European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00084.16A.0906.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen – auch einen Freispruch enthaltenden – Urteil wurde Hichem L***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A/) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (B/I/) und nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (B/II/) schuldig erkannt.
Danach hat er in W*****
A/ am 22. Februar 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit nicht mehr ausforschbaren weiteren fünf bis sechs Personen als Mittäter (§ 12 StGB) Sunordan B***** mit Gewalt gegen dessen Person sowie unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, indem er dem Genannten mit Pfefferspray in die Augen sprühte, während die unbekannten Täter dessen Geldbörse und Handy aus seiner Hosentasche herauszunehmen versuchten und ihm mit den Fäusten auf seine schützend auf die Hosentaschen gelegten Hände schlugen, wobei die Vollendung der Tat aufgrund der Gegenwehr des Opfers unterblieb;
B/ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Marihuana (Wirkstoffe Delta‑9‑THC und THCA)
I/ am 25. Mai 2015 anderen zu überlassen versucht, indem er 33 Baggies zu 32,6 Gramm brutto an einer szenetypischen Örtlichkeit zum unmittelbaren Weiterverkauf bereit hielt;
II/ im Zeitraum von Juni 2012 bis zum 16. März 2014 und vom 18. März 2014 bis zum 25. Mai 2015 wiederholt ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht dabei nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0119422 [T4]). Solcherart zeigt die Rüge (Z 5 zweiter Fall) zum Schuldspruch A/ mit dem Hinweis darauf, dass das nach den Urteilsfeststellungen vom Opfer an Hichem L***** übergebene Feuerzeug (US 3) bei diesem nicht sichergestellt worden sei (vgl ON 2 S 45 f), keinen erörterungsbedürftigen Umstand auf.
Soweit der Beschwerdeführer ausdrücklich das Fehlen von Feststellungen über den Verbleib des Feuerzeugs kritisiert (der Sache nach Z 9 lit a), leitet er nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb diese über die getroffenen Feststellungen hinaus zur Erfüllung des Tatbestands des Raubes erforderlich sein sollten (RIS‑Justiz RS0116565, RS0099689).
Die Ableitung der Feststellungen zum Raubgeschehen (Schuldspruch A/) aus der „mit sämtlichen Beweisergebnissen“ in Einklang stehenden Aussage des Sunordan B***** vor der Polizei (US 6) ist entgegen der eine detaillierte Anführung dieser Ergebnisse fordernden Beschwerdeauffassung (Z 5 vierter Fall) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0116732, RS0118317).
Der Einwand mangelnder Nachvollziehbarkeit (Z 5 vierter Fall) der Beurteilung des nicht vor dem erkennenden Gericht vernommenen Zeugen Sunordan B***** als besonders glaubwürdig (US 7) geht daran vorbei, dass auch eine – hier gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO – zulässig verlesene Zeugenaussage (vgl ON 54 S 8) ein Beweismittel ist, über dessen Beweiskraft die Tatrichter in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zu befinden haben (RIS‑Justiz RS0098470, RS0098192, RS0098297). Der Nichtigkeitswerber bekämpft vielmehr mit eigenen Erwägungen über die allfällige Orientierung des Belastungszeugen an Rachegedanken nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
Gleiches gilt für die inhaltlich ebenfalls gegen die Annahme der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen gerichtete Behauptung mangelnder Begründung (Z 5 vierter Fall) der vom Beschwerdeführer als „lebensfremd“ beurteilten – im Übrigen weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage relevanten (vgl aber RIS-Justiz RS0106268) – festgestellten Gegenwehr des Opfers bei einem Angriff von fünf bis sechs Tätern (vgl US 3, 6).
Der Einwand, die Tatrichter hätten zu Unrecht nicht erörtert, dass „offenbare Zeugen“ nicht ein Raubgeschehen, sondern vielmehr in Übereinstimmung mit der Verantwortung des Angeklagten „einen Raufhandel beobachtet“ und daher die Polizei verständigt hätten, bleibt ohne den für die Geltendmachung einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) unerlässlichen Aktenbezug (RIS‑Justiz RS0124172 [insbesondere T5]).
Das am Ende der Mängelrüge (Z 5) erstattete Vorbringen, wonach deren Ausführungen auch „zu den Ausführungen und zum Vorbringen des nachfolgend ausgeführten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5a StPO“ erhoben würden, entspricht nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902, vgl auch RS0116733).
Gleiches gilt, soweit der Rechtsmittelwerber jeweils die Ausführungen zu den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO auch zum Vorbringen des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z „9a“ StPO erhebt bzw zum letztgenannten Nichtigkeitsgrund auf das zu den vorgenannten Gründen erstattete Vorbringen verweist.
Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach nur dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (RIS‑Justiz RS0119583). Indem die Tatsachenrüge unter Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten, die Aussagen der Polizeibeamten über den Grund ihres Einschreitens und erneut mit eigenen Erwägungen zur Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen die Feststellungen zum Schuldspruch A/ nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bezweifelt, bewegt sie sich außerhalb des erwähnten Anfechtungsrahmens.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810). Indem die Rechtsrüge zum Schuldspruch A/ eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage zur subjektiven Tatseite bestreitet (siehe aber US 4) und Feststellungen darüber vermisst, wie der Angeklagte gewusst haben sollte, dass „sich in der Hosentasche des Sunordan B***** überhaupt ein Gegenstand befindet“, oder „die Geldbörse und das Mobiltelefon … zu irgendeinem Zeitpunkt sichtbar oder erkennbar gewesen wäre“, verfehlt sie den dargestellten Bezugspunkt.
Soweit sich die Beschwerde mangels ausdrücklicher Einschränkung der Anfechtungserklärung auch gegen die Schuldsprüche B/I/ und B/II/ wendet, diese jedoch inhaltlich unbekämpft lässt, mangelt es schon an deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO), sodass insoweit auf sie keine Rücksicht zu nehmen war. In Ansehung des solcherart ebenfalls bekämpften Freispruchs ist der Angeklagte gemäß § 282 Abs 2 StPO nicht zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert (§ 285a Z 1 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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