OGH 7Ob61/16w

OGH7Ob61/16w25.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** G*****, als Insolvenzverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der S***** GmbH, *****, und des Nebenintervenienten A***** W*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, und des Nebenintervenienten Dr. H***** S*****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Februar 2016, GZ 4 R 143/15z‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00061.16W.0525.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

2006 wurden von der Schuldnerin zur Aufnahme von Fremdkapital Inhaberschuldverschreibungen (sogenannte „Masterbonds“) in Tranchen zu je 50.000 EUR ausgegeben, in denen sie die Kapitalrückzahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt garantierte. Zur Besicherung dieser Forderungen schloss sie gemäß einer mit der Beklagten abgeschlossenen Rahmenvereinbarung Lebensversicherungsverträge ab. Die Leistung aus den Lebensversicherungen ist jeweils mit Nominale und Fälligkeit der emittierten und konkret gezeichneten Inhaberschuldverschreibung synchronisiert. Die Schuldnerin verpfändete ihre Ansprüche aus den Lebensversicherungen im Zuge einer Treuhandvereinbarung zugunsten eines Treuhänders, und zwar des Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten. Durch die Einbeziehung des Treuhänders sollte jedes Risiko hinsichtlich der eingezahlten Gelder ausgeschlossen werden; insbesondere sollte für den Fall der Insolvenz Sicherheit für die jeweiligen Zeichner geschaffen werden.

Dennoch begehrt der Insolvenzverwalter nun gegenüber dem beklagten Versicherer mit – insoweit im Revisionsverfahren nur mehr allein interessierendem – Hauptbegehren die Feststellung, es werde mit Wirkung zwischen den Streitteilen festgestellt, dass die zwischen ihnen bestehenden Lebensversicherungsverträge nicht mit Sicherheitsrechten Dritter, insbesondere nicht pfandrechtlich belastet seien. Dies begründet er damit, dass die Pfandbestellung zugunsten des Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten, der nicht Gläubiger der Forderungen sei, keine Wirksamkeit entfalte, weil das Pfandrecht – als akzessorisch – einer Forderung entbehre und weil die Verpfändungsabrede darüber hinaus eine genügende Bezugnahme auf die besicherten Forderungen vermissen lasse. Er beabsichtige daher, die Versicherungsverträge aufzukündigen und die Rückkaufswerte gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Die dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionen zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Der sogenannte Pfandbestellungs‑ oder Verpfändungsvertrag hat zum Inhalt, dass der Pfandgeber erklärt, zur Sicherung einer Forderung ein Pfand bestellen zu wollen und der Pfandnehmer damit übereinstimmend erklärt, dieses als Sicherheit annehmen zu wollen (RIS‑Justiz RS0011356). Dieser Vertrag verschafft mangels Übergabeakt kein dingliches Recht, sondern nur den obligatorischen Anspruch auf Pfandgabe der bestimmt zugesagten Sache (RIS‑Justiz RS0011356 [T1]). Der Titel besteht beim rechtsgeschäftlichen Pfandrechtserwerb im sogenannten Pfandbestellungsvertrag (RIS‑Justiz RS0011353). Bei der Verpfändung beweglicher Sachen, die keine körperliche Übergabe zulassen, muss man sich gemäß § 452 ABGB solcher Zeichen bedienen, woraus jedermann die Verpflichtung leicht erfahren kann. Nichtbücherliche Rechte sind den beweglichen Sachen zuzurechnen (§ 298 ABGB). Verbriefte Forderungen werden durch Übergabe der Urkunde verpfändet, bei nicht verbrieften Forderungen kann die Verpfändung durch Drittschuldnerverständigung erfolgen (3 Ob 22/08v, RIS‑Justiz RS0113192). Das Pfandrecht verschafft einem Gläubiger das gegen jedermann wirkende Vorzugsrecht, sich bei Nichterfüllung seiner Forderung aus den verpfändeten Vermögensstücken zu befriedigen (RIS‑Justiz RS0011299).

2. Forderungen des Versicherungsnehmers „aus der Versicherung“ (§ 15 VersVG) können als Geldforderungen im Allgemeinen ohne weiteres abgetreten, verpfändet oder gepfändet werden und sind daher als Sicherungsmittel geeignet. Das heißt, der Versicherungsnehmer kann seine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag wirksam verpfänden (RIS‑Justiz RS0011319 [T2]). Verpfändet der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag, wird dem Pfandgläubiger ein Vorrecht vor dem Bezugsberechtigten eingeräumt. Nach der Pfandreife ist der Pfandgläubiger bis zur Höhe seiner Forderung zur Einziehung der Versicherungsleistung berechtigt (RIS‑Justiz RS0080565).

3. Hier wurde zwischen der Schuldnerin und dem Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten ein Pfandbestellungsvertrag geschlossen. Das heißt, die Schuldnerin ist Pfandschuldnerin, der Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten Pfandgläubiger. Verpfändet wurde der Anspruch der Schuldnerin auf Versicherungsleistung der Beklagten. Die Beklagte wurde als Drittschuldnerin von dieser Verpfändung im Rahmenvertrag und in den einzelnen Lebensversicherungsverträgen verständigt.

