OGH 4Ob117/16h

OGH4Ob117/16h25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Piaty Müller‑Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 33.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 7. April 2016, GZ 5 R 40/16s‑30, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Februar 2016, GZ 39 Cg 130/15i‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00117.16H.1025.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung zu lauten hat:

„Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils geboten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, das Produkt 'OMNi‑BiOTiC MIGRAene' ohne Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz mit den auf eine Arzneimittelwirkung hinweisenden und irreführenden Angaben 'OMNi‑BiOTiC MIGRAene', 'einfach wieder lächeln – trotz Migräne', 'reduziert Intensität und Häufigkeit von Migräne', 'zur Behandlung von Migräne und starken Kopfschmerzen' und 'OMNi‑BiOTiC MIGRAene hat bewiesen, dass es auf natürliche Weise sowohl Intensität als auch Dauer von Migräneattacken reduziert und die Schmerzmittelmenge nachhaltig gesenkt werden kann' und 'verbessert seelische Verstimmungszustände' oder mit sinngleichen Äußerungen anzukündigen, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu bringen.

Die einstweilige Verfügung ist wirksam, sobald die klagende Partei die Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 EUR erlegt hat.

Die klagende Partei hat die Kosten dieses Sicherungsverfahrens vorläufig selbst zu tragen.“

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses sowie die Hälfte der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Die Klägerin hat die Hälfte der Kosten ihres Rekurses sowie ihres Revisionsrekurses einstweilen und die Hälfte dieser Kosten endgültig selbst zu tragen und ist weiters schuldig, der Beklagten die mit 574,49 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 95,75 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin beschäftigt sich unter anderem mit der Herstellung und dem Vertrieb von Arzneimitteln, etwa auch einem rezeptfreien Arzneimittel, das unter anderem zur Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne zugelassen ist.

Die Beklagte erzeugt und vertreibt unter anderem das nicht als Arzneimittel zugelassene Produkt „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“.

Am 19. 9. 2015 warb die Beklagte im wöchentlich erscheinenden Frauenmagazin „Madonna“ mit den Aussagen „Einfach wieder lächeln – trotz Migräne“. „OMNi‑BiOTiC MIGRAene reduziert Intensität und Häufigkeit von Migräne natürlich aus dem Bauch heraus – ohne unerwünschte Effekte“.

In der Kronen Zeitung vom 13. 9. 2015 warb die Beklagte mit der Aussage „Einfach wieder lächeln – trotz Migräne“ sowie damit, dass in Studien bewiesen worden sei, dass mit dem in den österreichischen Apotheken erhältlichen „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ auf natürliche Weise sowohl die Intensität als auch die Dauer der Migräneattacken reduziert und die Schmerzmittelmengen nachhaltig gesenkt werden können.

In der Apothekerkrone vom 11. 9. 2015 warb die Beklagte für ihr Produkt mit der Aussage „Einfach wieder lächeln – trotz Migräne“ und schrieb dem Produkt zu, dass es zu einer signifikanten Reduktion von Intensität und Häufigkeit von Migräne führe und seelische Verstimmungszustände verbessere.

In der Kleinen Zeitung vom 12. 9. 2015 bewarb die Beklagte ihr Produkt mit der Aussage „Einfach wieder lächeln – trotz Migräne“ und schrieb ihm zu, dass es die Intensität und Häufigkeit von Migräne reduziere.

Diese Werbungen waren im Einzelnen wie folgt gestaltet:

„Madonna vom 19. September 2015, S 51:

 

 

 

 

„Krone Bunt“ vom 13. September 2015:

„Apothekerkrone vom 11. September 2015, S 33:

„Kleine Zeitung“ vom 12. September 2015, S 57:

 

(Auszüge aus Madonna, Kronen Zeitung, Apothekerkrone und Kleine Zeitung Beilagen ./D, ./E, ./F und ./G).

Die Verpackungen des Produkts OMNi‑BiOTiC MIGRAene ist wie folgt gestaltet:

(Verpackungsfotografie Beilage ./27 bzw in Beilage ./D).

