OGH 8Ob147/00a

OGH8Ob147/00a15.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras in der Schuldenregulierungssache Inge W*****, vertreten durch Mag. Lazlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einleitung des Abschöpfungsverfahrens, infolge Revisionsrekurses der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 29. März 2000, GZ 1 R 185/00p-44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 22. Februar 2000, GZ 25 S 11/99k-37, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt wird.

Der Antrag auf Kostenzuspruch wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Schuldnerin stellte am 22. 2. 1999 einen Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, auf Annahme eines Zahlungsplans sowie eventualiter auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Die Ursache für ihre Zahlungsunfähigkeit liege darin, dass sie als ehemalige Tabaktrafikantin "zuwenig Gewinn, jedoch zu viele Ausgaben" gehabt hätte. Sie beantragte die Annahme eines zulässigen Zahlungsplanes, der jedoch von den Gläubigern am 28. 12. 1999 nicht mit der erforderlichen Mehrheit angenommen wurde. Einige der bei der Tagsatzung anwesenden Gläubiger beantragten die Abweisung des Antrages auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens, da die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht zu erwarten sei und der pfändbare Einkommensteil lediglich wenige hundert S betrage, sodass die 10 %ige Quote nach sieben Jahren bei weitem nicht erreicht werde. Die Schuldnerin erklärte darauf, dass sie den Differenzbetrag zur Erfüllung der Quote an den Treuhänder aus ihrem an sich unpfändbaren Einkommen bezahlen werde. Sie beziehe derzeit eine vorläufige Erwerbsunfähigkeitspension auf Grund eines seit Geburt bestehenden Gehörschadens, der sich zunehmend verschlechtere und den Grad erreicht habe, der eine Erwerbsunfähigkeitspension auch weiterhin rechtfertige.

Das Erstgericht leitete mit Beschluss vom 22. 2. 2000 das Abschöpfungsverfahren ein. Nach Abzug des vorhandenen Massevermögens habe die Schuldnerin zur Erlangung der Restschuldbefreiung in sieben Jahren an die Gläubiger S 126.940,-- oder monatlich S 1.295,-- (14 x jährlich) zu bezahlen. Bei einem derzeit pfändbaren Betrag von (monatlich) ca. S 540,-- müsse die Schuldnerin ca. S 755,-- aus dem unpfändbaren Teil ihres Einkommens leisten. Selbst bei einem gleichbleibendem Einkommen sei ein Verfahrenserfolg anzunehmen, wenn die Schuldnerin auch Beträge aus ihrem unpfändbaren Existenzminimum zur Abdeckung eines Teiles der Forderungen heranziehen wolle und dies auch glaubwürdig bescheinigen könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs zweier Gläubiger, die geltend machten, dass die Restschuldbefreiung im Hinblick auf die voraussichtliche Quote nicht zu erwarten sei, Folge, änderte den angefochtenen Beschluss dahingehend ab, dass es den Antrag der Schuldnerin auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens abwies, und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob im Falle der Nichtabführung der zugesagen Beträge aus dem Existenzminimum in analoger Anwendung des § 210 Abs 1 KO eine vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens nach § 211 Abs 1 Z 2 KO in Frage komme.

In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefasst aus: Obwohl es sich bei der Frage, ob die Restschuldbefreiung im Hinblick auf die voraussichtliche Quote nicht zu erwarten sei, um eine Voraussetzung für die Einleitung des Schuldenregulierungsverfahrens an sich handle, sei die Erwartung der Restschuldbefreiung nach Anhörung der Beteiligten in der anzuberaumenden Tagsatzung neuerlich zu prüfen, da es in diesem Verfahrensstadium den Beteiligten freistehen müsse, auch substanziiert vorzubringen, dass die Erwartung der Restschuldbefreiung durch den Schuldner nicht ausreichend bescheinigt worden sei. Finde das Gericht diesen Einwand stichhaltig, habe der Schuldner die erforderlichen Umstände glaubhaft zu machen.

Um die in § 213 Abs 1 Z 2 KO genannte 10 %ige Quote zu erreichen, sei ein monatliches Erfordernis von S 1.511,15 (oder hochgerechnet auf 14 x entsprechend der Auszahlung der Pension) von S 1.295,27 gegeben. Von der Nettopension der Klägerin in Höhe von S 10.096,-- seien jedoch im Hinblick auf die Sorgepflicht für ein Kind, das einen weiteren Freibetrag rechtfertige, nur S 291,60 pfändbar. Demnach müsste die Schuldnerin jeweils 14 x jährlich S 1.003,67 aus dem unpfändbaren Teil ihres Einkommens dem Treuhänder zur Verfügung stellen, um die 10 %ige Quote erreichen zu können. Rein rechnerisch erscheine dies insofern möglich, als der regelmäßige monatliche Aufwand der Schuldnerin (unter Berücksichtigung der gewährten Mietzinsbeihilfe) nach ihren Angaben S 9.418,87 betrage. Zur Bescheinigung der 10 %igen Quote sei nicht unbedingt erforderlich, dass der Schuldner einen Einkommensbezug habe, dessen Höhe das Existenzminimum übersteige. Das gelte selbst dann, wenn keine Aussicht auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation vorläge, wenn der Schuldner angebe, Beträge aus dem Existenzminimum zur Abdeckung eines Teiles seiner Schulden heranzuziehen, und diese Behauptung glaubwürdig sei, etwa weil er dies schon bisher getan habe. Nachdem letzteres von der Schuldnerin nicht bescheinigt worden sei, verbleibe die Frage, ob für die Annahme des Verfahrenerfolges hinreichend sei, dass die Verwendung von Mitteln für die Schuldentilgung aus dem Existenzminimum nach den niedrigen Lebensführungskosten möglich erscheine.

