Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 22. 10. 2001 wurde über das Vermögen des Schuldners (über dessen Antrag) das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Dieser war schon seinerzeit bei der Firma „Z***** Speditions-GmbH" in D-83088 Kiefersfelden als Angestellter (mit einem durchschnittlichen monatlichen Nettoverdienst von S 20.000) beschäftigt. Anlässlich der Prüfungstagsatzung vom 20. 12. 2001 lagen angemeldete Forderungen in Höhe von ATS 1,609.440,25 vor, die vom Schuldner in voller Höhe anerkannt wurden. Darunter befand sich auch eine Forderung des Finanzamtes Kufstein über ATS 81.870 laut Rückstandsausweis vom 29. 11. 2001, betreffend ua auch Einkommensteuer(-vorauszahlungen). Der vom Schuldner angebotene Zahlungsplan (beinhaltend eine Quote von 11 %, zahlbar in 60 Monaten ab Rechtskraft desselben) fand bei dieser Tagsatzung keine Mehrheit, weshalb mit Beschluss des Erstgerichtes das Abschöpfungsverfahren gemäß § 211 Abs 1 KO eingeleitet (und die Arge Schuldnerberatungen in 4020 Linz zum Treuhänder bestellt) wurde.
Nach Rechtskraft dieses Beschlusses hob das Erstgericht mit seinem Beschluss vom 9. 1. 2002 (ON 12) das Schuldenregulierungsverfahren auf.
Mit Schreiben vom 23. 10. 2002 gab das Finanzamt Kufstein (nachdem bereits zuvor die Bezahlung eines Abgabenbetrages von EUR 3.908,06 als Masseforderung begehrt wurde, wovon das Erstgericht den Betrag von EUR 158,06 als solche anerkannte) bekannt, dass während des Schuldenregulierungsverfahrens Neuschulden in Höhe von EUR 5.000 entstanden seien, weshalb eine Verletzung der Obliegenheitspflicht des Schuldners vorliege und um „Bearbeitung bzw weitere Schritte" durch das Bezirksgericht Kufstein ersucht werde. In einem mit dem Erstgericht geführten Telefonat vom 24. 3. 2004 gab der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamtes Kufstein bekannt, dass die Abgabenschuld nunmehr EUR 18.000 betrage, weshalb auf den bereits gestellten Antrag hingewiesen und neuerlich die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens beantragt werde.
Die Treuhänderin (mittlerweile ASB Schuldnerberatungen GmbH) teilte in ihrem Schreiben vom 5. 4. 2004 mit, dass aus ihrer Sicht keine Verletzung von Obliegenheitsverpflichtungen vorliege.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren vorzeitig gemäß § 211 Abs 1 Z 2 KO ein. Nach § 210 Abs 1 Z 8 KO obliege es dem Schuldner, während der Rechtswirksamkeit der Abtretungserklärung keine neuen Schulden einzugehen, die er bei Fälligkeit nicht bezahlen könne. Bereits bei der Tagsatzung vom 20. 12. 2001 sei der Schuldner darauf hingewiesen worden, dass er die Einkommensteuervorauszahlungen beim Finanzamt Kufstein selbst durchführen müsse und eine jährliche Einkommensteuerveranlagung zu beantragen habe. Dies sei offensichtlich nicht geschehen. Es liege daher eine Obliegenheitsverletzung vor.
Infolge Rekurses des Schuldners änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluss im Sinn der Abweisung des Antrags auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens ab.