Neben dem Produktnamen „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ sind unter anderem folgende Informationen aufgedruckt: „Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät). Zur diätetischen Behandlung von Migräne und starker Kopfschmerzen (zur Reduktion von Intensität und Häufigkeit) sowie von seelischen Verstimmungszuständen.“

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin zuletzt, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, das Produkt „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ ohne Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz mit den auf eine Arzneimittelwirkung hinweisenden und/oder irreführenden Angaben „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ und/oder „einfach wieder lächeln – trotz Migräne“ und/oder „reduziert Intensität und Häufigkeit von Migräne“ und/oder „zur Behandlung von Migräne und starken Kopfschmerzen“ und/oder „OMNi‑BiOTiC MIGRAene hat bewiesen, dass es auf natürliche Weise sowohl Intensität als auch Dauer von Migräneattacken reduziert und die Schmerzmittelmenge nachhaltig gesenkt werden kann“ und/oder „verbessert seelische Verstimmungszustände“ und/oder sinngleichen Äußerungen anzukündigen, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu bringen. Mit diesen Angaben bewerbe die Beklagte ihr Produkt, überdies mit dem Hinweis „wissenschaftlich geprüft“ und mit dem werblichen Hinweis, das Produkt sei in der Apotheke erhältlich. Das Produkt sei aber nicht nach § 7 AMG als Arzneimittel zugelassen. Die für diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) in Anspruch genommenen Wirkungen seien durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen, was die Beklagte aber nicht getan habe. Da die Beklagte ihr Produkt aufgrund der Werbeaussagen und des Produktnamens als Arzneimittel präsentiere, sei dieses als solches zu beurteilen. Die Beklagte handle rechtswidrig, weil sie das Präsentationsarzneimittel ohne Zulassung nach dem AMG auf den Markt gebracht habe; überdies sei gemäß § 50a AMG die Werbung dafür unzulässig. Sie handle darüber hinaus auch irreführend im Sinn des § 2 UWG, weil sie dem Präsentationsarzneimittel eine Wirkung beimesse, die nicht hinreichend belegt sei. Überdies sei es unzulässig, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben, was einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreibe oder den Eindruck dieser Eigenschaft entstehen lasse.

