zu einem Satelliten eingegebenes Signal zu entkodieren.

Das Rekursgericht geht als unstrittig davon aus, dass die Sendungen von Luxemburg und anderen europäischen Staaten aus erfolgen, nicht jedoch aus Österreich.

Die Klägerin begehrt Unterlassung nach § 81 UrhG; die Beklagte habe es zu unterlassen, näher bezeichnete Fernsehprogramme ohne Zustimmung der Klägerin in Österreich a) zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung mit Hilfe von Leitungen zu benutzen (hilfsweise solche Fernsehprogramme über Satellit zu senden oder über Satellit öffentlich wiederzugeben), wenn darin Werke aus dem Repertoire der Klägerin enthalten sind; b) über Satellit zu senden, hilfsweise über Satellit öffentlich wiederzugeben, wenn darin Werke aus dem Repertoire der Klägerin enthalten sind. Die Klägerin begehrt weiters Rechnungslegung im Zusammenhang mit den genannten Programmen sowie Zahlung eines angemessenen Entgelts und eines pauschalierten Schadenersatzes nach Rechnungslegung.

Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts beruhe auf Art 7 Nr 2 EuGVVO. Die Klägerin habe der Beklagten für die einen zusätzlichen Kundenkreis der Beklagten bedienenden Rundfunkübertragungen (§§ 17 ff UrhG) bzw Kabelweiterverbreitungen (§ 59a UrhG) keine Zustimmung erteilt. Die im Sendestaat getroffenen Vereinbarungen mit den Rundfunkunternehmen deckten diesen Empfängerkreis nicht ab, worauf die Klägerin die Beklagte auch hingewiesen habe. Die Beklagte habe eine integrale Kabelweiterverbreitung zu verantworten, wofür die Zustimmung der Klägerin erforderlich und zusätzliches Entgelt zu entrichten sei. Der Schaden infolge der nicht lizenzierten Ausstrahlung trete in Österreich ein.