In rechtlicher Hinsicht führte es aus:
Die Insolvenzrechts-Novelle 2002 sei grundsätzlich mit 1. 7. 2002 in Kraft getreten (Art VI Abs 1 BGBl I 75/2002). Für die Bestimmung des § 211 KO finde sich keine davon abweichende Übergangsbestimmung. Nach allgemeinen Grundsätzen seien daher die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung verwirklichten Sachverhalte nach der neuen Rechtslage zu beurteilen (JBl 1985, 36; SZ 69/186; 69/241 ua). Die hier gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten seien offensichtlich teils vor dem 1. 7. 2002, der Rest danach fällig geworden, weshalb eine separate Beurteilung angebracht sei. Zumindest nach dem Gesetzeswortlaut sei nunmehr bei einer Obliegenheitsverletzung gemäß § 210 Abs 1 Z 8 ein Verschulden des Schuldners daran nicht mehr erforderlich, weil § 211 Abs 1 Z 1 KO im Gegensatz zu Z 2 ein solches nicht vorsehe. Fink (Der Privatkonkurs nach der Insolvenzrechts-Novelle 2002, ÖJZ 2003/11) habe - mit nach Ansicht des Rekursgerichtes überzeugenden Argumenten - dargetan, dass dies vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei, sondern nach der ratio der Bestimmungen des § 210 Abs 1 KO bei Obliegenheitsverletzungen, auch bei jener nach Z 8 dieser Gesetzesstelle, nach wie vor ein Verschulden des Schuldners zu fordern sei. Dies könne allerdings dahingestellt bleiben, da sich die Bestimmung des § 210 Abs 1 Z 8 KO (Eingehen neuer Schulden) nur auf solche Schulden beziehe, die durch eine rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung entstehen (Mohr in Konecny/Schubert, Rz 14 zu § 210 KO; Feil, Konkursordnung³ S 759; auch Kodek, Privatkonkurs, Rz 647). Die hier gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten resultieren aus der - unselbständigen - Erwerbstätigkeit des Schuldners in der BRD. Selbst wenn diese Erwerbstätigkeit aufgrund eines Rechtsgeschäftes (eines Dienst- bzw Angestelltenvertrags) ausgeübt werde, stelle die daraus resultierende Einkommensteuerschuld keine rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit dar, sondern eine solche (in diesem Zusammenhang durchaus vergleichbar mit Unterhaltsschulden) aus dem Gesetz, die an den bloßen Umstand der faktischen Ausübung der Erwerbstätigkeit geknüpft sei. Schon aus diesem Grund sei der Tatbestand des § 210 Abs 1 Z 8 KO nicht erfüllt.
Der (ordentliche) Revisionsrekurs sei zulässig, weil, soweit überblickbar, keine Rechtsprechung des Höchstgerichts zur Frage vorliege, ob auch das Eingehen von Abgabenschuldigkeiten (Einkommensteuer) im Zusammenhang mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit in den Tatbestand des § 210 Abs 1 Z 8 KO falle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Rekurswerberin erblickt in dem Umstand, dass der Schuldner seinen Abgabenverpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkommt, eine Obliegenheitsverletzung. Der Schuldner sei Grenzgänger. Für diese existieren teilweise Sonderregelungen in den einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen, so werden etwa Grenzgänger in der Schweiz oder Deutschland nach dem Land des Wohnsitzes besteuert. Vorliegend erhalte der Schuldner vom deutschen Arbeitgeber den Bruttogehalt ausgezahlt und treffe ihn die Verpflichtung, die entsprechende Einkommensteuer beim Wohnsitzfinanzamt abzuführen. Der pfändbare Betrag, der im Rahmen des Abschöpfungsverfahrens an den Treuhänder abzutreten sei, berechne sich gemäß § 291a EO vom Nettoeinkommen. Es sei sohin diesfalls die alleinige Pflicht des Schuldners, seine Abgabenverbindlichkeiten, die aus seiner unselbständigen Tätigkeit in Deutschland resultierten, ordnungsgemäß an das Finanzamt abzuführen. Bei in Österreich unselbständig Erwerbstätigen habe der Dienstgeber vorab Lohnsteuer einzubehalten und den restlichen Betrag abzüglich sonstiger gesetzlicher Abzugsposten und nach Berücksichtigung des Existenzminimums, den pfändbaren Teil des Einkommens an den Treuhänder zu überweisen, der sodann die Verteilung dieser abgeschöpften Beträge an die Konkursgläubiger vorzunehmen habe. Dafür, dass sich die Bestimmung des § 210 Abs 1 Z 8 KO ausschließlich auf das Eingehen neuer Schulden beziehe, die durch eine rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung des Schuldners entstehen, gebe es keine sachlich gerechtfertigte Begründung, insbesondere nicht für jene Fälle, in denen die neuen Schulden in einem kausalen und adäquaten Zusammenhang mit einer rechtsgeschäftlich eingegangenen Verpflichtung stehen. Die Einkommen bzw Lohnsteuer sei gesetzliche Folge eines Arbeitsvertrags.
