European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00092.16D.0615.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.594,60 EUR (darin enthalten 599,10 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin bietet in ihrem Finanzdienstleistungsportfolio unter anderem Derivatgeschäfte an. Der Beklagte war über den Zeitraum von mehreren Jahren Kunde der Klägerin und nahm auch deren Dienstleistungen im Rahmen von Privatgeschäften in Anspruch. Dabei wurde er von dem als „Consultant Professional“ (Kundenbetreuer) bei der Klägerin angestellten J***** G***** (in Hinkunft Kundenbetreuer) beraten und betreut. Die Anbahnung und Auftragserteilung zu den Geschäftsabschlüssen erfolgte regelmäßig telefonisch; wobei meist der Kundenbetreuer konkrete Geschäfte vorschlug und der Beklagte dem Abschluss zustimmte.
Am 15. 9. 2009 vereinbarten die Parteien zur Fortsetzung der bisherigen Geschäftsbeziehung einen neuen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte, in dessen § 1 der Zweck und Gegenstand des Vertrags definiert wurden wie folgt:
„Die Parteien beabsichtigen, zur Gestaltung von Zinsänderungs‑, Währungs‑ und sonstigen Kursrisiken Finanztermingeschäfte abzuschließen, die a) den Austausch von Geldbeträgen in verschiedenen Währungen oder den Austausch oder die Zahlung von Geldbeträgen, die auf der Grundlage von variablen oder festen Zinssätzen, Kursen, Preisen oder sonstigen Wertmessern, einschließlich diesbezüglicher Durchschnittswerte (Indizes) ermittelt werden, oder b) die Lieferung oder Übertragung von Wertpapieren, anderen Finanzinstrumenten oder Edelmetallen oder ähnlichen Leistungen zum Gegenstand haben ...“
Bis zum Jahr 2009 hatten die vom Beklagten getätigten Geschäfte zu hohen Verlusten geführt, weshalb er mit dem Kundenbetreuer übereinkam, nur mehr Geschäfte mit wesentlich geringerem Verlustpotential abschließen zu wollen. Gegen Ende des Jahres 2009 erzählte der Kundenbetreuer dem Beklagten von der Möglichkeit „risikoloser Zinsgeschäfte“. Er beschrieb ihm diese so, „dass die Klägerin durch Geschäftsabschlüsse zu bestimmten Zeitpunkten bankintern bekannte Zins‑ bzw Währungsdifferenzen ausnützen und so einen Erlös erzielen“ könne. Der Beklagte müsse dafür keine neuen Sicherheiten leisten. Er selbst, als Mitarbeiter der Klägerin, dürfe diese Geschäfte nicht abschließen. Der Beklagte erklärte sich mit dem Abschluss derartiger Geschäfte in seinem Namen und über sein Konto einverstanden und gab dem Kundenbetreuer zu verstehen, dass er ihm „Beträge aus den Erlösen“ zukommen lassen werde. Er ging dabei davon aus, dass der Kundenbetreuer die Geschäfte namens der Klägerin ausführen werde.
Tatsächlich schloss der Kundenbetreuer in der Folge entgegen dieser Vereinbarung zahlreiche Optionsgeschäfte, zu denen ihn der Beklagte nicht beauftragt hatte und über die er den Beklagten auch nicht informierte. Er hielt die zu diesen Geschäften ausgestellten Confirmations und sonstigen schriftlichen Informationen zurück.
Aus einzelnen, detailliert angeführten Finanzgeschäften wurden dem Konto des Beklagten abzüglich der damit verbundenen Ausübungskosten und Spesen Gewinne von insgesamt 983.429,33 EUR gutgeschrieben. Der Beklagte kannte die zugrunde liegenden Geschäfte, welchen die Zu‑ und Abgänge zuzuordnen waren, nicht.