Die Beklagte erhob im Hinblick auf ihren Sitz in Luxemburg die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit. Sie stelle lediglich Infrastruktur zur Verfügung, die es ermögliche, ein von Fernsehsendern in eine Kommunikationskette zu einem Satelliten eingegebenes Signal zu entkodieren. Endnutzer mit entsprechenden Empfangsgeräten könnten das Satellitensignal dann dekodieren und die Programme empfangen. Die Eingabe der programmtragenden Signale in die Kommunikationskette zum Satelliten erfolge unstrittig außerhalb Österreichs. Die Beklagte handle somit nicht im Inland. Einziger Anknüpfungspunkt an Österreich sei, dass der Empfang der Rundfunkprogramme auch dort möglich sei. Die Kodierung und Dekodierung erfolge im Einvernehmen mit dem sendenden Rundfunkunternehmen. Das Sendelandprinzip des § 17b Abs 2 UrhG iVm Art 1 Abs 2 lit b Satelliten‑RL begründe die ausschließliche Zuständigkeit des Sendestaats für die verfolgten Ansprüche. Der Schaden der Rechteinhaber trete nicht in Österreich ein.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Es liege eine einzige öffentliche Wiedergabe iSd Art 1 Abs 2 lit a bis c Satelliten‑RL vor. Das Bereitstellen von Einrichtungen zur Wiedergabe (Dekodierung) sei selbst keine Wiedergabe im Sinn der Satelliten‑RL. Wer geschützte Gegenstände einem größeren Publikum zugänglich mache als dem Zielpublikum des Sendeunternehmens, das eine Erlaubnis zur Nutzung der Werke erhalten habe, benötige seinerseits eine Erlaubnis. Mangels einer solchen entstünden dem Verwertungs-berechtigten Ansprüche, die als Schadenersatz zu qualifizieren seien. Das Senderecht (auch über Satellit) sei dem Urheber vorbehalten. § 17b UrhG bestimme den Ort, an dem die Verwertungshandlung bei Ausstrahlung über Satellit stattfinde, und damit auch den Ort der unerlaubten Handlung, falls die Ausstrahlung ohne Genehmigung erfolge. Art 7 Nr 2 EuGVVO bestimme als Anknüpfungspunkt für Schadenersatzklagen aus unerlaubter Handlung auch den Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei oder einzutreten drohe. Bei Urheberrechtsverletzungen sei das der Ort, an dem das Medium verbreitet worden sei, bei Verbreitung auf einem Gebiet grundsätzlich auch dort, wo die rechtsverletzende Sendung (zB im Internet) habe empfangen werden können. § 17b UrhG schließe dies für Satellitensendungen aus und bestimme den Sendestaat auch als den Ort des Schadenseintritts. Ziel der Satelliten‑RL sei es nämlich, die Rechtsunsicherheit hinsichtlich grenzüberschreitender Programme zu beseitigen, durch die Präzisierung des Orts der öffentlichen Wiedergabe mit dem Sendestaat das materielle Recht zu harmonisieren und die kumulative Anwendung mehrerer nationaler Rechte auf einen einzelnen Sendeakt zu verhindern. Zugleich würden die Rechte im Sinne eines hohen Schutzniveaus für Urheber angeglichen. Mit dem Sendelandprinzip solle für den Schutz des Urhebers das Recht jenes Staats maßgebend sein, auf dessen Gebiet die Eingabe der programmtragenden Signale erfolge und bei unerlaubter Sendung der Eingabe in das Satellitensenderecht stattfinde; gleiches gelte für Inhalt und Umfang des Rechts zur Sendung. Die Unterlassung der konkreten Sendung könne allein im Sendeland erfolgen, nur dort sei das Senderecht des Urhebers verletzt worden und damit der Schaden eingetreten. Folglich bestimme der Sendestaat auch den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art 7 Nr 2 EuGVVO. Die Aufsplitterung von Schäden auf die jeweiligen Empfangsstaaten widerspräche dem Sendelandprinzip.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs wegen der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der gegenständlichen Zuständigkeitsfrage zulässig sei. Die Tätigkeiten der Beklagten entsprächen den Kriterien des Art 1 Abs 2 lit b und c der Satelliten‑RL. Es liege eine öffentliche Wiedergabe über Satellit vor, die dann und in jenem Mitgliedstaat stattfinde, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle und Verantwortung des Sendeunternehmens in eine nicht unterbrochene Übertragungskette über Satellit bis zur Rückkehr der Signale zur Erde eingebracht würden. Normale technische Verfahren betreffend die programmtragenden Signale dürften nicht als Unterbrechung der Übertragungskette betrachtet werden. Art 1 Abs 2 lit a und b Satelliten‑RL definierten, was für Zwecke der Richtlinie als öffentliche Wiedergabe über Satellit anzusehen sei (lit a) und an welchem Ort die öffentliche Wiedergabe über Satellit stattfinde (lit b). Mit diesen Bestimmungen habe sich die Richtlinie für die Theorie des Sendelands entschieden und die Regelung als Harmonisierung nicht des internationalen Privatrechts, sondern des materiellen Rechts ausgestaltet. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art 7 Nr 2 EuGVVO bestehe auf Grund des Sendeland-Prinzips nur in dem Mitgliedstaat, der als Sendeland iSd Art 1 Abs 2 lit b bzw lit d (i) oder (ii) anzusehen sei. Das danach international zuständige Gericht habe demnach den Schaden nicht nur für das Sendeland, sondern für die gesamte Verwertung zuzusprechen. Hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung folge das vergleichbare Ergebnis bereits daraus, dass die Unterlassung einer konkreten Satelliten-Sendung ohnehin allein im Sendeland erfolgen müsse. Für die Beurteilung des Sachverhalts sei das Urheberrecht des Sendelandes anzuwenden. Art 1 Satelliten‑RL fingiere den Ort des Schadens- und des Erfolgseintritts im Sendeland. Dieser liege hier nicht in Österreich. Entgegen der Argumentation der Klägerin handle die Beklagte nicht im Rahmen einer integralen Kabelweiterleitung, da es sich allein um eine Übertragung mittels Satellit handle. Die Signale würden nicht in ein weiteres Medium zur Weiterübertragung, sei es durch Kabel, sei es durch Mikrowelle, eingespeist.