Die Beklagte wendete ein, dass die Wirkungsweise ihres Produkts durch vier wissenschaftlich anerkannte Studien bestätigt werde. Es handle sich um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und erfülle sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen für diese Einordnung. Die Tatsache, dass ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke auch Wirkungen aufweisen könne, die unter die Definition des Arzneimittels nach § 1 Abs 1 AMG fielen, führe nicht automatisch zur Einstufung des Produkts auch als Arzneimittel. Überdies bestehe die Pflicht, bei der Kennzeichnung der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke den Hinweis „zur diätetischen Behandlung von ...“ ergänzt durch die Krankheit, Störung oder Beschwerde, für die das Erzeugnis bestimmt sei, anzuführen. Eine derartige Pflichtkennzeichnung dürfe nicht zur Einordnung als Präsentationsarzneimittel führen. Da es sich beim Produkt der Beklagten um eine bilanzierte Diät handle, sei nur zu prüfen, ob die für die bilanzierte Diät angegebenen Wirkungsweisen wissenschaftlich belegt seien und die von der Beklagten vorgelegten Nachweise diesem Maßstab genügten. Dies sei der Fall. Schließlich sei das Vorgehen der Beklagten jedenfalls vertretbar. Überdies biete die Beklagte an, die Ankündigung, den Vertrieb und das sonstige Inverkehrbringen ihres Produkts ohne Zulassung nach dem AMG ohne den Hinweis, dass es sich um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) handle, zu unterlassen.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag der Klägerin insoweit statt, als es der Beklagten gebot, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, ihr Produkt ohne Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz mit den auf eine Arzneimittelwirkung hinweisenden und irreführenden Angaben „einfach wieder lächeln – trotz Migräne“, „reduziert Intensität und Häufigkeit von Migräne“, „zur Behandlung von Migräne und starken Kopfschmerzen“ und „OMNi‑BiOTiC MIGRAene hat bewiesen, dass es auf natürliche Weise sowohl Intensität als auch Dauer von Migräneattacken reduziert und die Schmerzmittelmenge nachhaltig gesenkt werden kann“ und „verbessert seelische Verstimmungszustände“ oder mit sinngleichen Äußerungen anzukündigen, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu bringen. Das Mehrbegehren, der Beklagten werde außerdem geboten, es zu unterlassen, ihr Produkt ohne Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz mit der auf eine Arzneimittelwirkung hinweisenden und/oder irreführenden Angabe „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ oder mit sinngleichen Äußerungen anzukündigen, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in den Verkehr zu bringen, wies es hingegen ab. Die Beklagte schreibe ihrem Produkt Eigenschaften zu, die bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher den Eindruck erweckten, ihr Produkt könne Kopfschmerzen und seelische Verstimmungszustände heilen, lindern oder verhüten. Unterstützt werde der Eindruck auch durch den Hinweis auf die Erhältlichkeit in Apotheken. Die Eigenschaften, die die Beklagte dem Produkt zuschreibe, gingen weit über die Angabe „zur diätetischen Behandlung von ...“ und die Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das diätetische Lebensmittel seine Zweckdienlichkeit verdanke, hinaus. Es werde ihm unterstellt, dass es heilende, lindernde oder verhütende Wirkung im Hinblick auf die Krankheiten oder krankhaften Beschwerden habe, an denen die Patienten leiden, die allenfalls einer speziellen Ernährung bedürften. Da das Produkt als Präsentationsarzneimittel im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 AMG einzustufen sei, sei es auch ausschließlich nach arzneimittelrechtlichen Normen zu beurteilen. § 7 AMG verbiete das Abgeben oder Bereithalten von Arzneispezialitäten im Inland, wenn sie nicht nach dem AMG zugelassen seien. Durch die Produktbezeichnung „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ allein werde aber keine Arzneimitteleigenschaft unterstellt. Nur weil ein Produktname eine Krankheit enthalte, bedeute das noch nicht, dass mit diesem Produkt auch Krankheiten geheilt, gelindert oder ihnen vorgebeugt werden solle. Insoweit liege kein Verstoß gegen das AMG vor. Da die Klägerin ohne Zulassung ein Präsentationsarzneimittel vertreibe und bewerbe, begehe sie einen Rechtsbruch im Sinn des § 1 UWG. Die Verstöße gegen das AMG beruhten auch nicht auf einer vertretbaren Rechtsansicht. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen, weil das Anbot, die Ankündigung, den Vertrieb oder das sonstige Inverkehrbringen des Produkts ohne Zulassung nach dem AMG ohne den Hinweis, dass es sich um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke handle, zu unterlassen, mit dem Begehren der Klägerin, der Beklagten zu verbieten, ihr Produkt ohne AMG‑Zulassung als Präsentationsarzneimittel in Verkehr zu bringen und zu bewerben, nichts zu tun habe. Da der Vollzug der einstweiligen Verfügung sehr erheblich in die Geschäftstätigkeit der Beklagten eingreifen werde, sei eine Sicherheitsleistung für mögliche Schadenersatzansprüche der Klägerin in Höhe von 20.000 EUR angemessen.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurse beider Parteien die erstgerichtliche einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei. Weder die von der Beklagten behauptete Nichtigkeit noch die gerügte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens liege vor. Die erstgerichtliche rechtliche Beurteilung des von der Beklagten in Verkehr gebrachten Produkts als Präsentationsarzneimittel treffe zu. Die beanstandeten werblichen Angaben gingen weit über die für diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bestehenden Kennzeichnungsvorschriften hinaus. Da sich das Unterlassungsbegehren ausschließlich auf eine (unzulässige) Bewerbung des Produkts als Arzneimittel, soweit keine Zulassung nach dem AMG vorliege, beschränke und die Irreführung schon deshalb zu bejahen sei, weil die Angaben den Verbrauchern gegenüber suggerieren, das Produkt verfüge über eine geeignete Zulassung als Arzneimittel, seien die Angaben inhaltlich im Hinblick auf die Irreführung nicht weiter zu prüfen gewesen. Die Beklagte habe zwar im Verfahren einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich angeboten, dieser habe allerdings nicht in allen Punkten dem berechtigten Sicherungsbegehren Rechnung getragen. Der Beklagten sei es daher nicht gelungen, den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu bescheinigen. Die von der Beklagten für die Erhöhung der Sicherheitsleistung ins Treffen geführten Argumente bezögen sich auf Umstände, die erst nach der erstinstanzlichen Entscheidung eingetreten seien. Diese könnten allenfalls eine nachträgliche Erhöhung der Sicherheitsleistung durch das Erstgericht rechtfertigen, nicht aber eine Korrektur der erstinstanzlichen Entscheidung. Die erstgerichtliche Bemessung aufgrund des erstinstanzlichen Vorbringens sei aber nicht zu beanstanden.

