OGH 12Os112/16m

OGH12Os112/16m4.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Armin S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, 12 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 26. Juli 2016, GZ 18 Hv 15/16a‑260, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00112.16M.1104.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Genannten enthält, wurde Armin S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, 12 zweiter Fall StGB (A./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B./) sowie des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall und Abs 2 SMG (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er in B***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Kokain (Wirkstoff: Cocain).

A./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus den Niederlanden aus‑ und auf einem unbekannten Weg nach Österreich eingeführt, indem er einen nicht mehr ausforschbaren Kurier zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 6. Oktober 2015 dazu bestimmte, in seinem Auftrag zumindest 1.590,57 Gramm netto Kokain (darin enthalten zumindest 1.067 Gramm Cocain‑Base; durchschnittlich 67,08 % Reinheitsgehalt) auf einer im Detail nicht mehr feststellbaren Route von R***** nach B***** zu bringen;

B./ im Zeitraum März bis 6. Oktober 2015 Friedrich O*****, Pascal H***** und Albert T***** in mehreren Übergaben eine nicht mehr feststellbare, jedoch das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls übersteigende Menge (zumindest 747 Gramm Kokain [beinhaltend zumindest 448 Gramm reine Cocain‑Base]) vorschriftswidrig überlassen;

C./ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum bis zum 6. Oktober 2015, indem er von dem zu A./ genannten Kokain 1.333,87 Gramm netto in seiner Wohnung und 9,7 Gramm netto in dem von ihm betriebenen Lokal (insgesamt daher 1.343,57 Gramm netto Kokain, darin enthalten insgesamt 904 Gramm Cocain‑Base; durchschnittlicher Reinheitsgehalt von 67,28 %) zum gewinnbringenden Überlassen an Abnehmer bereithielt, in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge vorschriftswidrig mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt:

Der Verfahrensrüge (Z 4), die – offenbar mit Blick auf die Vernehmung des Angeklagten (ON 259 S 7) – das Unterbleiben der Einvernahme des Zeugen Milan J***** kritisiert, mangelt es schon deshalb an der Legitimation, weil der Beschwerdeführer die (für eine erfolgversprechende Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderliche) Antragstellung in der Hauptverhandlung unterlassen hat (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 302).

Die Tatrichter haben sowohl die Verantwortung des Angeklagten, wonach nicht er, sondern ein namentlich nicht genannter Dritter Albert T***** das Kokain gegeben habe, als auch die – diese Einlassung bestätigende – Aussage des Albert T***** gewürdigt und dargelegt, weshalb sie diesen Bekundungen keine Glaubwürdigkeit zubilligten (US 8 ff). Dieser den Verfahrensresultaten zuerkannte Beweiswert ist einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS‑Justiz

RS0106588).

Inwieweit das – ohne korrekten Aktenbezug (vgl RIS‑Justiz RS0124172) ins Treffen geführte – Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchung (vgl ON 158, 165 [das Rechtsmittel spricht irrig von „ON 141“]), wonach sich auf einer untersuchten Suchtgiftpackung keine biologischen Spuren des Angeklagten fanden, entscheidungswesentlichen Konstatierungen erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen sollte, macht die Beschwerde nicht deutlich, sondern zieht – wie mit der Kritik, das Gericht habe „nicht begründet, wieso es Feststellungen zum Verkauf trifft, aber bei der Hausdurchsuchung kein größerer Geldbetrag gefunden wurde“ – bloß unzulässig die Beweiswürdigung des erkennenden Senats in Zweifel. Dass dem Nichtigkeitswerber die erstgerichtliche Argumentation bei der Lösung von Tatfragen (§ 285 Abs 2 StPO) nicht überzeugend genug erscheint, stellt kein Heranziehen von „abstrakt gehaltenen Vermutungen“ (Z 5 vierter Fall) dar (RIS‑Justiz RS0098362, RS0098471).

Mit der schlichten Infragestellung der Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte zumindest 1.590,57 Gramm Kokain samt Lieferung von R***** nach B***** bestellte, wobei weder die Person des holländischen Dealers noch der Transporteur und die genaue Schmuggelroute feststellbar ist (US 4 und 7), verfehlt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810).

Dass grenzüberschreitender Suchtgifthandel in der Variante der Ein‑ und Ausfuhr (§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG; A./) den mit Beziehung auf dasselbe Suchtgift mit Überlassungsvorsatz ausgeübten Besitz im Inland (§ 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG; C./) „bereits beinhalten“ sollte (vgl aber: RIS‑Justiz RS0111410, RS0118871), behauptet die Subsumtionsrüge (Z 10; der Sache nach Z 9 lit a) bloß, ohne dies methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116565).

Die Sanktionsrüge (Z 11) moniert das Außerachtlassen von (aus ihrer Sicht berücksichtigungs-würdigen) Milderungsaspekten und spricht damit bloß ein Berufungsvorbringen an.

Zu der auf § 26 Abs 1 StGB gestützten Einziehung einer „verschraubbaren Dose“, einer „Suchtgiftwaage“ sowie eines „Schnupfröhrchens“ (US 3) bleibt zu bemerken, dass die bloße Aufzählung der von der Maßnahme betroffenen Gegenstände im Urteilsspruch (US 3) zur Fundierung der Einziehungsvoraussetzungen– insbesondere einer aus der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände resultierenden Deliktstauglichkeit – keineswegs ausreicht (RIS‑Justiz RS0121298). Mit Blick auf die vorliegende Einverständniserklärung des Angeklagten zur Vernichtung dieser Gegenstände (ON 259 S 9) ist aber ein daraus resultierender Nachteil iSd § 290 Abs 1 StPO, der Anlass zur amtswegigen Wahrnehmung des Rechtsfehlers gäbe (RIS‑Justiz RS0088201 [T11 und 14]), auszuschließen.

Bemerkt wird, dass das Erstgericht die Konfiskation des Samsung Tablets ohne Vorliegen der dafür erforderlichen Tatsachengrundlage („irrtümlich“) aussprach (US 11 und 12) und in Ansehung der weiteren, von dieser Maßnahme betroffenen Gegenstände die insofern – zwingend vorgesehene (§ 19a Abs 2 StGB) – Verhältnismäßigkeits-prüfung unterlassen hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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