OGH 1Ob107/16s

OGH1Ob107/16s27.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** GmbH & Co KG, *****, 2. E***** GmbH & Co KG, *****, beide vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei G*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch DDr. Harald Schröckenfuchs, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.435.774,43 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 401.828.43 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. März 2016, GZ 4 R 180/15w‑14, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 26. März 2015, GZ 20 Cg 36/14z‑10, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00107.16S.0927.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 3.445,74 EUR (darin enthalten 574,29 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Bürogebäude und beauftragte die als „ARGE [...]“ auftretenden klagenden Gesellschaften im Zuge der Generalsanierung des Gebäudes mit Heizungs‑, Klima‑, Lüftungs‑ und Sanitärarbeiten („HKLS‑Arbeiten“), mit Elektroarbeiten sowie Mess‑, Steuerungs‑ und Regelungstechnik‑Arbeiten („MSRT‑Arbeiten“). Die Auftragssumme betrug netto 2.365.000 EUR. Gegen Rechnungslegung sollten auf den vereinbarten Betrag Abschlagszahlungen erfolgen. Sowohl für die Abschlagszahlungen als auch für die Bezahlung der Schlussrechnung wurde ein Zahlungsziel von 30 Tagen vereinbart, wobei der Beklagten für die Schlussrechnung eine Prüffrist von 60 Tagen eingeräumt wurde. Die Streitteile vereinbarten, dass von den Abschlagszahlungen ein Deckungsrücklass von 10 % und von der Schlussrechnung ein Haftungsrücklass von 5 % der Bruttoauftragssumme einbehalten und der Haftungsrücklass durch eine Bankgarantie abgelöst werden kann. Im Zuge der Erbringung der beauftragten Leistungen erteilte die Beklagte den klagenden Gesellschaften Zusatzaufträge.

Mit der Teilschlussrechnung Nr 2000/13/420501 stellten die klagenden Gesellschaften der Beklagten für den Zeitraum 1. 4. 2012 bis 30. 4. 2013 einen Betrag von 526.324,41 EUR netto (brutto 631.589,29 EUR) in Rechnung. Diese Teilschlussrechnung wurde von einem technischen Büro fachlich und rechnerisch geprüft und mit einer Nettosumme von 1.835.305,50 EUR (vor Abzug der bereits geleisteten Zahlungen von 1.352.404,46 EUR) freigegeben. Die Beklagte bezahlte diesen Rechnungsbetrag nicht.

Mit Schreiben vom 15. 10. 2013 erhoben die klagenden Gesellschaften gegenüber der Beklagten ein Sicherstellungsbegehren gemäß § 1170b ABGB. Ausgehend von einer Auftragssumme von insgesamt 3.445.571,81 EUR und bis dahin empfangener Zahlungen von 2.251.205,44 EUR errechneten sie ein ausständiges Entgelt von 1.393.336,37 EUR. Als Sicherstellung begehrten sie ein Fünftel des insgesamt auf die beauftragten Leistungen entfallenden Entgelts, somit einen Betrag von 689.114,36 EUR bis längstens 11. 11. 2013. Sie teilten mit, dass bei nicht fristgerechter bzw ordnungsgemäßer Entsprechung vorerst keine weiteren Leistungen erbracht werden würden. Die Beklagte entsprach diesem Sicherstellungsbegehren nicht.

Mit weiterem Schreiben vom 12. 11. 2013 gaben die klagenden Gesellschaften der Beklagten bekannt, ab sofort keine weiteren Leistungen zu erbringen und setzten ihr für die Leistung des Sicherstellungsbetrags eine Frist bis 19. 11. 2013. Sie gaben bekannt, dass bei nicht fristgerechter bzw ordnungsgemäßer Leistung der Sicherstellung die Vertragsaufhebung erklärt werden könne. Die Beklagte leistete die begehrte Sicherstellung auch nicht innerhalb der ihr gesetzten Nachfrist.

Am 27. 11. 2013 erklärten die klagenden Gesellschaften gegenüber der Beklagten die Aufhebung des mit Auftragsschreiben vom 29. 2. 2012 (unterzeichnet am 5. 3. 2012) abgeschlossenen Vertrags einschließlich aller Nachtragsaufträge mit sofortiger Wirkung.