Der Kundenbetreuer wurde für schuldig erkannt, die ihm durch Rechtsgeschäfte eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch der Klägerin einen 50.000 EUR übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt zu haben, indem er ohne Beauftragung durch den Kunden und entgegen den Richtlinien seines Arbeitgebers Optionsgeschäfte bzw Interest Rates selbst durchführte und dadurch der Klägerin einen Schaden von zumindest 983.429,33 EUR zufügte. Er wurde weiters für schuldig erkannt, falsche Urkunden, nämlich eine nicht mehr näher feststellbare Anzahl an Kundenbestätigungen des Beklagten zu dessen Derivatgeschäften, dessen Unterschriften er jeweils fälschte, mit dem Vorsatz hergestellt zu haben, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis seines Rechtes, nämlich der Beauftragung von Derivatgeschäften durch den Beklagten gebraucht werden, und durch Übermittlung an eine Kontrollstelle diese auch tatsächlich gebraucht zu haben.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 745.804,60 EUR sA. Der Zuwachs von 983.429,33 EUR im Vermögen des Beklagten habe keine rechtsgeschäftliche Grundlage, die den Prämienzahlungen der Klägerin an den Beklagten zugrunde liegenden Geschäfte seien von ihm nicht beauftragt worden. Der Beklagte sei in diesem Umfang ungerechtfertigt bereichert. Der Beklagte habe zwischen dem erstmaligen Bemerken eines nicht erklärbaren Eingangs auf seinem Depotkonto Ende des Jahres 2009 bis zum Aufdecken der Malversationen Ende des Jahres 2011 mehr als 900.000 EUR an Prämien erhalten, deren Entstehung ihm nicht erklärbar gewesen sei. Der Beklagte habe den Kundenbetreuer – von diesem im Ermittlungsverfahren zugestanden – durch „Kick‑Back‑Zahlungen“ im Ausmaß von 25–40 % an den unrechtmäßig lukrierten Prämien partizipieren lassen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beklagte gewusst habe, dass ihm die aus den nicht autorisierten Geschäften zugegangenen Prämien nicht zugestanden seien. Zur Sicherstellung aller Forderungen der Klägerin aus der ständigen Geschäftsverbindung habe der Beklagte „sein Konto verpfändet“, welches zum Stichtag 26. 6. 2013 ein Guthaben von 237.624,73 EUR aufgewiesen habe. Nach Aufrechnung dieses Guthabens mit der bei der Klägerin eingetretenen Vermögensverminderung von 983.429,33 EUR ergebe sich die Klagsforderung von 745.804,60 EUR.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das gegen ihn geführte Strafverfahren sei eingestellt worden. Damit stehe fest, dass er keinen Beitrag zu den Malversationen des Kundenbetreuers geleistet habe. Die Klägerin sei von ihrem eigenen Angestellten aufgrund eigener Sorgfaltswidrigkeit und eines fehlenden Kontrollsystems geschädigt worden. Im Übrigen habe sich die Klägerin das Wissen des Kundenbetreuers um die Leistung einer Nichtschuld, nämlich der Zahlung aus nicht autorisierten Geschäften, zurechnen zu lassen.