Diesen Ausführungen kann sich der erkennende Senat nicht anschließen.
Gemäß § 210 Abs 1 Z 8 KO obliegt es dem Schuldner, während der Rechtswirksamkeit der Abtretungserklärung im Abschöpfungsverfahren keine neuen Schulden einzugehen, die er bei Fälligkeit nicht bezahlen kann. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (RV 1218 BlgNR 18. GP) geht hervor, dass Z 8 leg cit nur solche Schulden erfasst, die durch eine rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung des Schuldners entstehen, nicht aber solche, die aus keinem rechtsgeschäftlichen Verhalten hervorgehen, wie etwa Schadenersatzansprüche aus einem vom Schuldner fahrlässig verursachten Verkehrsunfall. Diese Auffassung wird auch in der Lehre vertreten (G. Kodek Privatkonkurs Rz 647; Mohr, Privatkonkurs Seite 61; Deixler-Hübner Privatkonkurs², Rz 176; Feil Konkursordnung Rz 6 zu § 210; Feuchtinger/Lesigang Praxisleitfaden Insolvenzrecht, Seite 153).
Überdies bezwecken die in § 210 angeführten Obliegenheiten die Wahrung der Interessen der Konkursgläubiger (Kodek Privatkonkurs Rz 621) und der Erreichung einer möglichst hohen Zahlungsquote für die Konkursgläubiger (Mohr, Privatkonkurs Seite 60; Mohr in Konecny-Schubert KO § 210 Rz 1). Die Zielsetzung der Normierung der Obliegenheitspflichten ergibt sich schon daraus, dass zur Stellung eines Antrags auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens gemäß § 211 KO nur ein Konkursgläubiger berechtigt ist, einem Neugläubiger jedoch ein solcher Antrag verwehrt ist (vgl Feil KO4 § 211 Rz 4 mwH).
Nicht einmal die Revisionsrekurswerberin bestreitet, dass die Einkommen- bzw Lohnsteuer gesetzliche Folge eines Arbeitsvertrags ist.
Gemäß § 4 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Gemäß Abs 2 leg cit entsteht der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer für die Vorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlung zu entrichten ist oder, wenn die Abgabepflicht erst im Lauf des Kalendervierteljahrs begründet wird, mit der Begründung der Abgabepflicht. Der Umstand, dass die Einkommensteuerpflicht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG) im Wesentlichen an ein bestehendes oder früheres Dienstverhältnis anknüpft, und dieses Dienstverhältnis vertraglich begründet wurde, reicht für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 210 Abs 1 Z 8 KO nicht aus. Die gesetzliche Anordnung, die an Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit (Arbeitslohn) die Einkommensteuerpflicht anknüpft, ist daher nicht vergleichbar mit der rechtsgeschäftlichen Begründung einer Verbindlichkeit. Im Übrigen setzt die Verletzung der in § 210 Abs 1 Z 8 KO genannten Obliegenheit das „Eingehen neuer Schulden" voraus. Selbst wenn man aber an die vertragliche Begründung eines Dienstverhältnisses anknüpfen wollte, wurde dieses vom Schuldner nicht im Zuge des Abschöpfungsverfahrens „neu" begründet, sondern bestand dieses schon vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens. Von einer „rechtsgeschäftlichen" Handlung des Schuldner, die auch nur Auslöser für „neue Schulden" war, kann daher nicht gesprochen werden. Wesentlich erscheint auch, dass in der Begründung eines Dienstverhältnisses, auch wenn dies die Enkommensteuerpflicht auslöst, niemals eine Obliegenheitsverletzung liegen kann, ist der Schuldner doch gemäß § 210 Abs 1 Z 1 KO verpflichtet, eine angemessene Beschäftigung auszuüben oder, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.
