European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E116594
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die über den unterhaltspflichtigen Vater gemäß § 79 Abs 1 AußStrG verhängte Geldstraße. Der Vater weigert sich, im Unterhaltsbemessungsverfahren seines jüngeren Sohnes E* dem gerichtlichen Sachverständigen (Buchhaltungs‑)Unterlagen für die Jahre 2012 bis 2014 vorzulegen (der Vater ist freiberuflich tätig). Es sei doch bereits in dem von seiner geschiedenen Ehegattin eingeleiteten Ehegattenunterhaltsverfahren ein Gutachten eines anderen Sachverständigen eingeholt worden, welches auch dem Unterhaltsbemessungsverfahren seines älteren Sohnes L* zugrunde gelegt worden sei. Dieses Gutachten könne somit auch im vorliegenden Verfahren Verwendung finden. Da die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen erhebliche Zusatzkosten verursache, habe er berücksichtigungswürdige Gründe, der Aufforderung des Erstgerichts zur Vorlage dieser Unterlagen keine Folge zu leisten.
Die Vorinstanzen verhängten über den Vater dennoch eine zunächst nur angedrohte Geldstrafe gemäß § 79 Abs 1 AußStrG in Höhe von 200 EUR; dieser weigere sich, Unterlagen betreffend die Jahre 2012 bis 2014 dem bestellten Sachverständigen zu übermitteln. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig und führte in der Sache selbst aus, es wäre zwar zweifellos sinnvoll, ein und dieselbe Tatfrage (Einkommen und Entnahmen des Vaters) in einem Verfahren zu klären, allerdings bestehe auf Seiten der Unterhaltsberechtigten keine Parteiidentität, sodass die Unterhaltsberechtigten sich nicht an der Gutachtenserstattung und -erörterung beteiligen könnten. Dieser Umstand wäre dann kein „schlagendes Argument“ für eine mehrmalige Gutachtenseinholung, wenn die Unterhaltsberechtigten durch denselben Vertreter repräsentiert werden; „ob der diesbezügliche Verfahrensaufwand eingespart werden kann, lieg[e] indes nicht in der Disposition des Gerichts, sondern ausschließlich in der Disposition der Parteien“. Des weiteren verwies das Rekursgericht auf die unterschiedlichen Beurteilungszeiträume der Sachverständigen und den Umstand, dass sich der Vater selbst im Ehegatten- und im Unterhaltsbemessungsverfahren seines älteren Sohnes gegen eine Verwertung von Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren ausgesprochen habe. Der Vater versuche daher lediglich, den unanfechtbaren Auftrag an den Sachverständigen mittelbar zu bekämpfen.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
1. Beschwerdegegenstand bei Geldstrafen ist die Bestrafung als solche (RIS‑Justiz RS0038625, RS0004785, RS0008617). Der Entscheidungsgegenstand ist damit im Sinn des § 62 Abs 3 und 4 AußStrG nicht rein vermögensrechtlicher Natur (RIS‑Justiz RS0109789 [T16]).
2. Nach § 79 Abs 1 AußStrG hat das Gericht Verfügungen, die für den Fortgang des Verfahrens notwendig sind, gegenüber Personen, die sie unbefolgt lassen, von Amts wegen durch angemessene Zwangsmittel durchzusetzen. Voraussetzung für die Anwendung ist eine durchsetzbare Pflicht (RIS‑Justiz RS0124115). Nach der Rechtsprechung kann im außerstreitigen Verfahren die aus § 35 AußStrG iVm § 359 ZPO abzuleitende Pflicht zur Mitwirkung an einem Sachverständigenbeweis mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden (5 Ob 257/09v; 8 Ob 89/13s EF‑Z 2014/120 [Beck] = iFamZ 2014/13 [Fucik]), für Auskunftspflichten in Unterhaltssachen kann sich eine solche aus § 102 AußStrG ergeben (10 Ob 46/08z EvBl 2009/37 [Graf-Schimek] = PSR 2009/5 [Zollner]). Erachtet es das Gericht für unverzichtbar, dass eine Partei eine Urkunde vorlegt oder die Besichtigung eines in ihrer Gewahrsame befindlichen Augenscheinsgegenstands ermöglicht (§ 31 Abs 5 AußStrG), kann es gegen die Partei Zwangsmittel im Sinn des § 79 Abs 2 AußStrG anwenden, wenn die Partei der Aufforderung ohne berücksichtigungswürdigen Grund nicht Folge leistet und die Verfügung für den Fortgang erforderlich ist (8 Ob 89/13s). Ob dies der Fall ist, kann grundsätzlich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, womit regelmäßig eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0044088).
