OGH 3Ob46/16k

OGH3Ob46/16k27.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. Mag. U*****, 2. W*****, zweitverpflichtete Partei vertreten durch Mag. Andreas Pazderka, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wegen 70.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 26. Jänner 2016, GZ 21 R 283/15p‑11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 23. Oktober 2015, GZ 3 E 4280/15k‑2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00046.16K.0427.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Über das Vermögen des Zweitver‑ pflichteten wurde am 20. August 2009 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Nach Nichtannahme des von ihm angebotenen Zahlungsplans wurde mit Beschluss vom 10. Juni 2010 das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Die Betreibende hat in diesem Insolvenzverfahren keine Forderung angemeldet.

Mit Beschluss vom 23. Oktober 2015 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden gegen die Verpflichteten aufgrund eines Wechselzahlungsauftrags des Landesgerichts Korneuburg vom 12. Juni 2015 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 70.000 EUR sA die Fahrnis‑ und Gehaltsexekution und gegen den Zweitverpflichteten auch die Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung der ihm gegen den Drittschuldner Kreditschutzverband von 1870 angeblich zustehenden Forderung auf Auszahlung des Guthabens aus dem Abschöpfungsverfahren.

Das Rekursgericht wies über Rekurs des Zweitverpflichteten den gegen diesen gerichteten Exekutionsantrag ab. Gemäß § 206 Abs 1 IO dürften Insolvenzgläubiger während des Abschöpfungs‑ verfahrens nicht Exekution in das Vermögen des Schuldners führen. Die Exekutionsführung anderer Gläubiger, also etwa von Neugläubigern, sei zwar nicht von vornherein unzulässig, allerdings bewirke § 208 Satz 2 IO eine faktische Exekutionssperre, weil das Vermögen des Schuldners der Exekution insofern entzogen sei, als er es dem Treuhänder herausgebe. Diese faktische Exekutionssperre und die Konstruktion des Abschöpfungsverfahrens als Nachverfahren zum Konkursverfahren führten dazu, dass der Betreibende bereits im Exekutionsantrag nachzuweisen habe, dass die Exekutionsführung ausnahmsweise zulässig sei. Da die Betreibende diesen Nachweis nicht angetreten habe, sei im Zweifel vom Vorliegen der Exekutionssperre auszugehen und der Exekutionsantrag deshalb abzuweisen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Betreibende zusammengefasst geltend, dass die bloß faktische Exekutionssperre iSd § 208 Satz 2 IO nicht zur Abweisung des Exekutionsantrags führe, sondern allenfalls nur über Einstellungsantrag des Schuldners zu erreichen sei. Dass sie Neugläubigerin und nicht Insolvenzgläubigerin sei, ergebe sich bereits aus dem Wortlaut und dem Datum des Exekutionstitels.

Rechtliche Beurteilung

Der ‑ einseitige (RIS‑Justiz RS0116198) ‑ Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1.1. Gemäß § 206 Abs 1 IO sind Exekutionen einzelner Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während des Abschöpfungsverfahrens nicht zulässig. Insolvenzgläubiger sind gemäß § 51 Abs 1 IO Personen, denen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Schuldner (Insolvenzforderungen) zustehen.

Eine Insolvenz‑ forderung liegt demnach vor, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits sämtliche Tatbestandserfordernisse für die Entstehung der Forderung vorhanden sind, mag sie auch noch nicht fällig und vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig sein (RIS‑Justiz

RS0063809 [T1]). Die Stellung als Insolvenzgläubiger mit allen ihren Nachteilen und Beschränkungen ist von der Ausübung der damit verbundenen Rechte, insbesondere auf Anmeldung der Forderung, unabhängig (RIS‑Justiz RS0063863).

1.2. Von der Exekutionssperre des § 206 Abs 1 IO, die jene des § 10 IO fortsetzt (3 Ob 206/12h), nicht betroffen sind insbesondere Neugläubiger (3 Ob 208/05t = RIS‑Justiz RS0120436), also Personen, die erst nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens eine Forderung gegen den Schuldner erworben haben (8 Ob 4/05d = RIS‑Justiz RS0119718). Ob und inwieweit solche Gläubiger gegen den Schuldner Exekution führen können, regelt § 208 zweiter Satz IO. Danach ist das vom Abschöpfungsverfahren erfasste Vermögen des Schuldners der Exekution insoweit entzogen, als der Schuldner es dem Treuhänder herausgibt. Damit werden die in Betracht kommenden Exekutionsobjekte so stark eingeschränkt, dass de facto eine Exekutionssperre besteht ( Mohr in Konecny/Schubert , Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 208 IO Rz 5 mwN; 2 Ob 190/03k).