Mit Schreiben vom 6. 2. 2015 gab ein österreichisches Bankinstitut im Auftrag der klagenden Gesellschaften gegenüber der Beklagten eine als „Garantie für Haftrücklass“ bezeichnete Erklärung ab, die der Beklagten spätestens bis 14. 2. 2015 zugegangen ist. Darin verpflichtet sich das Bankinstitut gegenüber der Beklagten unwiderruflich, über erste schriftliche Aufforderung, die die Behauptung enthalten müsse, dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten sei, unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Prüfung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses den ihr gegenüber namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch 174.397,49 EUR, innerhalb von fünf Bankarbeitstagen auf ein ihr genanntes Konto zu überweisen.

Die klagenden Gesellschaften begehren von der Beklagten 1.435.744,43 EUR sA. Unter Berücksichtigung erteilter Zusatzaufträge habe die Gesamtauftragssumme 3.487.949,87 EUR betragen. Da die Beklagte ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei, hätten sie gemäß § 1170b ABGB den Rücktritt vom Hauptauftrag und den Zusatzaufträgen erklärt. Bis zum Vertragsrücktritt hätten sie sämtliche Arbeiten und Leistungen ordnungsgemäß und mängelfrei erbracht. Der Haftrücklass sei durch eine Bankgarantie vom 6. 2. 2015 über 174.397,49 EUR abgelöst worden. Aus der Teilschlussrechnung vom 30. 4. 2013 und aus der Schlussrechnung vom 30. 11. 2013 schulde die Beklagte insgesamt 1.435.744,43 EUR.

Die Beklagte wendete ein, die klagenden Gesellschaften hätten das Sicherstellungsbegehren rechtsmissbräuchlich erhoben, um sich ihrer Verpflichtung zur vollständigen Erfüllung des Vertrags und der Haftung für die mangelhafte Vertragserfüllung zu entledigen. Die von ihnen errichtete Anlage funktioniere nach wie vor nicht ordnungsgemäß; Mängelbehebungsversuche seien erfolglos gewesen. Die klagenden Gesellschaften seien verpflichtet gewesen, für die Dauer des Bauvorhabens eine Versicherung über mindestens 2.500.000 EUR aufrecht zu erhalten und der Beklagten eine entsprechende Versicherungsbestätigung zu überreichen. Dieser Verpflichtung seien sie nicht nachgekommen. Die mit Schlussrechnung geforderten Beträge seien daher nicht fällig. Die klagenden Gesellschaften hätten die beauftragten Arbeiten nicht vollständig erbracht, sodass die ursprüngliche Auftragssumme zu reduzieren sei. Wegen der vertragswidrigen und mangelhaften Ausführung der beauftragten Arbeiten stünden ihr (im Einzelnen angeführte und ziffernmäßig bestimmte) Schadenersatzansprüche zu, welche aufrechnungsweise geltend gemacht würden. Unter Berücksichtigung dieser Gegenforderungen ergebe sich ein offener Betrag von 240.091,35 EUR. Aufgrund der mangelhaften Leistungen sei sie jedoch ungeachtet des erklärten Vertragsrücktritts zur Zurückbehaltung des Werklohns berechtigt.

