Spruch:
A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist der Anspruch auf Zahlung eines „gerechten Ausgleichs“ nach Art 5 Abs 2 lit b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft , der sich nach österreichischem Recht gegen Unternehmen richtet, die Trägermaterial im Inland als erste gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringen, ein Anspruch aus „unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist,“ im Sinn von Art 5 Nr 3 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ?
B. Das Verfahren über das Rechtsmittel der klagenden Partei wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
I. Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft nach österreichischem Recht. Zu ihren Aufgaben gehört insbesondere das Einheben der Vergütung für nach Österreich geliefertes Trägermaterial nach § 42b Abs 1 und 3 des österreichischen Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Diese Bestimmungen dienen der Umsetzung des nach Art 5 Abs 2 lit b RL 2001/29/EG gebotenen „gerechten Ausgleichs“ für die zulässige Vervielfältigung geschützter Werke zum privaten Gebrauch.
Die beklagten Gesellschaften gehören zu einem international tätigen Konzern, der über das Internet Bücher, Musikalien und andere Waren vertreibt. Die Erst-, Zweit- und Fünftbeklagte sind Gesellschaften luxemburgischen Rechts mit Sitz in Luxemburg, die Dritt- und Viertbeklagte sind Gesellschaften deutschen Rechts mit Sitz in Deutschland. In Österreich haben die Beklagten keinen Sitz und keine Niederlassung. Nach dem Vorbringen der Klägerin wirken sie beim erstmaligen Inverkehrbringen von Trägermaterial in Österreich zusammen, sodass sie solidarisch für die Trägervergütung haften.
Die Parteien streiten über die Frage, ob die österreichischen Gerichte für die Entscheidung über den Anspruch der Klägerin international zuständig sind.
II. Rechtsgrundlagen
Die maßgebenden Bestimmungen der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft lauten wie folgt:
„Artikel 2
Vervielfältigungsrecht
Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:
a) für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,
b) für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen,
c) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,
d) für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme,
e) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.“
„Artikel 5
Ausnahmen und Beschränkungen
(1) [...]
(2) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen:
[…]
b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden; [...].“
Art 5 Nr 3 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen lautet wie folgt:
„Artikel 5
Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
[…]
3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht; “
Die maßgebenden Bestimmungen des österreichischen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) lauten wie folgt:
„§ 42. (1) Jedermann darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke auf Papier oder einem ähnlichen Träger zum eigenen Gebrauch herstellen.
(2) Jedermann darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke auf anderen als den in Abs. 1 genannten Trägern zum eigenen Gebrauch zu Zwecken der Forschung herstellen, soweit dies zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist. [...]“
„§ 42b. (1) Ist von einem Werk, das durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt oder auf einem zu Handelszwecken hergestellten Bild- oder Schallträger festgehalten worden ist, seiner Art nach zu erwarten, dass es durch Festhalten auf einem Bild- oder Schallträger nach § 42 Abs. 2 bis 7 zum eigenen oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird, so hat der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Leerkassettenvergütung), wenn Trägermaterial im Inland gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr kommt; als Trägermaterial gelten unbespielte Bild- oder Schallträger, die für solche Vervielfältigungen geeignet sind, oder andere Bild- oder Schallträger, die hiefür bestimmt sind.
(2) [...]
(3) Folgende Personen haben die Vergütung zu leisten:
1. die Leerkassetten- beziehungsweise Geräte-vergütung derjenige, der das Trägermaterial beziehungsweise das Vervielfältigungsgerät von einer im In- oder im Ausland gelegenen Stelle aus als erster gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr bringt; wer das Trägermaterial beziehungsweise das Vervielfältigungsgerät im Inland gewerbsmäßig entgeltlich, jedoch nicht als erster in den Verkehr bringt oder feil hält, haftet wie ein Bürge und Zahler; von der Haftung für die Leerkassettenvergütung ist jedoch ausgenommen, wer im Halbjahr Schallträger mit nicht mehr als 5.000 Stunden Spieldauer und Bildträger mit nicht mehr als 10.000 Stunden Spieldauer bezieht; hat der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, so sind die Gerichte, in deren Sprengel der erste Wiener Gemeindebezirk liegt, zuständig; [...]
(4) […]
(5) Vergütungsansprüche nach den Abs. 1 und 2 können nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. [...]“
III. Anträge und Vorbringen der Parteien
Die Klägerin bringt vor, dass die Beklagten in Österreich Speichermedien in Verkehr bringen, die in Mobiltelefonen, die zur Musikwiedergabe geeignet sind, eingebaut sind oder für die Speichererweiterung solcher Telefone verwendet werden können. Für dieses Trägermaterial begehrt sie eine Vergütung nach § 42b UrhG. In einem ersten Schritt sollen die Beklagten zur Rechnungslegung über das seit 1. Oktober 2010 in Verkehr gebrachte Trägermaterial verpflichtet werden, die Bezifferung des Zahlungsbegehrens behält sich die Klägerin bis zu dieser Rechnungslegung vor.