1.3. Wie die Betreibende richtig aufzeigt, darf ein auf das von einem anhängigen Abschöpfungsverfahren erfasste Vermögen abzielender Exekutionsantrag nicht abgewiesen werden, sondern ist zu bewilligen. Die Exekutionsfreiheit wird dadurch erreicht, dass die Exekution nach § 208 dritter Satz IO auf Antrag des Schuldners einzustellen ist, wenn er zustimmt, dass die in Exekution gezogene Sache dem Treuhänder ausgefolgt wird ( Mohr in Konecny/Schubert , § 208 IO Rz 6; G. Kodek , Handbuch Privatkonkurs Rz 744).

2. Daraus ist für die Betreibende aber im Ergebnis nichts zu gewinnen:

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Gläubiger, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Exekution gegen den Schuldner führen will, bereits im Exekutionsantrag darzutun, dass im konkreten Fall die Exekutionssperre des § 10 IO nicht besteht (RIS‑Justiz RS0000387; vgl auch RS0102734).

2.2. Analog dazu ist dann, wenn sich nicht bereits zweifelsfrei aus dem Exekutionstitel ergibt, dass es sich bei der betriebenen Forderung um keine Insolvenzforderung handelt ‑ was beispielsweise auf eine Kaufpreisforderung aus einem erst nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens abgeschlossenen Kaufvertrag zuträfe ‑, von einem Gläubiger, der während des anhängigen Abschöpfungsverfahrens Exekution gegen den Schuldner führen will, zu verlangen, dass er im Exekutionsantrag die Gründe behauptet und bescheinigt, aus denen die Exekutionssperre des § 206 Abs 1 IO nicht zum Tragen kommt, also etwa weil er ein Neugläubiger ist.

2.3. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts hat die Betreibende ohnehin Vorbringen zu diesem Thema erstattet. In ihrer Rekursbeantwortung ist sie der Behauptung des Zweitverpflichteten, dem Exekutionstitel liege ein von ihm bereits im Jahr 2005 zur Besicherung des Anspruchs der Betreibenden auf Rückzahlung damals gewährter Kredite begebener Blankowechsel zugrunde, den die Betreibende offensichtlich erst im Juli 2015 vervollständigt habe, nicht entgegengetreten, sondern hat vielmehr ‑ ihr bereits in erster Instanz zu diesem Thema erstattetes Vorbringen (AS 10) verdeutlichend ‑ ausgeführt, dass sie nach Erlangung des Wechselzahlungsauftrags den im Abschöpfungsverfahren des Zweitverpflichteten bestellten Treuhänder iSd § 207 IO aufgefordert habe, die Judikatschuld bei der Verteilung zu berücksichtigen, was dieser jedoch mit der Begründung abgelehnt habe, dass es sich angesichts des Datums des Wechsels um eine Neuverbindlichkeit des Zweitverpflichteten handle.

2.4. Dass es sich beim Anspruch der Betreibenden auf Rückzahlung der gewährten Kredite um eine Insolvenzforderung handelt, kann nach dem oben Gesagten nicht zweifelhaft sein. Entgegen der Auffassung der Betreibenden stellt aber ungeachtet der Tatsache, dass sie den Exekutionstitel erst rund fünf Jahre nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens erwirkt hat, auch ihre titulierte Forderung aus dem Wechsel eine Insolvenzforderung dar:

Der Gläubiger, der von seinem Schuldner einen Wechsel in Zahlung nimmt, hat zwar zwei auf ver‑ schiedenen Rechtsgründen ‑ dem Grundgeschäft und dem Wechsel ‑ beruhende Ansprüche. Diese sind allerdings wegen der Zweckvereinbarung miteinander verkettet, weshalb der Schuldner nur einmal zu leisten hat (8 Ob 86/97y mwN). Aus diesem Grund kann der Wechselschuldner dann, wenn sich im Wechselmandatsverfahren ‑ wie hier im Titel‑ verfahren ‑ Gläubiger und Schuldner des (behaupteten) Grundgeschäfts gegenüberstehen, auch Einwendungen aus dem Grundgeschäft erheben (8 Ob 101/13f = RIS‑Justiz

RS0114336 [T1]). Die von der Betreibenden ins Treffen geführte Abstraktheit des Wechsels bewirkt also zwischen den Parteien des Grundgeschäfts in der Regel nur eine Umkehr der Beweislast (

8 Ob 566, 567/91 = RIS‑Justiz

RS0082495).

Im Hinblick darauf kann es aber für die Beurteilung, ob die Wechselforderung der Betreibenden eine Insolvenzforderung bildet, nicht auf den Zeitpunkt ankommen, zu dem sie den Blankowechsel vervollständigt und eingeklagt hat, sondern es ist auf den ‑ lange vor der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens liegenden ‑ Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Zweitverpflichtete diesen der Besicherung der Kreditforderung dienenden Wechsel (blanko) akzeptiert hat.

3. Da also die Exekutionssperre des § 206 Abs 1 IO der Exekutionsführung gegen den Zweitverpflichteten entgegensteht, hat das Rekursgericht den gegen ihn gerichteten Exekutionsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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