Mit dem angefochtenen Teilurteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von 401.828,43 EUR sA. Unter Berücksichtigung aller Einwände und Gegenforderungen verbleibe selbst bei Darstellung der Beklagten ein Betrag von 240.091,35 EUR an offener Werklohnforderung, der nach deren Standpunkt deshalb nicht fällig sein solle, weil das Sicherstellungsbegehren gemäß § 1170b ABGB rechtsmissbräuchlich erhoben worden sei und die erklärte Vertragsauflösung ihr Recht auf Zurückbehaltung des Werklohns mangels Fertigstellung bzw Verbesserung nicht berühre. Eine missbräuchliche Rechtsausübung nach § 1295 Abs 2 ABGB sei aber schon nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu erkennen und würde auch nicht zur Unwirksamkeit der Vertragsaufhebung nach § 1170b Abs 2 ABGB führen, sondern könnte allenfalls die Haftung der klagenden Gesellschaften für einen dadurch der Beklagten zugefügten Schaden begründen. Nach Aufhebung des Vertrags sei der Unternehmer nicht verbunden, das Werk fertigzustellen, weswegen sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf das Zurückbehaltungsrecht des Werkbestellers berufen könne. Der Entgeltanspruch des Werkunternehmers richte sich nach § 1168 Abs 1 ABGB, sodass ihm auch bei Vorhandensein von Mängeln eine (eingeschränkte) Werklohnforderung zustehe. Der Eintritt der Fälligkeit werde auch nicht dadurch gehindert, dass die klagenden Gesellschaften mit einer vertraglichen Nebenpflicht (Anm.: Bestätigung der aufrecht bestehenden Haftpflichtversicherung) in Verzug gewesen seien. Da sie vereinbarungsgemäß den Haftrücklass durch eine Bankgarantie abgelöst hätten, sei die Beklagte darüber hinaus verpflichtet den von ihr selbst ermittelten Haftrücklassbetrag von 161.737,08 EUR zu zahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der in § 1170b Abs 2 ABGB enthaltene Verweis auf § 1168 Abs 2 ABGB bringe zum Ausdruck, dass die in dieser Bestimmung angeordneten Rechtsfolgen auch bei einer Vertragsauflösung nach § 1170b ABGB eintreten sollen. Der Unternehmer müsse daher nach Aufhebung des Vertrags das Werk nicht her‑ bzw fertigstellen und habe den (eingeschränkten) Entgeltanspruch entsprechend § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB. Sein Anspruch auf Entgelt bestehe selbst dann, wenn er seine Arbeiten noch nicht begonnen habe; er müsse sich jedoch anrechnen lassen, was er sich infolge Unterbleiben der Arbeit erspart oder durch anderwertige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe. Dieser (reduzierte) Werklohnanspruch werde mit Ablauf der angemessenen Nachfrist fällig. Grundsätzlich habe der Besteller bei Unterbleiben des Werks durch Umstände in seiner Sphäre den Aufwand für bereits erbrachte Teilleistungen voll zu vergüten, auch wenn diese für ihn wertlos seien. Lägen jedoch Mängel an der Teilleistung vor, so sei der Verbesserungsaufwand, den sich der Werkunternehmer erspart habe, in Abzug zu bringen. Diese Grundsätze fänden auch im vorliegenden Fall Anwendung. Müsste der Werkunternehmer die Mängel beseitigen und das Bauwerk fertigstellen, obwohl der Besteller keine Sicherheit leiste und er die Aufhebung des Vertrags erklärt habe, wäre er weiterhin „vorleistungspflichtig“ und dabei dem Insolvenzrisiko des Bestellers ausgesetzt. Gerade vor einem Ausfall der Werklohnforderung infolge einer Insolvenz des Bestellers solle aber § 1170b ABGB schützen. Die Inanspruchnahme der nicht abdingbaren Rechte des Werkunternehmers gemäß § 1170b ABGB schließe die Annahme der von der Beklagten behaupteten schikanösen Rechtsausübung aus. Da die klagenden Gesellschaften aufgrund der erklärten Vertragsaufhebung keine weiteren Leistungen mehr schuldeten, müsse auch nicht mehr erörtert werden, ob die Beklagte aufgrund von nicht erbrachten Nebenleistungen zur Zurückbehaltung des Werklohns berechtigt wäre. Sie schulde den klagenden Gesellschaften daher den selbst nach ihrer Darstellung gerechtfertigten Betrag von 240.091,35 EUR sowie den durch die Bankgarantie abgelösten Haftrücklass.

Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof – soweit überblickbar – zur Frage, ob der Besteller der Werklohnklage des Werkunternehmers nach Aufhebung des Werkvertrags gemäß § 1170b ABGB aufgrund behebbarer Mängel die Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegenhalten und den Werklohn bis zur Verbesserung zurückbehalten könne, noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die von den klagenden Gesellschaften beantwortete Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Die Beklagte vertritt die Ansicht, auch nach erfolgtem Rücktritt gemäß § 1170b Abs 2 ABGB blieben die allgemeinen Regelungen des (Werk‑)Vertragsrechts aufrecht, sodass dem Besteller bei einer (behebbaren) Mangelhaftigkeit des Werks der Einwand der mangelnden Fälligkeit offenstehe. Der Verweis auf § 1168 Abs 2 ABGB regle lediglich die Entgeltreduktion, die sich aus dem Unterbleiben der Ausführung des Werks ergebe, nicht aber die Folgen, die sich aus einer mangelhaften Werkleistung ergäben.