Wenn die Klägerin geltend mache, dass die explizit beanstandeten Werbeäußerungen nicht nur insoweit irreführend seien, als sie dem Produkt der Beklagten fälschlicherweise eine Arzneimitteleigenschaft zuschreiben, sondern auch inhaltlich, sei ihr entgegenzuhalten, dass eine inhaltliche Prüfung der gesundheitsbezogenen Angaben der Beklagten und deren wissenschaftlicher Nachweis nicht erforderlich gewesen sei, weil die beanstandete Irreführung schon im Hinblick darauf zu bejahen sei, dass dem Produkt der Beklagten eine Arzneimitteleigenschaft zugeschrieben werde, obwohl das Produkt über keine Zulassung als Arzneimittel verfüge. Zu prüfen sei nur der Rechtsbruch und die Irreführung im Hinblick darauf gewesen, dass die Beklagte das Produkt, ohne dass es über eine Zulassung nach dem AMG verfüge, als Arzneimittel bewerbe oder vertreibe und dadurch das Publikum irregeführt werde. Der Sicherungsantrag der Klägerin ziele ausschließlich darauf ab, dass die Beklagte ihr Produkt als Präsentationsarzneimittel in Verkehr bringe, obwohl es über keine Zulassung nach dem AMG verfüge. Es lasse sich in Ansehung der beanstandeten Angaben unter dem Aspekt der Irreführung aus dem Klagevorbringen nicht ableiten, dass die Irreführung über die zu Unrecht behauptete Arzneimitteleigenschaft hinausgehend auch in Bezug auf die Wirkungsweise des Produkts gegeben wäre. Die vom Erstgericht zur Verdeutlichung vorgenommene Streichung des Wortes „oder“ sei zwar nicht erforderlich gewesen, zur Verdeutlichung aber durchaus sinnvoll. Überdies habe das Erstgericht die Produktbezeichnung jedenfalls vertretbar dahin ausgelegt, dass diese ohne weitere Angaben beim durchschnittlich informierten Verbraucher nicht den Eindruck erwecke, dass das Produkt der Beklagten Arzneimitteleigenschaft hätte oder dass es sich dabei um ein Arzneimittel handle. Würde auch die Verwendung der Produktbezeichnung allein (ohne die übrigen beanstandeten – in Stattgebung des Sicherungsbegehrens auch verbotenen – auf eine Arzneimittelwirkung hinweisenden Angaben) untersagt, würde der Vertrieb des Produkts auch dann (unzulässiger Weise) verboten, wenn die Beklagte die für diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) erforderlichen Hinweise (und nur diese) gibt.

Gegen die Bestätigung der teilweisen Abweisung des Sicherungsbegehrens richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die gänzliche Stattgebung ihres Sicherungsbegehrens anstrebt.

Gegen die Bestätigung der erstgerichtlichen einstweiligen Verfügung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die gänzliche Abweisung des Sicherungsbegehrens, hilfsweise die Erhöhung der der Klägerin auferlegten Sicherheitsleistung anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und teilweise auch berechtigt; der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht zulässig.

Zum Revisionsrekurs der Beklagten:

Gemäß § 1 Abs 1 AMG, der in Umsetzung von Art 1 Nr 2 der Richtlinie 2001/83/EG eingeführt wurde, sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Es gibt daher zwei Gruppen von Arzneimitteln, nämlich jene, die wegen ihrer tatsächlichen Funktion Arzneimittel sind, und solche, die so eine Funktion zwar nicht haben, nach der Aufmachung des Produkts aber zu haben vorgeben (Präsentationsarzneimittel; RIS‑Justiz RS0126741). Für die Annahme eines Arzneimittels genügt schon die subjektive Zweckbestimmung (RIS‑Justiz RS0051450). Dafür ist maßgebend, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Angaben zum Produkt auffassen (EuGH C‑319/05 , Knoblauchkapseln [Rz 46 f]), nicht dagegen, wie sie der Werbende verstanden wissen wollte. Es sind die zur Beurteilung von Werbeankündigungen nach § 2 UWG entwickelten Grundsätze heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0051461), insbesondere auch die Unklarheitenregel (4 Ob 213/06m; 4 Ob 22/04w; 4 Ob 5/00i). Der Eindruck kann zwar auch schlüssig, muss aber mit Gewissheit entstehen (EuGH C‑319/05 , Rz 46; 4 Ob 141/02t). Auch Präsentationsarzneimittel sind grundsätzlich den Bestimmungen des AMG zur Gänze unterworfen (RIS‑Justiz RS0051393, RS0051388). Sie dürfen insbesondere nach § 7 Abs 1 AMG im Inland nicht ohne Zulassung abgegeben oder zur Abgabe bereit gehalten werden.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in zwei Entscheidungen klargestellt, dass ein und dasselbe Produkt nicht gleichzeitig als Präsentationsarzneimittel und als Lebensmittel (für besondere medizinische Zwecke) beurteilt werden kann. Wird ein Stoff als Arzneimittel im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 AMG auf den Markt gebracht, unterliegt er ausschließlich den Bestimmungen des Arzneimittelrechts (Art 3 Abs 2 lit d Basis VO; 4 Ob 76/15b, Cranberry Complex; 17 Ob 14/10y, relaxx.at).

Entgegen den Revisionsrekursausführungen ergibt sich auch aus der VO 609/2013/EU nichts anderes, bestimmt diese doch in Art 9 Abs 5 ausdrücklich, dass Kennzeichnung und Aufmachung der in Art 1 Abs 1 genannten Lebensmittel sowie die Werbung dafür diesen Erzeugnissen keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaft erwecken dürfen.

Das vom Erstgericht erlassene und vom Rekursgericht bestätigte einstweilige Verbot, das Produkt „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ ohne Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz mit verschiedenen näher genannten, auf eine Arzneimittelwirkung hinweisenden und irreführenden Angaben oder mit sinngleichen Äußerungen anzukündigen, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu bringen, beruht daher auf keiner vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung, zumal die beanstandeten Zuschreibungen eine Werbung mit konkreter Heil‑ und Präventionswirkung sind und demgemäß entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung vom Vorliegen eines Präsentationsarzneimittels ausgegangen wurde.

Die Produktverpackung selbst weist – durch die gewählte Schriftgröße und graphische Anordnung hinreichend deutlich – die Bezeichnung „diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät)“ sowie den weiteren ebenfalls deutlichen Hinweis „zur diätetischen Behandlung der Migräne und starker Kopfschmerzen ...“ auf. Der durch die Produktverpackung hervorgerufene Gesamteindruck für den verständigen Verbraucher mit dem Produkt angepasster Aufmerksamkeit entspricht wohl nicht einem Präsentationsarzneimittel, muss doch – wenn auch schlüssig – mit Gewissheit der Eindruck entstehen, es liege ein Arzneimittel vor.

Mit Blick auf die weiteren beanstandeten Werbeeinschaltungen kann sich die Beklagte aber nicht darauf berufen, mit dem Hinweis auf das diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke den sonst durch die Inseratgestaltung hervorgerufenen Eindruck beseitigt zu haben, es handle sich beim beworbenen Produkt um ein Arzneimittel. Es ist zwar jeweils die Verpackung abgebildet, damit auch der dort aufgedruckte Text, dies aber entsprechend dem vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt (entsprechend den von den Parteien vorgelegten Unterlagen) so verkleinert, dass dieser textliche Hinweis völlig untergeht oder gar nicht lesbar ist. Dies gilt auch für den fußnotenartigen Hinweis im Zusammenhang mit dem ebenfalls in Kleindruck wiedergegebenen Hinweis auf das Herstellungsunternehmen.

Die Bezeichnung als „diätetisches Lebensmittel“ wäre als aufklärender Hinweis nur dann geeignet, den Eindruck medizinischer Zweckbestimmung zu verhindern, wenn ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, den Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird (RIS‑Justiz RS0118488).