Bei den Gutschriften auf seinem Konto sei der Beklagte davon ausgegangen, diese wären den von ihm tatsächlich genehmigten Zinscap‑ oder Floorgeschäften zuzuordnen. Diese Prämien und Gewinne hätten den Beklagten veranlasst, risikoreichere Optionsgeschäfte und Interest Rates und Swap‑Geschäfte abzuschließen, die zu nicht unerheblichen Verlusten für ihn geführt hätten. Diese Geschäfte hätte der Beklagte ohne die gutgeschriebenen Prämien oder Gewinne gar nicht tätigen können oder dürfen. Der daraus entstandene Schaden in Höhe von 455.412,44 EUR werde compensando eingewendet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung liege nicht vor, weil zwischen den Parteien nicht nur ein Rahmenvertrag bestanden habe, dem die vom Beklagten genehmigten, tatsächlich aber nicht ausgeführten Geschäfte unterstellt werden könnten, sondern es habe darüber hinaus der Kundenbetreuer dem Beklagten wiederholt den Abschluss risikoloser Zinsgeschäfte vorgeschlagen, womit sich der Beklagte einverstanden erklärt habe. Es seien damit Einzelvereinbarungen zustande gekommen. Erklärungen des Kundebetreuers habe sich die Klägerin zurechnen zu lassen. Dies gelte ebenso für die Gutbuchungen auf dem Konto des Beklagten, die aus seiner Sicht als Erfüllung der aufgetragenen Zinsgeschäfte zu verstehen gewesen seien. Die aus den nicht autorisierten Geschäften erfolgten Zuflüsse auf dem Konto des Beklagten seien aus Sicht der Klägerin als wissentliche Zahlungen einer Nichtschuld im Sinn des § 1432 ABGB zu werten.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Beklagte habe von den Derivatgeschäften keine Kenntnis gehabt und den Kundenbetreuer nicht – auch nicht mit der am 15. 9. 2009 abgeschlossenen Rahmenvereinbarung – bevollmächtigt, sodass er aus diesen ohne ausreichende Vertretungsmacht getätigten Geschäftsabschlüssen weder berechtigt noch verpflichtet worden sei. Die nicht autorisierten Derivatgeschäfte seien vom Beklagten auch nicht nachträglich genehmigt worden. Eine nur teilweise Genehmigung des vollmachtlosen Handelns des Betreuers wäre unzulässig. Die der Klage zugrunde liegenden Zuflüsse auf dem Konto des Beklagten seien ohne rechtfertigende vertragliche Übereinkünfte der Parteien erfolgt. Die Klägerin sei gemäß § 1431 ABGB zu deren Rückforderung berechtigt.
Im Bereich der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Geschäftsherr nur dann für vorsätzliches unerlaubtes Handeln des Gehilfen hafte, wenn er dieses innerhalb des vom Geschäftsherrn vertraglich übernommenen Pflichtkreises setze. Hingegen habe der Geschäftsherr für das Verhalten des Gehilfen, das dieser bloß gelegentlich der Erfüllung der von ihm übernommenen Pflichten setze, nicht einzustehen. Wende man diese Grundsätze analog auf die Wissenszurechnung nach § 1432 ABGB an, so könne der Bank als Geschäftsherrin das Wissen ihres Mitarbeiters nur dann zugerechnet werden, wenn er in Erfüllung der vertraglich übernommenen Pflichten handelte, nicht aber dann, wenn er – wie hier – in Überschreitung der ihm eingeräumten Vollmachten nicht autorisierte Geschäfte über Kundenkonten abwickelte.
Im fortgesetzten Verfahren sei der Sachverhalt durch Feststellungen zu sämtlichen vom Beklagten autorisierten und nicht autorisierten Geschäften und den daraus resultierenden Zu‑ und Abflüssen auf seinen Konten ab den Malversationen des Kundenbetreuers zu ergänzen, um danach beurteilen zu können, ob und in welchem Umfang es zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Beklagten gekommen sei.
Schon jetzt sei festzuhalten, dass die vom Beklagten erhobene Gegenforderung aufgrund von Verlusten aus Optionsgeschäften, die er ohne entsprechende Guthaben auf seinen Konten nicht abgeschlossen hätte, nicht zu Recht bestehe. Auch der redliche Empfänger einer bezahlten Nichtschuld habe gemäß § 1437 ABGB den unrechtmäßig erlangten Vorteil herauszugeben. Nur bei Zahlungen mit Unterhaltscharakter, nicht aber bei sonstigen Leistungen, lasse die Rechtsprechung den Einwand gutgläubigen Verbrauchs zu.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage der Wissenszurechnung von Hilfspersonen bei wissentlicher Zahlung einer Nichtschuld gemäß § 1432 ABGB noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Klägerin begehrt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
1. Werden aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt mehrere Ansprüche abgeleitet und in einer Klage geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0031014 [T29]), dann muss in einem solchen Fall der objektiven Klagenhäufung jeder der Ansprüche zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen. Ohne eine solche Aufschlüsselung wäre es nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsmehrbegehrens zu bestimmen und damit die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen (ganz oder teilweise) endgültig abgesprochen worden ist. Nur wenn eine solche Aufgliederung erfolgt, kann in einem Folgeprozess die der Zulässigkeit einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0031014 [T15]).
