Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** mehrerer Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung schuldig erkannt.
Demnach ist er in zahlreichen Fällen Aufforderungen der Rechtsanwaltskammer Wien nicht nachgekommen, in Treuhandsachen betreffend Kaufverträge Kontoauszüge zu übermitteln, nämlich
1. zu D 143/13 Aufforderungen vom 17. Dezember 2012, 16. Jänner 2013, 5. Februar 2013, 21. Februar 2013 und 8. März 2013 (Kaufvertrag *****),
2. zu D 147/13 Aufforderungen vom 9. November 2012, 18. Dezember 2012, 18. Jänner 2013, 14. Februar 2013 und 15. April 2013 (Kaufvertrag *****),
3. zu D 186/13 Aufforderungen vom 12. Februar 2013, 18. März 2013, 16. April 2013 und 10. Mai 2013 (Kaufvertrag *****),
4. zu D 247/13 Aufforderungen vom 13. Mai 2013, 17. Juni 2013 und 23. Juli 2013 (Kaufvertrag *****),
5. zu D 01/14 Aufforderungen vom 27. Mai 2013, 1. Juli 2013, 7. August 2013 und 29. August 2013 (Kaufvertrag *****),
6. zu D 02/14 Aufforderungen vom 28. Mai 2013, 3. August 2013, 8. August 2013, 9. September 2013 und 11. September 2013 (Kaufvertrag *****) und
7. zu D 03/14 Aufforderungen vom 3. August 2013, 8. August 2013, 9. September 2013 und 11. September 2013 (Kaufvertrag *****).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld (vgl RIS‑Justiz RS0128656). Sie verfehlt ihr Ziel.
Im angefochtenen Erkenntnis wurde im Wesentlichen festgestellt, dass der Beschuldigte den genannten Aufforderungen des Treuhandbuchs der Rechtsanwaltskammer Wien, die er alle erhalten hat, nicht entsprochen hat.
1. Dieser Sachverhalt wird in der Berufung nicht iSd § 464 Z 2 erster Fall StPO bestritten. Der als „2. Berufung wegen Schuld“ betitelte Abschnitt der Berufung bringt – wie auch die Rechtsrüge – allein Rechtsmeinungen vor (s zu diesen unten Punkt 4.).
2. Von mangelnder Individualisierung des jeweils angelasteten Verhaltens infolge (vermeintlich) undeutlicher Fassung des Referats im angefochtenen Erkenntnis (nominell Z 5, der Sache nach Z 3 des § 281 Abs 1 StPO mit Bezug auf § 260 Abs 1 Z 1 StPO; 1.1.2. der Berufung) kann schon angesichts der Bezugnahme auf die jeweils betroffene Treuhandsache in jenem Referat und die dort vorgenommene datumsmäßige Einordnung der diesbezüglichen Aufforderungen (s dazu auch Punkt 3.2. der angefochtenen Entscheidung) keine Rede sein (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 290; RIS-Justiz RS0098795).
3. Den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO zieht der Beschuldigte auch in anderer Hinsicht heran (1.1.1. der Berufung), allerdings nicht durch Bemängelung der Feststellungs- oder der Beweiswürdigungsebene des angefochtenen Erkenntnisses (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393), sondern indem er rechtliche Erwägungen dazu vermisst, weshalb der Disziplinarrat bei der Subsumtion Verstöße gegen §§ „59ff RLBA“ (Punkte 5. bis 7. des angefochtenen Erkenntnisses) annahm. Fehlen rechtlicher Erwägungen in den Entscheidungsgründen (vgl § 270 Abs 2 Z 5 StPO) stellt allerdings keinen Nichtigkeitsgrund dar (RIS‑Justiz RS0122721).
4. Desgleichen bleiben die Rechtsrügen ohne Erfolg.
4.1 Das Vorbringen (Z 9 lit a) geht zunächst daran vorbei, dass der Rechtsanwaltskammer nach § 23 Abs 2 RAO insbesondere auch die Wahrung der Ehre, des Ansehens und der Unabhängigkeit des Rechtsanwaltsstandes sowie die Wahrung der Rechte und die Überwachung der Pflichten ihrer Mitglieder obliegt und dass der Rechtsanwalt nach § 10a Abs 5 RAO der Treuhandeinrichtung eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Abwicklung der von ihm übernommenen Treuhandschaften unter anderem durch entsprechende Auskünfte zu ermöglichen hat. Die im Rahmen des Wirkungsbereichs des § 23 RAO von der Kammer oder vom Ausschuss getätigten Anfragen oder Aufforderungen erfordern die für die Aufgabenerfüllung notwendige Mitwirkung des angesprochenen Kammermitglieds (26 Os 2/14k). Die Nichtbefolgung rechtmäßig ergangener Aufträge des Ausschusses (§ 23 RAO, § 23 RL-BA 1977 sowie nunmehr übrigens § 26 RL-BA 2015) stellt nach ständiger Rechtsprechung ein Vergehen des Rechtsanwalts gegen seine Berufspflichten dar (RIS-Justiz RS0055017). Nichts anderes gilt für die Nichtbeantwortung einer rechtmäßigen Anfrage der Rechtsanwaltskammer im Rahmen ihrer Treuhandeinrichtung (§ 10a RAO) wie im gegebenen Fall (26 Os 13/15d, vgl auch 26 Os 8/14t).