Mit ihrem – von der Beklagten beantworteten – Revisionsrekurs beantragt die Klägerin, die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten zu verwerfen. Gleichzeitig regte sie – ebenso die Beklagte, allerdings mit anderer Fragestellung und Begründung – die Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH an. Nach Einbringung von Rechtsmittelschrift und ‑gegenschrift übermittelte die Klägerin noch eine Urkundenvorlage, die Beklagte eine Äußerung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klärung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Allgemeines zur Anknüpfung nach Art 7 Nr 2 EuGVVO (= Art 5 Nr 3 aF)

1.1. Gemäß Art 7 Nr 2 EuGVVO idF VO (EU) Nr 1215/2012 [Klagseinbringung nach dem 10. 1. 2015] kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

Der Gerichtsstand des Art 7 Nr 2 EuGVVO differenziert grundsätzlich nicht danach, in welcher Rechtsschutzform Klage erhoben wird (Czernich in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands‑ und Vollstreckungsrecht4 Art 7 Rn 122). Er steht schon seinem klaren Wortlaut nach für [sämtliche] Ansprüche aus unerlaubten Handlungen zur Verfügung; er unterscheidet insbesondere nicht danach, worauf die Ansprüche im Einzelnen gerichtet sind und welches Rechtsschutzziel sie verfolgen (vgl 4 Ob 122/03z zur Vorgängerbestimmung im Fall eines Markenrechtseingriffs). Daher fallen auch schlichte Unterlassungsklagen unter diesen Gerichtsstand (Czernich in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands‑ und Vollstreckungsrecht4 Art 7 Rn 122).

1.2. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art 7 Nr 2 EuGVVO (= Art 5 Nr 3 EuGVVO aF) ist verordnungsautonom zu beurteilen. Delikte im Sinn dieser Bestimmung sind unerlaubte Handlungen, die eine Schadenshaftung des Beklagten nach sich ziehen und nicht an einen Vertrag iSd Art 7 Nr 1 EuGVVO (= Art 5 Nr 1 EuGVVO aF) anknüpfen (RIS‑Justiz RS0109078). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) erfasst dieser Gerichtsstand sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens als auch den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht (Rs 21/76, Bier/Mines de Potasse; C‑68/93, Shevill). Bei Distanzdelikten kann sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort geklagt werden. Als Erfolgsort kommt aber nur jener Ort in Betracht, an dem sich die Schädigung zuerst auswirkt (RIS‑Justiz RS0109739 [T8]). Folgewirkungen auf Person oder Vermögen des Geschädigten lassen dessen Sitz auch dann nicht zum Erfolgsort werden, wenn sie gleichzeitig verwirklicht werden (RIS‑Justiz RS0119142; RS0109737 [T1, T3]). Gemäß EuGH C‑375/13, Kolassa, rechtfertigt allein die Tatsache, dass den Kläger finanzielle Konsequenzen treffen, nicht die Zuweisung der Zuständigkeit an die Gerichte seines Wohnsitzes, wenn sowohl das ursächliche Geschehen als auch die Verwirklichung des Schadenserfolgs im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats anzusiedeln sind. Dagegen ist eine solche Zuständigkeitszuweisung gerechtfertigt, soweit der Wohnsitz des Klägers tatsächlich der Ort des ursächlichen Geschehens oder der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist (Rn 49, 50).