Zu beachten ist hier, dass die Klägerin von ihrer behaupteten Gesamtforderung in Höhe von 983.429,37 EUR ein Guthaben des Beklagten in Höhe von 237.624,73 EUR in Abzug brachte, ohne zu spezifizieren, welche (Teil‑)Forderungen sie im Hinblick auf die Tilgung nicht geltend macht. Diese – bisher nicht beachtete – Unschlüssigkeit wird mit der Klägerin zu erörtern sein. Die Aufhebung des Ersturteils ist schon aus diesem Grund gerechtfertigt. Für den Fall, dass die Klägerin ihr Klagebegehren schlüssig stellt, ist für das fortgesetzte Verfahren Folgendes zu beachten:
2.1 Wer irrtümlich in der Absicht, eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Verpflichtung zu erfüllen, eine Leistung erbracht hat, auf die der Empfänger in Wahrheit keinen Anspruch hat, kann sie nach § 1431 ABGB zurückfordern.
2.2 Ein Rahmenvertrag liegt vor, wenn Parteien, die miteinander eine größere Anzahl gleichartiger oder ähnlicher Rechtsgeschäfte abschließen wollen, im Vorhinein den rechtlichen Rahmen, also bestimmte Bedingungen für künftige Einzelverträge abstecken (wollen) (RIS‑Justiz RS0019117 [T2]).
2.3 Ausgehend von den Feststellungen, wonach der Beklagte von den gegenständlichen Einzelgeschäften weder Kenntnis noch sie beauftragt hatte, erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, diese seien nicht zustande gekommen, weshalb der Beklagte daraus weder verpflichtet noch berechtigt sei, sodass die damit im Zusammenhang stehenden Zahlungen ohne rechtfertigendes Rechtsverhältnis erfolgt seien, als zutreffend.
2.4 Weitere Voraussetzung eines Anspruchs nach § 1431 ABGB ist über das Fehlen einer Verbindlichkeit hinaus, dass die Leistung auf einem Irrtum beruht, der die zu zahlende Schuld oder den Gegenstand, den der Zahler leistete, betrifft (RIS‑Justiz RS0014891, RS0033607 [T2]). Der zugrunde liegende Irrtum kann ein Tatsachen‑ oder Rechtsirrtum sein, dessen Behauptung und im Bestreitungsfall auch Beweis dem Kondiktionsgläubiger obliegt. In den meisten Fällen wird allerdings die Tatsache, dass der Kläger eine Nichtschuld gezahlt hat, eine praktische Vermutung für den Irrtum bilden; ohne besonderen Grund kann nämlich nicht angenommen werden, dass jemand einem anderen ein Geschenk leistet (RIS‑Justiz RS0033548). Nach § 1432 ABGB ist eine rechtsgrundlos erbrachte Leistung unter anderem jedenfalls dann nicht rückforderbar, wenn der Leistende weiß, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist.
3. Der Beklagte hält der Leistungskondiktion das seiner Ansicht nach der Klägerin zuzurechnende Wissen ihres Kundenbetreuers zu den Zahlungen aus den nicht autorisierten Geschäften entgegen.
3.1 Richtig ist, dass nach ständiger Rechtsprechung zur Gehilfenhaftung der Schuldner (Geschäftsherr) auch für vorsätzlich unerlaubte Handlungen seines Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, wenn ein innerer Sachzusammenhang der schädigenden Handlung und der Vertragserfüllung besteht (RIS‑Justiz RS0028626), dass das Delikt also im Pflichtenkreis des Geschäfts gesetzt wurde (RIS‑Justiz RS0028691), nicht aber wenn die Handlung des Gehilfen aus dem Rahmen der Interessenverfolgung des Geschäftsherrn herausfällt (RIS‑Justiz RS0028499). Es wird danach unterschieden, ob die Zufügung eines Schadens durch den Erfüllungsgehilfen „bei“ Erfüllung der Vertragsverbindlichkeiten oder „bloß“ gelegentlich (anlässlich) der Erfüllung erfolgt. Ob ein Erfüllungsgehilfe in Ausübung oder nur gelegentlich der Erfüllung gehandelt hat, richtet sich danach, wie weit die Schutz‑ und Sorgfaltspflichten des Schuldners im konkreten Einzelfall gingen und wie weit deshalb im deliktischen Verhalten des Erfüllungsgehilfen ein Verstoß gegen die den Schuldner obliegenden vertragsspezifischen Pflichten zu erblicken ist (RIS‑Justiz RS0028626, RS0028429, RS0028499, RS0028425, RS0028691).