Der Einwand mangelnder Verpflichtung zur Übermittlung von Kontoauszügen nach Ablauf der fünfjährigen Dauer der Verbindlichkeit zur Aufbewahrung von Akten ab Aufhören der Vertretung gemäß § 12 Abs 2 zweiter Satz RAO in Betreff der Spruchpunkte zu 6. und 7. verkennt zum einen die vorliegend anzuwendende Sonderbestimmung des § 10a Abs 5 erster Satz RAO über die uneingeschränkte Verpflichtung zur (die entsprechende Aufbewahrung bedingenden) Einsichtsgewährung in alle die übernommenen Treuhandschaften betreffenden Unterlagen. Zum Zweiten übergeht der Berufungswerber mit seinem Vorbringen, dass die Rechtsanwaltskammer Wien keinen Anlass zu den später ergangenen Aufforderungen gehabt hätte, wenn er nach seiner Bestellung zum mittlerweiligen Stellvertreter aufgrund der vorgefundenen Aktenlage unverzüglich und unaufgefordert entweder die Mitteilungs- und Meldepflichten gemäß den Punkten 8.4. und 10.2.2. eATHB erstattet oder der Rechtsanwaltskammer Wien sonstige gleichwertige Berichte geliefert hätte, die zur Beurteilung des Status der Treuhandschaften erforderlich waren.
4.2 Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sondern von eigenständigen Tatsachenannahmen, indem sie einen Rechtsirrtum des Beschuldigten zugrunde legt. Die gesetzmäßige Ausführung dieses materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat jedoch das Festhalten am gesamten im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass der Disziplinarrat bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (vgl RIS-Justiz RS0099810).
Dem Einwand schuldausschließender Pflichtenkollision zuwider umfasst – wie bereits ausgeführt – die in § 10a Abs 5 erster Satz RAO statuierte (durch die Punkte 8.4. und 10.2.2. eATHB konkretisierte) Auskunftspflicht auch die Verpflichtung zur Übermittlung von Kontoauszügen, sodass insoweit keine Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Mandantschaft besteht (vgl § 10a Abs 5 zweiter Satz RAO).
Die begehrte Anwendung des § 3 DSt scheitert mangels geringfügigen Verschuldens. Zwar ist ein Vorgehen nach dieser Bestimmung bei keiner Berufspflichtverletzung ausgeschlossen (Feil/Wennig, AnwR8 883). Allerdings liegt im konkreten Fall geringfügiges Verschulden in Ansehung der Bedeutung der Kontrolle von Treuhandschaften (vgl §§ 10a Abs 4 und 5 sowie 23 Abs 4 RAO) und der Tatwiederholung in einer Vielzahl von Fällen über längere Zeit hinweg keineswegs vor. In diesem Verhalten kommt ein Grad des Verschuldens zum Ausdruck, der im Vergleich zu den Durchschnittsfällen von Disziplinarvergehen, die in ihrer Gesamtheit als Vergleichsparameter heranzuziehen sind, gerade nicht deutlich reduziert ist.
5. Ebenso wenig zielführend ist die Sanktionsrüge (Z 11). Die zeitlichen Voraussetzungen für eine sinngemäße Anwendung des § 31 Abs 1 StGB (RIS-Justiz RS0054840) in Betreff des Vor-Erkenntnisses des Disziplinarrats vom 19. September 2014 (ES 5) liegen nicht vor. Der Beschuldigte hat den Aufträgen der Rechtsanwaltskammer Wien bis zum angefochtenen Erkenntnis vom 17. April 2015 fortwährend nicht entsprochen, somit im Sinn eines Dauerdelikts den rechtswidrigen Zustand über das Datum des Vor-Erkenntnisses hinaus aufrecht erhalten (vgl RIS‑Justiz RS0090813 [T15, T18]; zutreffend ES 9).
6. Zu der vom Beschuldigten angestrebten Reduktion der vom Disziplinarrat trotz einschlägig getrübten Vorlebens des Beschuldigten und der Vielzahl nunmehriger Berufspflichtverletzungen nur mit 2.000 Euro bemessenen Geldbuße sah sich der Oberste Gerichtshof nicht bestimmt.
7. Der Berufung war demnach ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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