3. Die Verhängung der Geldstrafe durch die Vorinstanzen ist schon allein deshalb vertretbar, weil der Vater mit dem Argument, es „[gebe] für 2014 noch keinen Steuerbescheid [...], für 2014 [liege] selbst die Bilanz noch nicht vor“, nicht nur die Vorlage von Unterlagen für 2012 und 2013, sondern ganz grundsätzlich und damit auch für 2014 verweigerte. Dies war aber unschlüssig, wurde er doch verpflichtet, die gesamten Buchhaltungsunterlagen einschließlich der Einkommensteuererklärungen (auch) für 2014 vorzulegen. Seine Überlegungen im außerordentlichen Revisionsrekurs, das Erstgericht hätte einen Teilbeschluss fassen können, zeigen somit keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung auf.
4. Im Übrigen entspricht es allerdings herrschender Auffassung auch zum Außerstreitgesetz BGBl I 111/2013, dass im Allgemeinen der Unmittelbarkeitsgrundsatz im Außerstreitverfahren nicht gilt (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 8; RIS‑Justiz RS0006370, RS0006319; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 31 Rz 21; Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 31 Rz 4). Damit überzeugt aber die Auffassung des Rekursgerichts, das Erstgericht könnte nur mit ausdrücklicher Zustimmung aller Parteien das in einem anderen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten verwerten, nicht. Das Erstgericht wäre lediglich verhalten, dieses Gutachten mit den Parteien und dem Sachverständigen zu erörtern und den Parteien die Möglichkeit eines Ergänzungsantrags einzuräumen, wobei im Zusammenhang mit der Frage des rechtlichen Gehörs hier noch besonders zu berücksichtigen ist, dass die den minderjährigen E* vertretende Mutter ja selbst Partei in jenem Ehegattenunterhaltsverfahren gewesen ist, in welchem das Sachverständigengutachten eingeholt worden, dieses somit ihr selbst und damit ihrem Sohn ohnehin vollumfänglich bekannt ist.
Gegen eine Verwendung des im Ehegattenunterhaltsverfahren eingeholten Sachverständigen‑gutachtens bestünden somit grundsätzlich keine Bedenken; die Vorinstanzen haben auch keinerlei Umstände aufgezeigt, weshalb dieses Gutachten unter qualitativen Gesichtspunkten einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht zugrunde gelegt werden könnte. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach den von den Gerichten einzuhaltenden Grundsatz der Verfahrensökonomie betont (vgl bloß RIS‑Justiz RS0097416 [T2]; 1 Ob 154/99z; 7 Ob 120/03b). Gegen diesen wird jedoch verstoßen, wenn in mehreren Unterhaltsbemessungsverfahren gegen denselben Unterhaltspflichtigen denselben Bemessungszeitraum betreffend ohne Grund mehrere verschiedene Sachverständigengutachten eingeholt werden, stellt dies doch nicht nur eine finanzielle Belastung der beteiligten Parteien, sondern unter Umständen auch der öffentlichen Hand dar, sollte etwa einem Beteiligten Verfahrenshilfe für die Sachverständigengebühren gewährt werden.
Daran würde grundsätzlich auch der Umstand nichts ändern, dass – worauf die Vorinstanzen hingewiesen haben – das im Geschiedenenunterhaltsverfahren eingeholte Gutachten den Zeitraum 2008 bis 2013 erfasste, während es im vorliegenden Verfahren um den Zeitraum 2012 bis 2014 geht. Eine verfahrensökonomische Vorgehensweise des Erstgerichts würde bedeuten, lediglich eine Ergänzung des ursprünglichen Gutachtens um das Jahr 2014 in Auftrag zu geben und nicht die Gutachtenserstellung für 2012 und 2013 wiederholen zu lassen.
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