1.3. In den Rechtssachen eDate Advertising und Martinez (C‑509/09 und C‑161/10) führte der EuGH explizit zu Persönlichkeitsverletzungen im Internet aus, dass Klage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats erhoben werden kann, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Nach C‑523/10, Wintersteiger genügt für die Zuständigkeit des Registerstaats bei (behaupteten) Markenrechtseingriffen im Internet die Abrufbarkeit der Website und die Behauptung des Klägers, dass dadurch Markenrechte verletzt worden seien. In C‑360/12, Coty, hat der EuGH diese immaterialgüterrechtliche Rechtsprechung für das Lauterkeitsrecht übernommen: Das Erfordernis, dass das Recht, dessen Verletzung geltend gemacht wird, im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts geschützt sein müsse, sei auf die Fälle übertragbar, in denen es um den Schutz eines solchen Rechts durch ein „innerstaatliches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ gehe. Auch der Senat hat im Zusammenhang mit lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen judiziert (4 Ob 82/12f = RIS‑Justiz RS0127998 [T1]), es reiche für die Begründung der internationalen Zuständigkeit hin, dass ein bestimmter Inhalt im Staat des angerufenen Gerichts im Internet zugänglich ist oder auf eine andere Weise verbreitet wurde und der Kläger behauptet, dass diese Zugänglichkeit oder Verbreitung eine (lauterkeitsrechtlich relevante) Auswirkung auf den Markt dieses Staats hat.

2. Rechtsverletzung durch öffentliche Wiedergabe

2.1. Die Klägerin behauptet eine Urheberrechtsverletzung, die darin liegen soll, dass die Beklagte durch die strittigen Rundfunkübertragungen bzw Kabelweiterleitungen Werke der von der Klägerin vertretenen Autoren einer neuen Öffentlichkeit zugänglich mache, ohne dass die Klägerin dem zugestimmt habe. Sie rügt damit im Ergebnis einen Eingriff in das gemäß § 17 Abs 1 UrhG ausschließlich dem Urheber vorbehaltene Recht, das Werk durch Rundfunk oder auf eine ähnliche Art zu senden.

2.2. Bei einer urheberrechtswidrigen Aufführung liegt der Ort des Schadenseintritts dort, wo die Aufführung stattgefunden hat und daher auch das Werknutzungsentgelt angefallen wäre (4 Ob 347/98b; weiterer Nachweis bei Simotta in Fasching/Konecny², Art 5 EuGVVO aF Rz 321; vgl auch v. Welser in Wandtke/Bullinger, dUrhG4, Vor §§ 120 ff, Rz 29b: „kein vom Handlungsort unterschiedlicher Erfolgsort“).

Bei Verletzungen im Internet, die sich nicht auf das Gebiet eines Staats einschränken lassen, entsteht überall dort ein Schaden (bzw droht zu entstehen), von wo aus auf das geschützte Werk zugegriffen werden kann (C‑170/12, Pinckney, Rz 43 f; C‑441/13, Pez Hejduk, Rz 34).

Bei terrestrischen Rundfunksendungen findet die öffentliche Wiedergabe (der vornehmlich zum Schutz der Rechteinhaber entwickelten sogenannten Bogsch‑Theorie folgend, vgl Dreier in Walter, Europäisches Urheberrecht, Vor Art 1 Satelliten‑RL, Rz 10) nicht nur im Sendeland, sondern zugleich in jenen Empfangsländern statt, auf die sich die Sendung (auch) ausrichtet (intendierte Rundfunksendung). Bei einer in Österreich empfangbaren Sendung ist daher grundsätzlich nach dem Recht des Empfangslandes, also nach inländischem Recht, zu beurteilen, ob bloß eine nicht intendierte Rundfunksendung (also ein urheberrechtlich nicht relevanter Fall des „non intentional spill over“) oder aber eine intendierte Rundfunksendung vorliegt. Der Erfolgsort liegt daher bei einer (auch) auf Österreich ausgerichteten Sendung (auch) im Inland (Dreier in Walter, Europäisches Urheberrecht, Art 1 Satelliten‑RL, Rz 12; 4 Ob 19/91, Tele Uno; RIS‑Justiz RS0077002).

2.3. In dritter Instanz unstrittig ist, dass es sich im Anlassfall um eine Satellitenübertragung handelt. Dazu bestimmt § 17b Abs 1 UrhG:

Im Fall der Rundfunksendung über Satellit liegt die dem Urheber vorbehaltene Verwertungs-handlung in der unter der Kontrolle und Verantwortung des Rundfunkunternehmers vorgenommenen Eingabe der programmtragenden Signale in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt. Die Rundfunksendung über Satellit findet daher vorbehaltlich des Abs. 2 nur in dem Staat statt, in dem diese Eingabe vorgenommen wird.