Im vorliegenden Fall geht es im Gegensatz zur Argumentation in der Revision gerade nicht um das Einstehenmüssen des Geschäftsherrn nach § 1313a ABGB für seinen Geschäftspartner schädigende Handlungen seines Gehilfen bei oder auch gelegentlich der Vertragserfüllung, sondern um die Wissenszurechnung im Zusammenhang mit einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung.
3.2 Zur Wissenszurechnung hat der Oberste Gerichtshof bereits allgemein ausgesprochen, dass es bei einer juristischen Person für die Unterstellung der Kenntnis oder des Kennenmüssens einer Tatsache nicht ausschließlich auf den Wissensstand der organschaftlichen Vertreter ankommt, sondern auch auf das Wissen anderer Personen, wie etwa Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte oder Rechtsvertreter, soweit es sich auf den im konkreten Fall diesem Bevollmächtigten übertragenen Aufgabengebiet erstreckt und er mit der speziellen Sache auch tatsächlich befasst war. Ein außerhalb des übertragenen Aufgabenbereichs erlangtes Wissen des Bevollmächtigten ist dem Auftraggeber grundsätzlich nicht zurechenbar (RIS‑Justiz RS0009172 [insb T9, T19], RS0034422; vgl auch Iro , Banken- und Wissenszurechnung: Eine Untersuchung zur Wissenszurechnung unter Berücksichtigung bankspezifischer Probleme [Teil 1] ÖBA 2001, 3). Entscheidend für die Wissenszurechnung zu Lasten des Unternehmens ist daher mit welchem konkreten Aufgabenbereich der Gehilfe betraut war (8 Ob 579/90). So ist das Wissen des schädigenden Vertreters über die Schädigung dem geschädigten Vertretenen bei Feststellung des Beginns der Verjährungsfrist nicht zuzurechnen, ob nun bei Anspruchserhebung gegenüber einem Dritten oder dem Schädiger selbst (RIS‑Justiz RS0114717). Die Wissenszurechnung wird in Fällen der Interessenskollission in der Person des vermittelnden Vertreters unterbrochen (6 Ob 183/13z mwN ebenfalls zur Verjährung).
3.3 Zusammengefasst folgt, dass nach der Rechtsprechung zur Wissenszurechnung allgemein als Voraussetzung verlangt wird, dass das Wissen sich auf den übertragenen Aufgabenbereich erstrecken und der Gehilfe tatsächlich mit der betreffenden Angelegenheit befasst sein muss. Es wird darauf abgestellt, ob die Hilfsperson mit dem Willen des Geschäftsherrn tätig geworden ist und diese bei Durchführung der Agenden von ihrem Wissen Gebrauch hätte machen können. Ähnlich wie in § 1313a ABGB zwischen Schädigung in Erfüllung und bei Gelegenheit der Erfüllung unterschieden wird, kommt es also darauf an, dass der Gehilfe das betreffende Wissen gerade bei der ihm aufgetragenen Verrichtung verwerten hätte können und nicht außerhalb dieser. Überschreitet er seinen Aufgabenkreis in einer solchen Weise, dass der Zusammenhang zur Betrauung durch den Geschäftsherrn zu verneinen ist, so handelt er nicht mehr für diesen und ihm kann daher auch sein Wissen nicht mehr ohne weiteres zugerechnet werden.