Im Hinblick auf die als bescheinigt angenommene Werbung ist die Beurteilung der Vorinstanzen, das beantragte Verbot sei im Hinblick auf das Vorliegen eines Präsentationsarzneimittels mangels Zulassung als Arzneimittel gerechtfertigt, daher als vertretbar zu beurteilen. Es ist – entgegen den Revisionsrekursausführungen – nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, Anleitungen für die Gestaltung von Produktwerbung für diätetische Lebensmittel zu geben. Da zumindest ein Teil der beanstandeten Werbung eindeutig den Eindruck eines Arzneimittels und gerade nicht eines diätetischen Lebensmittels erweckt, bedarf es keiner allgemeinen weitergehenden Erörterung möglicher Abgrenzungskriterien zwischen Arzneimittel und diätetischem Lebensmittel.

Sowohl was die Beurteilung der (als gegeben angesehenen) Wiederholungsgefahr als auch was die Höhe der auferlegten Sicherheit anlangt, macht die Beklagte keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO geltend. Auf von der zweiten Instanz verneinte Nichtigkeiten oder Verfahrensmängel ist in dritter Instanz von vornherein nicht einzugehen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Zum Revisionsrekurs der Klägerin:

In Ansehung der konkreten Auslegung des Parteienvorbringens und der darauf aufbauenden verdeutlichenden Fassung des Unterlassungsgebots („und“ statt „und/oder“) ist die Auffassung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden (§ 510 Abs 3 iVm § 238a ZPO).

Die Klägerin rügt aber zu Recht, dass bereits der Produktname „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ auf eine Arzneimittelwirkung hinweist, weil er suggeriert, das Präparat habe eine heilende oder lindernde Wirkung im Bezug auf diese mit dem Produktnamen eindeutig angesprochene Erkrankung.

Der zumindest schlüssige Eindruck einer heilenden Wirkung im Sinn eines Präsentationsarzneimittels wird nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der Darreichungsform als Brause und dem Apothekenvertrieb bewirkt.

Darüber hinaus steht die gegenteilige Beurteilung der Vorinstanzen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach ein Produktname, jedoch immer in Verbindung mit der Produktaufmachung und allen anderen Umständen des Einzelfalls, Arzeimittelwirkung anzeigen kann, wenn er die Krankheitsbezeichnung prominent herausstellt (4 Ob 301/86 für „Rheumatee“, „Gichttee“ und „Blutdrucktee“; vgl 4 Ob 340/86; 4 Ob 131/86 „Brusttee“). Dies entspricht auch der Auffassung im Schrifttum (Ciresa, Arzneimittelwerberecht, Rz 67; Schnall in Streinz, Lebensmittelrecht‑Handbuch Rz 365a; Doepner/Hüttebräuker in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, § 3 Rn 35; Rauer, Kosmetikwerbung und der schmale Grat hin zum Präsentationsarzneimittel, PharmR 2014, 509 [512]; Delewski, Die Entwicklung des Nahrungsergänzungsmittelrechts in den letzten Jahren, LmUR 2010, 1 [5], je mwN).

Der maßgebliche von der beanstandeten Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher versteht „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ – unabhängig von der Schreibweise des Wortes Migräne abwechselnd mit Groß‑ und Kleinbuchstaben – im Zusammenhang mit der Darreichungsform als Brause und dem Apothekervertrieb als (wie auch immer hergestelltes und chemisch zusammengesetztes) Produkt, das Migräne oder allgemein Kopfschmerzen entgegen wirkt. Dieses Verständnis wird noch unterstützt durch den abgebildeten Kopf mit einer stilisierten Gewitterwolke, welche Abbildung zusätzlich auf einen heilenden oder lindernden Effekt hinweist. Damit erweckt die konkrete Produktbezeichnung zumindest schlüssig den Eindruck einer heilenden Wirkung.

Das von den Vorinstanzen ausgesprochene einstweilige Verbot, das Produkt „OMNi‑BiOTiC MIGRAene“ ohne Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz anzukündigen, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu bringen, ist daher auch auf die Verwendung des Produktnamens selbst auszudehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Die Klägerin ist im Rechtsmittelverfahren mit ihren Abänderungsbegehren lediglich zur Hälfte erfolgreich gewesen.

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