2. Die Bestimmung des § 1170b ABGB wurde mit dem Handelsrechts‑Änderungsgesetz, BGBl I 2005/120, in das ABGB eingefügt und soll den Insolvenzrisiken im Bau- und Baunebengewerbe entgegenwirken (ErlRV 1058 BlgNR 22. GP 72). Sie sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers unabhängig von der Unsicherheitseinrede des § 1052 zweiter Satz ABGB vor, also unabhängig von einer Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse und der Kenntnis davon. Die Sicherstellung nach dieser Gesetzesstelle kann nur bei Werkverträgen verlangt werden, in denen es um die Herstellung oder die Bearbeitung eines Bauwerks selbst, seiner Außenanlagen oder eines Teils davon geht. Kommt der Werkbesteller dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder unzureichend nach, so kann dieser die Erbringung seiner Leistung verweigern (§ 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB) und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. Im Zusammenhang mit der Vertragsaufhebung verweist § 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB auf § 1168 Abs 2 ABGB. Mit diesem Verweis soll klargestellt sein, dass der Entgeltanspruch des Unternehmers wie in den Fällen des § 1168 Abs 2 ABGB zu behandeln ist (ErlRV aaO 72 f).

3.1 Die Obliegenheit (dazu ErlRV aaO 73) des Werkbestellers, auf Verlangen des Unternehmers eine Sicherstellung zu geben, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts ( M. Bydlinski in KBB 4 § 1170b ABGB Rz 5; ähnlich Schopper , Sicherstellung bei Bauverträgen – der neue § 1170b ABGB, JAP 2006/2007, 53 [57]). Das Recht, Sicherstellung zu begehren, soll dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zustehen und diese vom Werkbesteller nicht unter Berufung auf die Mangelhaftigkeit verweigert werden können, sodass der Werkunternehmer gemäß Abs 2 leg cit die Vertragsaufhebung auch bei mangelhafter Leistungserbringung erklären können soll ( M. Bydlinski aaO; Högl/Wiesinger , Offene Fragen zu § 1170b ABGB, JBl 2009, 155 [158 f]; Hörker in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 1170b ABGB Rz 31; Schmidinger , bauaktuell 2011, 42 [44]; krit Maier‑Hülle , immolex 2007, 230 [232]).

3.2 Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass die klagenden Gesellschaften berechtigt waren, nach § 1170b Abs 2 ABGB die Vertragsaufhebung zu erklären, sodass nicht mehr das Recht dazu, sondern allein die Rechtsfolgen des Rücktritts zu erörtern sind, die sich nach dem Willen des Gesetzgebers an § 1168 Abs 2 ABGB orientieren sollen.

4. § 1168 Abs 2 ABGB gibt dem Unternehmer die Möglichkeit zur Vertragsaufhebung, wenn der Besteller seine Mitwirkungspflicht verletzt. Er kann unter Setzung einer angemessenen Frist erklären, dass der Vertrag „als aufgehoben gelte“, wenn die Mitwirkung weiter unterbleibt. Tatbestandsmäßig liegt ein Sonderfall des § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB vor, weil die unterlassene Mitwirkung der Bestellersphäre zuzuordnen ist ( M. Bydlinski aaO § 1168 Rz 8). Mit der vorzeitigen Auflösung des Vertrags nach § 1168 Abs 2 ABGB entfällt die Herstellungspflicht des Unternehmers ( Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1168 ABGB Rz 50). Er behält aber den nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB eingeschränkten Entgeltanspruch, weil die Verhinderung in der Ausführung des Werks dem Besteller zuzurechnen ist. Dem Unternehmer gebührt das vereinbarte Entgelt; er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er sich infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Hat der Unternehmer eine Teilleistung erbracht, so ist der darauf entfallene Aufwand vom Besteller zu bezahlen, auch wenn die Teilleistung für ihn wertlos ist. Ist die Leistung allerdings für sich mangelhaft, so ist wegen des gewährleistungsrechtlichen Verbesserungsvorrangs der durch die unterbliebene Verbesserung ersparte Aufwand anzurechnen (8 Ob 14/08d; Rebhahn/Kietaibl aaO Rz 35; Högl/Wiesinger aaO 159).

5.1 Das Konzept des § 1168 ABGB gilt nach dem Willen des Gesetzgebers auch für den Fall eines Rücktritts durch den Unternehmer gemäß § 1170b Abs 2 ABGB. Mit der vorzeitigen Auflösung des Vertrags durch einseitige Erklärung des Unternehmers entfällt seine Verpflichtung zur Herstellung (Vollendung) des Werks; sein Engeltanspruch ist nach § 1168 ABGB beschränkt. Weist die von ihm erbrachte (Teil‑)Leistung Mängel auf, muss er sich den durch die unterbliebene Verbesserung ersparten Aufwand anrechnen lassen ( Rebhahn/Kietaibl aaO § 1170b ABGB Rz 18 sowie § 1168 ABGB Rz 50 und 35).