 

Abs 2 bezieht sich auf den hier nicht vorliegenden Fall, dass die öffentliche Wiedergabe in einem Drittstaat erfolgt. Die Bestimmung wurde in Umsetzung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber‑ und leistungsschutz-rechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung („Satelliten‑RL“) erlassen. Diese bestimmt in Art 1 Abs 2:

a) Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet „öffentliche Wiedergabe über Satellit“ die Handlung, mit der unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung die programmtragenden Signale, die für den öffentlichen Empfang bestimmt sind, in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, eingegeben werden.

b) Die öffentliche Wiedergabe über Satellit findet nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt.

 

Die Bestimmungen sind daher im Wesentlichen ident, § 17b Abs 1 UrhG ist aber im Sinne der Satelliten‑RL zu interpretieren (vgl RIS‑Justiz RS0075866).

2.4. Ob Art 1 Abs 2 lit a und b Satelliten‑RL auch eine Regelung zur internationalen Zuständigkeit enthält, ist strittig.

2.4.1. Dreyer (in Walter, Europäisches Urheberrecht, Art 1 Satelliten‑RL, Rz 11) führt dazu aus, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art 5 Nr 3 EuGVVO aF aufgrund des Sendelandprinzips nur in dem Mitgliedstaat bestehe, der als Sendeland im Sinn des Art 1 Abs 2 lit b oder auch lit d (i) oder (ii) anzusehen sei; das danach international zuständige Gericht habe demnach – wie sonst in der Regel nur das Gericht am Wohnsitz desBeklagten – den Schaden nicht nur für das Sendeland, sondern für die gesamte Verwertung zuzusprechen; hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung folge das vergleichbare Ergebnis bereits daraus, dass die Unterlassung einer konkreten Satellitensendung ohnehin allein im Sendeland erfolgen müsse (vgl auch Walter/von Lewinski, European Copyright Law, Rz 7.1.11 und Reindl, Der Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf das Österreichische Urheberrecht, in Koppensteiner [Hrsg], Österreichisches und Europäisches Wirtschaftprivatrecht, 250 [FN 228]).

2.4.2. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Entscheidung vom 8. 3. 2012, I ZR 75/10, Oscar, zu dieser Frage ausgesprochen, dass die Satelliten‑RL keine Regelung zur internationalen Zuständigkeit treffe. Das in Art 1 Abs 2 lit a und lit b der RL zum Ausdruck kommende Sendelandprinzip beschreibe weder die internationale Zuständigkeit, noch stelle es eine Kollisionsnorm zur Anwendbarkeit des materiellen Rechts dar. Vielmehr kanalisiere es das Senderecht durch eine materiell-rechtliche Definition der entscheidenden Handlung auf eine einzige Rechtsordnung. Aus dem Sendelandprinzip lasse sich somit nicht die alleinige internationale Zuständigkeit der Gerichte des Sendestaats herleiten.

3.1. Letztere Auffassung zur Frage der internationalen Zuständigkeit ist aus nachfolgenden Gründen zu teilen:

3.2. In einem Rechtsstreit über die Vergütung nach § 42b Abs 1 UrhG (Art 5 Abs 2 lit b InfoRL) hat der Senat zu 4 Ob 177/14d dem EuGH die Frage vorgelegt, ob dieser Anspruch einen solchen aus „unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ iSv Art 5 Nr 3 EuGVVO aF begründet. Der EuGH hat diese Frage in seinem Urteil vom 21. 4. 2016, C‑572/14, Austro Mechana, bejaht und die Verletzung der Zahlungspflicht als unerlaubte Handlung qualifiziert. Österreichische Gerichte seien daher zuständig, wenn das schädigende Ereignis in Österreich eingetreten sei oder einzutreten drohe. In der Folge hat der Senat in der Entscheidung 4 Ob 112/16y mit der Begründung, dass der Ort des schädigenden Verhaltens dort liege, wo die Zahlungspflicht zu erfüllen sei und aufgrund der Qualifikation von Geldschulden als Bringschulden (§ 907a Abs 1 ABGB), somit aufgrund der Schadenshandlung am Ort der in Österreich gelegenen Niederlassung der Klägerin, die Zuständigkeit der inländischen Gerichte bejaht.