Auch wenn der konkrete Pflichtenkreis des Kundenbetreuers nicht feststeht, so besteht doch kein Zweifel, dass das unter Umgehung der internen Sicherungsmaßnahmen erfolgte Vortäuschen von Geschäftsabschlüssen gegenüber der Klägerin und die im Hinblick auf die vollmachtslos geschlossenen Geschäfte vorgenommenen Prämienzubuchungen nicht in den Aufgabenbereich des Kundebetreuers fielen, sondern er dadurch seinen Aufgabenkreis in einer solchen Weise überschritt, dass der Zusammenhang zur Betrauung durch den Geschäftsherrn zu verneinen ist. Das der Klägerin vom Kundenbetreuer verheimlichte Wissen um das zu ihren Lasten gesetzte strafbare Verhalten kann daher als außerhalb seines Aufgabenkreises gelegen der Klägerin auch nicht im Sinn einer bewussten Zahlung einer Nichtschuld zugerechnet werden.
4. Grundsätzlich wird in der Lehre und Rechtsprechung für einen Nachteilsausgleich, soweit dieser nicht überhaupt abgelehnt wird, ein strenger Maßstab gefordert. Für die ausschließlich auf Billigkeitserwägungen beruhende Zuerkennung eines solchen Nachteilsausgleichs ist ausgehend von den Umständen des Einzelfalls nach übereinstimmender Ansicht vor allem maßgebend, ob die unbegründete Leistung von einem oder vom anderen Teil verschuldet oder jedenfalls veranlasst wurde, im weiteren sodann die Schutzwürdigkeit des Empfängers und das Gewicht einer für ihn gegebenen Rückzahlungsverpflichtung (RIS‑Justiz RS0033697). Wenn dem Empfänger durch die Leistung nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile entstanden sind oder ihn die Rückzahlung besonders schwer treffen würde und er schutzwürdiger ist als der Leistende, etwa deshalb, weil der Leistende die Vermögensverschiebung bei einem gutgläubigen Empfänger sorglos verursacht hat, so kann eine Minderung des Bereicherungsanspruchs erfolgen (Nachteilsausgleich) (RIS‑Justiz RS0033818). Bei Geldleistungen wird generell die nützliche Verwendung durch den Empfänger unterstellt und daher eine Berufung auf den nachträglichen Wegfall der Bereicherung nicht gestattet (10 Ob 35/11m mwN).
Die Revision wendet sich auch gegen die Beurteilung der „Gegenforderung“ durch das Berufungsgericht.
Der Beklagte erhob im erstinstanzlichen Verfahren eine „Gegenforderung von 455.512,44 EUR“, die er damit begründete, dass er vom Kundenbetreuer der Klägerin zu Optionsgeschäften veranlasst worden sei, die er ohne die eingegangenen Prämien nicht getätigt hätte, sodass er die daraus entstandenen Verluste der Klagsforderung aufrechnungsweise entgegenhalte.
Da sich der Beklagte auf kein (von ihm als rechtswidrig und schuldhaft qualifiziertes) Verhalten der Klägerin bezieht, sondern nur geltend macht, dass ihm aufgrund der irrtümlichen Gutbuchungen nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile entstanden seien, kann sein Vorbringen nur so verstanden werden, dass er sich damit gegen den Umfang des Bereicherungsanspruchs im Sinn des Nachteilsausgleichs wendet. Ohne dies ausdrücklich auszuführen hat diesen offenbar auch das Berufungsgericht im Auge, wenn es dem Erstgericht das Nachtragen von Feststellungen zu „autorisierten und nicht autorisierten Geschäften und den daraus resultierenden Zu‑ und Abflüssen auf seinen Konten aufträgt. Der begehrte Nachteilsausgleich steht dem Beklagten aber – wie oben ausgeführt – nicht zu. Das Risiko der Fehlinvestition der – aus den nicht autorisierten Geschäften erhaltenen – Prämienzahlungen hat der Beklagte selbst zu tragen.
5. Für die Ermittlung der Klagsforderung bedarf es daher – entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts – nur der Feststellungen zu den Prämiengutbuchungen aus den vom Beklagten nicht beauftragten Geschäften und den Spesen, die für diese Geschäfte verrechnet wurden. Die Bereicherung ergibt sich dann aus den Prämienzahlungen abzüglich der Spesen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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