5.2 Die Fälligkeit des Werklohns kann nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt (RIS‑Justiz RS0019929; vgl auch 8 Ob 1652/92 = RS0018756 [T8]). Das Leistungsverweigerungsrecht, das die Revisionswerberin für sich in Anspruch nimmt, findet seine Rechtfertigung darin, den Unternehmer zu einer geschuldeten Verbesserung seines mangelhaften Werks zu bestimmen. Wo eine solche Verbesserung nicht oder nicht mehr in Betracht kommt, ein nach dem Gewährleistungsrecht aufrechter Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer nicht oder nicht mehr besteht, ist auch kein Recht zur Verweigerung der Gegenleistung anzuerkennen (4 Ob 14/16m uva; RIS‑Justiz RS0021925).

5.3 Mit der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses entfallen grundsätzlich die Erfüllungsansprüche des Bestellers auf Übergabe eines vollendeten und damit mängelfreien Werks (7 Ob 43/14w). Die Aufhebung des Vertrags gemäß § 1168 Abs 2 ABGB, auf den die Bestimmung des § 1170b Abs 2 ABGB verweist, bewirkt daher, dass damit keine rechtliche Grundlage zur Verweigerung der Gegenleistung verbleibt. Diesen Aspekt lässt die Beklagte außer Acht, wenn sie ungeachtet der – von ihr auch gar nicht in Frage gestellten – Aufhebung des Vertrags durch die klagenden Gesellschaften gemäß § 1170b Abs 2 ABGB darauf beharrt, die allgemeinen Regelungen des Werkvertragsrechts würden – vorbehaltlich der Entgeltreduktion nach § 1168 ABGB – aufrecht bleiben. Die von ihr vertretene Auffassung hätte im Ergebnis zur Folge, dass der Unternehmer zur Erfüllung im Sinn einer mängelfreien Herstellung des Werks verpflichtet bliebe, auch wenn er die Vertragsauflösung gemäß § 1170b Abs 2 ABGB berechtigt erklärte. Damit wäre dieser Bestimmung aber ein Anwendungsbereich genommen: Der Werkunternehmer bliebe – worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat – weiterhin im vollen Umfang „vorleistungspflichtig“ und die vom Gesetzgeber angestrebte Minderung der Insolvenzrisiken käme nicht zum Tragen. Nach erfolgter Verbesserung stünde dem Werkunternehmer aber auch der vertraglich vereinbarte Werklohn ungeschmälert zu, sodass die vorzeitige Vertragsauflösung ohne Rechtsfolgen bliebe.

6. Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die vom Werkunternehmer gemäß § 1170b Abs 2 ABGB erklärte Auflösung des Vertrags den Erfüllungsanspruch des Bestellers beseitigt, sodass sich dieser – ganz wie im Anwendungsbereich des § 1168 ABGB – auf eine Pflicht zur mängelfreien Herstellung des Werks durch den Unternehmer nicht mehr berufen kann. Dem Unternehmer gebührt zufolge des Verweises auf § 1168 Abs 2 ABGB ein entsprechend der Regelungen des § 1168 Abs 1 leg cit verminderter Entgeltanspruch, dem der Besteller mangelnde Fälligkeit, weil das Werk mangelhaft erbracht wurde oder unvollendet blieb, nicht entgegenhalten kann. Für die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags (dazu Apathy in KBB 4 § 1052 ABGB Rz 2) durch den Besteller, die die Beklagte allein noch zum Gegenstand ihres Rechtsmittels macht, verbleibt daher nach berechtigter Auflösung des Vertrags nach § 1170b ABGB kein Raum.

Der mit dem Teilurteil des Erstgerichts zugesprochene Betrag setzt sich aus dem von der Beklagten selbst zugestandenen, nach Abzug der von ihr behaupteten Forderungen verbleibenden Entgelt und dem durch eine Bankgarantie abgelösten – der Höhe nach unstrittigen – Haftrücklass zusammen. Für eine Beurteilung dieses (Teil‑)Anspruchs der klagenden Gesellschaften sind weder die von der Beklagten zu den von ihr behaupteten Mängeln vermissten Feststellungen noch eine sachverhaltsmäßige Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass eine Versicherungsbestätigung nicht vorgelegt worden sei, erforderlich. Der von der Beklagten geltend gemachte sekundäre Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

7. Der Revision ist damit ein Erfolg zu versagen.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 ZPO.

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