Für die derzeit ausschließlich strittige Zuständigkeit stützt sich die Klägerin auf Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001. Der Anspruch auf Zahlung eines „gerechten Ausgleichs“ im Sinn von Art 5 Abs 2 lit b RL 2001/29/EG diene nach der Rechtsprechung des EuGH dazu, den „Schaden“ des Rechteinhabers abzugelten, der durch die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht entstehe. Die Klägerin mache daher eine Schadenshaftung geltend, die vom Gerichtsstand des Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 erfasst werde.
Die Beklagten wenden ein, dass Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 nur anwendbar sei, wenn Ansprüche aufgrund einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt sei, den Gegenstand des Verfahrens bildeten. Der Anspruch nach § 42b UrhG beruhe demgegenüber auf einem erlaubten Verhalten. Denn er diene dazu, einen Ausgleich für Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch zu schaffen, die auch ohne Zustimmung des Urhebers zulässig seien. Daher habe es der Oberste Gerichtshof im Jahr 2006 abgelehnt, Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 auf solche Ansprüche anzuwenden (4 Ob 174/06a). An dieser Entscheidung sei festzuhalten.
IV. Bisheriges Verfahren
Das Erstgericht folgte den Argumenten der Beklagten und wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurück.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Zurückweisung der Klage. Die Beklagten seien Schuldner einer gesetzlich angeordneten Vergütungsverpflichtung. Ein „Schaden“ der Rechteinhaber entstehe nicht durch das Verhalten der Beklagten, sondern dadurch, dass Dritte die von den Beklagten in Verkehr gebrachten Träger für Vervielfältigungen nutzten. Diese Nutzung sei zudem nicht unerlaubt. Der Anspruch der Klägerin falle daher nicht unter Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001.
Der Oberste Gerichtshof hat über einen Revisionsrekurs der Klägerin zu entscheiden, mit dem sie die Anwendung von Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 anstrebt.
V. Vorlagefrage
1. Alle Beklagten sind in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig. Anders als in jenem Verfahren, das zur Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C‑521/11, Amazon.com International Sales Inc. ua , geführt hat, ist Art 6 Nr 1 VO (EG) Nr 44/2001 daher nicht anwendbar. Auf die in § 42b Abs 3 Z 1 UrhG angeordnete Zuständigkeit der für den ersten Wiener Gemeindebezirk zuständigen Gerichte kann sich die Klägerin wegen des Vorrangs der VO (EG) Nr 44/2001 nicht stützen. Die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte kann sich daher nur aus dem Gerichtsstand der Schadenszufügung nach Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 ergeben.
2. Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 ist anwendbar, wenn „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden“. Diese Formulierung erfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs alle Klagen, mit denen eine „Schadenshaftung“ („résponsabilité“, „liability“) des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art 5 Nr 1 VO (EG) Nr 44/2001 anknüpfen ( C-189/87 , Kalfelis [noch zum Brüsseler Übereinkommen]; zuletzt etwa C‑548/12, Brogsitter ). Darunter fällt jedenfalls die Haftung für schuldhaftes rechtswidriges Handeln („unerlaubte Handlung“ im engeren Sinn), weiters die Haftung für Schäden aufgrund gefährlichen Verhaltens („Gefährdungshaftung“, Leible in Rauscher , EuZPR/EuIPR [2011] Art 5 Brüssel I-VO Rz 79; Kropholler/van Hein , Europäisches Zivilprozessrecht 9 [2011] Art 5 EuGVO Rz 74; Simotta in Fasching/Konecny 2 Art 5 EuGVVO Rz 269). Nicht erfasst sind demgegenüber Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung ( Leible aaO Rz 81; Kropholler/van Hein aaO Rz 81; Simotta aaO Rz 290; im Ergebnis wohl auch EuGH C‑189/87, Kalfelis ).
3. Fraglich ist, ob der hier strittige Anspruch auf Zahlung einer Trägervergütung nach § 42b UrhG (Art 5 Abs 2 lit b RL 2001/29/EG ) unter Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 fällt.
3.1. Ein rechtswidriger Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers wäre zweifellos eine unerlaubte Handlung im Sinn von Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001. Art 5 Abs 2 lit b RL 2001/29/EG sieht jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch gestatten können, wenn die Rechteinhaber dafür einen gerechten Ausgleich erhalten. Der österreichische Gesetzgeber hat diese Möglichkeit genutzt: Die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch auf beliebigen ‑ also insbesondere auch digitalen ‑ Trägern ist zulässig ; dafür haben die Rechteinhaber Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung , der von Verwertungsgesellschaften geltend zu machen ist. Schuldner dieses Anspruchs ist derjenige, der das Trägermaterial erstmals im Inland in Verkehr bringt. Die Vergütung dient, wie sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt (C-435/12 , ACI Adam ), nicht dem Ausgleich eines Schadens, der durch rechtswidrige Vervielfältigungen entsteht.