Mit seinem gegen die – am Pfandbestellungsvertrag gar nicht beteiligte – Drittschuldnerin gerichteten Feststellungsbegehren, dass die Lebensversicherungsverträge nicht mit Sicherungsrechten Dritter belastet seien, will der Insolvenzverwalter im Ergebnis die Unwirksamkeit der Pfandbestellung durch die Schuldnerin gegenüber dem Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten als Pfandgläubiger festgestellt wissen.

4. Prozessökonomischer Zweck der Feststellungsklage ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht (RIS‑Justiz RS0037422). Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs (RIS‑Justiz RS0039177). Aus dieser Feststellung muss irgendeine streitverhindernde oder sonstige Rechtswirkung zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits denkbar sein (RIS‑Justiz RS0039080). Das zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemachte Rechtsverhältnis muss eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers ausüben, es muss also geeignet sein, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu beenden und einen künftig weiteren Rechtsstreit zu vermeiden. Dieser vorbeugenden Wirkung können Feststellungsklagen und Feststellungsurteile nur dann gerecht werden, wenn ein aktueller Anlass zu einer solchen vorbeugenden Klärung überhaupt gegeben ist. Als Vorbeugung künftiger Rechtsstreitigkeiten ist die Feststellungsklage gegen denjenigen zu richten, von dem die befürchtete Rechtsverfolgung, die es zu vermeiden gilt, droht (RIS‑Justiz RS0039071).

4.1 Wie ausgeführt, zielt das Begehren des Insolvenzverwalters letztlich darauf ab, die Unwirksamkeit der von der Schuldnerin zugunsten des Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten erfolgten Pfandbestellung festzustellen. Das Feststellungsbegehren bezieht sich demnach auf das Rechtsverhältnis zwischen der Schuldnerin als Pfandbestellerin und dem Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten als Pfandgläubiger.

4.2 Die Feststellung von Rechten und Rechtsverhältnissen, die im Verhältnis zu nicht am Verfahren beteiligten Dritten bestehen, ist zwar nicht generell ausgeschlossen. Ein solches Begehren ist jedoch nur zulässig, wenn das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis die Rechtsposition des Klägers oder des Beklagten unmittelbar berührt (RIS‑Justiz RS0038819). Ein bloß wirtschaftliches Interesse allein genügt nicht. Bei der Feststellung von Drittrechtsverhältnissen ist das rechtliche Interesse genau zu prüfen, weil das Feststellungsurteil einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten gegenüber keine Rechtskraftwirkung hat (7 Ob 91/12a). Das rechtliche Interesse fehlt, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann und damit die Rechtsverhältnisse des Klägers durch das Verhalten des Beklagten nicht unmittelbar berührt werden (RIS‑Justiz RS0039071 [T7]). Der Dritte kann sich am Feststellungsstreit nur als einfacher Nebenintervenient (§ 17 ZPO) beteiligen.

4.3 Die materielle Rechtskraft wirkt grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils erstrecken sich nach ständiger Rechtsprechung nur so weit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündigung nicht beteiligte, als diese Person als Partei eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses im Widerspruch stehen. Nur in diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand (RIS‑Justiz RS0107338). Nach der Rechtsprechung ist die Interventionswirkung der Streitverkündung nicht bloß auf Regressverhältnisse im engeren Sinn beschränkt, sondern erfasst auch sonstige materiell-rechtliche Alternativverhältnisse und Sonderrechtsbeziehungen. Die Bindungswirkung besteht aber nur gegenüber demjenigen, der im Vorprozess den Streit verkündet hat, nicht aber gegenüber dem anderen am Vorprozess beteiligten Prozessgegner (9 Ob 12/15b mwN).

4.4 Ob hier ein sonstiges materiell‑rechtliches Alternativverhältnis oder eine Sonderbeziehung vorliegt, die überhaupt von der Interventionswirkung erfasst sein könnte, kann dahingestellt bleiben. Dem Treuhänder und Pfandgläubiger wurde nur von der Beklagten der Streit verkündet und er trat auch auf deren Seite als Nebenintervenient bei. Daraus folgt aber, dass ein stattgebendes Feststellungsurteil jedenfalls keine Bindungswirkung im Verhältnis der Schuldnerin und des Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten entfaltet, dies obwohl gerade die Wirksamkeit der zwischen diesen Personen erfolgten Pfandbestellung geklärt werden soll. Damit ist die Feststellungsklage schon nicht gegen denjenigen gerichtet, von dem die befürchtete Rechtsverfolgung – nämlich die Ausübung des Pfandrechts –, die es zu vermeiden gilt, droht. Da dem Feststellungsurteil gerade im Verhältnis des Pfandgläubigers zur Schuldnerin keine Rechtskraftwirkung zukommt, kann ein solches auch nicht die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis zwischen Schuldnerin und Nebenintervenienten garantieren. Dieses Rechtsverhältnis der Schuldnerin wird nicht unmittelbar durch das Verhalten der beklagten Drittschuldnerin bedroht. Selbst ein klagsstattgebendes Urteil in diesem Verfahren würde die aufgrund der Unwirksamkeit der Pfandbestellung behauptete Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Klägerin nicht berühren, sodass das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung fehlt. Der – von der Beklagten bereits im erstgerichtlichen Verfahren vorgebrachte – Mangel des rechtlichen Interesses an der Feststellungsklage ist darüber hinaus auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0039123).

5. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen, ohne dass auf die Frage der Wirksamkeit der Pfandbestellung zwischen der Klägerin und dem Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten einzugehen war.

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