Soweit die Revisionsrekurswerberin damit argumentiert, dass bereits die Nichterfüllung der, aus einer vertraglich begründeten Erwerbstätigkeit entspringenden Abgabenverpflichtung eine Obliegenheitsverletzung darstellt, ist ihr Folgendes zu entgegnen:
Zwar hat der Oberste Gerichtshof (15. 2. 2001, 8 Ob 147/00a) im Zusammenhang mit der Entscheidung über einen Revisionsrekurs gegen den Beschluss, mit dem die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens abgewiesen wurde, in einem obiter dictum die Auffassung vertreten, dass keine Garantie gegeben sei, dass die Schuldnerin ihre Zusage einhalte, den monatlichen Restbetrag aus ihrem Existenzminimum an den Treuhänder zu bezahlen, in einem solchen, ihren Zusagen widersprechenden Verhalten aber jedenfalls eine Obliegenheitsverletzung im Sinn des § 210 KO liege, die zur vorzeitigen Einstellung des Abschöpfungsverfahrens nach § 211 Abs 1 Z 2 KO führen könne, wenn dieses Verhalten schuldhaft sei. Diese Entscheidung ist jedoch vereinzelt geblieben. Der erkennende Senat teilt vielmehr die Auffassung von Kodek (Privatkonkurs Rz 639), dass es sich bei den in § 210 KO angeführten Obliegenheiten um eine taxative Aufzählung handelt.
Letztlich fehlt es auch dem von der Revisionsrekurswerberin gebrauchten Argument, dass die Vorinstanzen nicht geprüft hätten, ob der Schuldner tatsächlich die Bruttobeträge vom deutschen Dienstgeber ausbezahlt erhält und ob diese im Gesamten von der Abtretungserklärung an den Treuhänder umfasst sind, an Relevanz.
Es entspricht herrschender Auffassung, dass das Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung ein Nachverfahren zum Konkursverfahren darstellt (Mohr in Konecny-Schubert KO § 199 Rz 3 mwH). Die Abtretungserklärung des § 199 Abs 2 KO erfasst sowohl bestehende als auch künftig zu erwerbende Forderungen, soweit sie das Existenzminimum nach § 291a EO übersteigen (Mohr aaO Rz 9). Der Schuldner ist nicht zum Empfang des pfändbaren Teils des Einkommens berechtigt (vgl Feuchtinger/Lesigang, Praxisleitfaden Insolvenzrecht S. 144). Zur Berechnung des unpfändbaren Einkommensteils wird zunächst vom Gesamteinkommen des Verpflichteten die Berechnungsgrundlage ermittelt. Diese stellt das Nettoentgelt, also das Bruttoentgelt abzüglich Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge an Interessenvertretungen der Dienstnehmer und Aufwandsentschädigung dar (Feuchtinger/Lesigang aaO S. 164). Gemäß § 203 Abs 1 KO hat der Treuhänder dem Drittschuldner die Abtretung mitzuteilen und die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt, fruchtbringend anzulegen und am Ende des Kalenderjahrs an die Gläubiger zu verteilen. Selbst wenn daher im vorliegenden Fall (wofür sich im Akt allerdings keine Anhaltspunkte ergeben) das das Existenzminimum gemäß § 291a EO übersteigende Brutto- statt des Nettogehalts von der Abtretungserklärung umfasst wäre, wäre dieses jeglicher Disposition des Schuldners entzogen, sodass er gar nicht in der Lage wäre, hieraus seine Einkommensteuervorauszahlungen zu begleichen. Ist jedoch - was der Gesetzgeber als Regelfall ansieht - nur das pfändbare Nettoeinkommen von der Abtretungserklärung umfasst, steht einer Exekutionsführung auf den Differenzbetrag durch die Einschreiterin nichts im Weg. Nach § 206 Abs 1 KO dürfen die Konkursgläubiger während des Abschöpfungsverfahrens in das Vermögen des Schuldners nicht Exekution führen. Die Exekutionsführung anderer Gläubiger wird jedoch nicht für unzulässig erklärt. Andere Gläubiger sind etwa die „Neugläubiger" (Mohr in Konecny-Schubert KO § 208 Rz 4 mwH). Da die Einschreiterin in Ansehung der erst im Zug des Abschöpfungsverfahrens entstandenen Abgabenverbindlichkeiten als „Neugläubiger" anzusehen ist, kann sie auf das vom Abschöpfungsverfahren nicht erfasste Vermögen Exekution führen. Für eine, dem Gesetz nicht zu entnehmende Ausweitung der Obliegenheitspflichten des Schuldners besteht daher kein Handlungsbedarf.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
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