3.2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 4 Ob 174/06a (SZ 2006/156 = MR 2007, 35 [ Walter ] ‑ Leerkassettenvergütung IV) ausgeführt, dass der Anspruch auf Trägervergütung der Ausgleich für eine gesetzlich erlaubte und damit rechtmäßige Nutzungshandlung sei und daher gerade nicht auf einem rechtswidrigen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers beruhe. Vielmehr handle es sich um einen durch Gesetz geregelten Entgeltanspruch für die freie Werknutzung; dieser Anspruch ersetze Entgeltansprüche, die sonst vertraglich zu vereinbaren wären. Daher sei Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 nicht anwendbar.
3.3. Seither hat der Europäische Gerichtshof allerdings mehrfach ausgeführt, dass die Pflicht zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs dem Ersatz des „Schadens“ diene, den der Rechteinhaber durch die erlaubte Vervielfältigung erleide (C‑467/08, Padawan, Rz 40; C‑462/09, Stichting de Thuiskopie , Rz 24; C‑521/11, Amazon.com International Sales Inc. ua , Rz 23). Der Schaden tritt dabei in jenem Staat ein, in dem die Endnutzer wohnen (C‑462/09, Stichting de Thuiskopie , Rz 35; C‑521/11, Amazon.com International Sales Inc. ua , Rz 58); diesen Staat trifft die Verpflichtung, für die Zahlung des gerechten Ausgleichs zu sorgen (C‑462/09, Stichting de Thuiskopie , Rz 39; C‑521/11, Amazon.com International Sales Inc. ua , Rz 60). Für diese Zahlung muss er nicht unbedingt (unmittelbar) die Endnutzer, sondern kann grundsätzlich auch jene Personen heranziehen, die diesen Endnutzern das Trägermaterial rechtlich oder faktisch zur Verfügung stellen (C‑467/08, Padawan, Rz 46; C‑462/09, Stichting de Thuiskopie , Rz 27; C‑521/11, Amazon.com International Sales Inc. ua , Rz 24). Insbesondere kann der Anspruch auch gegenüber einem Importeur mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat bestehen (C‑521/11, Amazon.com International Sales Inc. ua ) . Der gegen den Importeur gerichtete Anspruch dient daher ebenfalls dem Ersatz des „Schadens“, den die Rechteinhaber durch die erlaubte Vervielfältigung erleiden.
3.4. Diese Erwägungen sprechen dafür, Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 auf den hier strittigen Anspruch anzuwenden. Denn ist tatsächlich der „Schaden“ zu ersetzen, der durch den - wenngleich erlaubten - Eingriff in ein absolut geschütztes Recht entsteht, so liegt wohl eine „Schadenshaftung“ im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Zudem ist das Unionsrecht kohärent auszulegen: Wenn nach der RL 2001/29/EG jener Staat, in dem die Endnutzer wohnen, für die Zahlung eines gerechten Ausgleichs sorgen muss, und wenn Schuldner dieses Ausgleichs auch ein Importeur mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat sein kann, dann muss die VO (EG) Nr 44/2001 wohl dahin ausgelegt werden, dass die Klage auf Zahlung des gerechten Ausgleichs im Staat der Endnutzer auch dann möglich ist, wenn der Schuldner ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Das ist nur durch die Anwendung von Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 gewährleistet.
3.5. Allerdings ist auch die gegenteilige Auffassung nicht ausgeschlossen. Einerseits könnte aus der Formulierung von Art 5 Nr 3 VO (EG) Nr 44/2001 („unerlaubte“ oder einer solchen „gleichgestellte“ Handlung) abgeleitet werden, dass nur Ansprüche aufgrund einer rechtswidrigen Schadenszufügung darunter fallen, nicht jedoch Ansprüche aufgrund ‑ wie hier ‑ rechtmäßigen Handelns. Andererseits könnte die Anwendung dieser Bestimmung auf Ansprüche gegen Endnutzer beschränkt sein. Denn nur diese greifen unmittelbar in Rechte der Urheber ein, während Personen, die ihnen das Trägermaterial zur Verfügung stellen (hier der Importeur), nur aus Praktikabilitätsgründen zur Zahlung des gerechten Ausgleichs verpflichtet sind. Ansprüche gegen Endnutzer bestehen nach österreichischem Recht nicht.
VI. Verfahrensrechtliches
Als Gericht letzter Instanz ist der Oberste Gerichtshof zur Vorlage verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel bleibt. Solche Zweifel liegen hier vor. Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist das Verfahren über das Rechtsmittel der Klägerin zu unterbrechen.
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