Die hier vorliegende Konstellation ist damit vergleichbar: Hier resultiert die von der Klägerin geltend gemachte Unerlaubtheit der Handlung der Beklagten aus der behaupteten Verletzung der Werknutzungsrechte der von der Klägerin vertretenen Rechteinhaber und somit letztlich auch aus der Verletzung der daraus resultierenden Pflicht auf Zahlung von angemessenem Entgelt und Schadenersatz – wie in dieser Klage geltend gemacht. Zumindest für diese Ansprüche ist die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts am Sitz der Klägerin somit gegeben. Dies gilt aufgrund der Zahlungsverzug‑RL (2011/7/EU ; vgl Grothe in Beck´scher Online‑Kommentar BGB, Bamberger/Roth 41, § 244 Rz 14) auch dann, falls die oben genannten Bestimmungen der Satelliten‑RL als Kollisionsnorm zu verstehen sein sollten (zum Meinungsstand im Schrifttum: bejahend Mankowski in MüKomm zum dUWG², Internationales Wettbewerbs‑ und Wettbewerbsverfahrensrecht, Rz 104; Walter, Öster-reichisches Urheberrecht I, Rz 699; verneinend Drexl in MüKomm zum BGB, IntImmGR6, Rz 127; Ahrens in Gloy/Loschelder/Erdmann, dUWG4, § 68 Rz 20) und somit aufgrund des Sendeorts luxemburgisches Recht anzuwenden wäre.

3.3. Weiters ist zu berücksichtigen, dass die Satelliten‑RL keine prozessualen Bestimmungen enthält, insbesondere keine solchen, die die internationale Zuständigkeit regeln. Sie dient vielmehr der Harmonisierung unterschiedlicher nationaler Urheberrechtsvorschriften (vgl die Erwägungsgründe 5 und 24) bzw will die kumulative Anwendung von mehreren nationalen Rechten auf einen einzelnen Sendeakt verhindern (Erwägungsgründe 12 und 14). Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit hat daher auch im konkreten Fall allein aufgrund der Bestimmung des Art 7 Nr 2 EuGVVO zu erfolgen. Aus der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH – im Zusammenhang mit immaterialgüterrechtlichen Sachverhalten – ergibt sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte jenes Landes, in welchem das Recht, dessen Verletzung geltend gemacht wird, geschützt ist, wobei das Erfolgsortgericht nur für den im Staat des angerufenen Gerichts eingetretenen Schaden zuständig ist (C‑523/10, Wintersteiger II; C‑170/12, Pinckney; C‑441/13, Pez Hejduk; vgl auch jüngst 4 Ob 45/16w im Fall von Domain‑Grabbing).

Im vorliegenden Fall richtet sich das Unterlassungs- und Auskunftsbegehren der Klägerin auf die Benutzung bzw Sendung und Wiedergabe von Fernsehprogrammen in Österreich. Somit besteht die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auch für das Unterlassungs‑ und Auskunftsbegehren. Dabei kann es dahinstehen, ob sich eine Satelliten‑Sendung – wie im Fall einer terrestrischen Übermittlung – auf das Empfängerland ausrichten muss, weil das hier jedenfalls gegeben ist.

4. Dieses Ergebnis erschließt sich – wie aufgezeigt – schon aus der bisher zu Art 7 Nr 2 EuGVVO bzw Art 5 Nr 3 EuGVVO aF ergangenen Rechtsprechung des EuGH, sodass es keines Vorabentscheidungsersuchens – wie von den Parteien angeregt – bedarf.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 3 iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit zu ersetzen. Dabei handelt es sich um die Kosten der auf diesen Streitpunkt beschränkten Verhandlung vom 21. 9. 2015 und jene des Rechtsmittelverfahrens. Für den Rekurs gebührt nur der einfache Einheitssatz.

6. Wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels (jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu) sind die weiteren Schriftsätze der Parteien („Urkundenvorlage“ der Klägerin und „Äußerung“ der Beklagten) zurückzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0041666).

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