Dem Rekursgericht scheine jedoch der Ansatz eines Betrages von S 2.000,-- zur Deckung der Kosten für Essen und Kleidung etc, wie von der Schuldnerin veranschlagt, gänzlich unrealistisch; bei wirklichkeitsnaher Betrachtung sei ein Betrag in zumindest doppelter Höhe zu veranschlagen. Schon danach sei die Erwartung der Restschuldbefreiung als nicht bescheinigt anzusehen. Überdies wäre selbst unter Annahme einer faktischen Möglichkeit für die Schuldnerin, bei bescheidenster Lebensführung aus dem Existenzminimum die vorbezeichneten Beträge an den Treuhänder abzuführen zu beachten, dass sich hieraus keineswegs die Leistungsbereitschaft der Schuldnerin schließen lasse. Die in der Tagsatzung vom 28. 12. 1999 zu Protokoll erklärte "Anweisung" an die penisonsauszahlende Sozialversicherungsanstalt, aus dem Existenzminimum Beträge an den Treuhänder abzuführen, sei jedenfalls unwirksam. Damit erhebe sich aber die Frage, welche Sanktionsmöglichkeiten verblieben, wenn die Schuldnerin ihrer Ankündigung zur Abführung von Mitteln aus dem Existenzminimum an den Treuhänder nicht nachkomme. Nach § 211 Abs 1 KO habe das Gericht auf Antrag eines Konkursgläubigers das Abschöpfungsverfahrens vorzeitig einzustellen, wenn der Schuldner seine Obligenheiten verletze. Die Nichtabführung von Beträgen aus dem Existenzminimum entgegen der getätigten Ankündigung sei im Obliegenheitskatalog des § 210 Abs 1 KO nicht enthalten. Wollte man daher den Obliegenheitskatalog des § 210 Abs 1 KO nicht analog erweitern, erscheine eine Sanktionsmöglichkeit bei Nichtabführung der angekündigten Beträge aus dem Existenzminimum nicht gegeben und somit nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens auch keine Handhabe gegeben, vor Ablauf der siebenjährigen Frist eine (vorzeitige) Einstellung des Abschöpfungsverfahrens (und somit eine Aufhebung der Exekutionssperre) zu erreichen. Für eine derartige Analogie biete der Gesetzeswortlaut aber keine Stütze. Aus diesen Erwägungen reiche die bloße faktische Möglichkeit zur Verwendung von Beträgen aus dem Existenzminimum zur Abführung an den Treuhänder nicht aus, um eine hinreichende Bescheinigung des Verfahrenserfolges (Erwartung der Restschuldbefreiung) annehmen zu können.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Schuldnerin wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag die rekursgerichtliche Entscheidung im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Es trifft zwar zu, dass das Rekursgericht, ohne der Schuldnerin Gelegenheit gegeben zu haben, hiezu Stellung zu nehmen, einen geringfügig abweichenden Sachverhalt als bescheinigt angenommen hat. Dem kommt aber im Ergebnis keine Bedeutung zu, sodass dahingestellt bleiben kann, ob hierin eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens zu sehen ist und welche Konsequenzen hieraus zu ziehen wären. Es ist zwar die Frage, welcher Sachverhalt als bescheinigt anzusehen ist und ob hiezu ausreichende Tatsachenfeststellungen vorliegen, eine vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Tatsachenfeststellung, doch ist die Frage der Erwartung ein Rechtsbegriff. Der Oberste Gerichtshof hat daher im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung zu überprüfen, ob auf Grund des bescheinigt angenommenen Sachverhalts die Erteilung der Restschuldbefreiung im Sinn des § 183 Abs 1 Z 3 KO zu erwarten ist, wobei allerdings von einigermaßen realistischen Erwartungen auzugehen ist (8 Ob 121/97w = SZ 70/100).

Diese Überprüfung ergibt, dass es durchaus realistisch ist, dass der Schuldnerin nach sieben Jahren Restschuldbefreiung im Sinn des § 213 Abs 1 Z 2 KO zu erteilen sein wird, weil die Gläubiger im Abschöpfungsverfahren 10 % ihrer Forderungen erhalten haben.

Nach einhelliger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (8 Ob 121/97d =

SZ 70/100; 8 Ob 127/98d = ZIK 1999, 68 ua) ist es nicht unbedingt

erforderlich, dass der Schuldner einen pfändbaren oder ausreichend pfändbaren Bezug hat. Selbst bei einem gleichbleibenden geringen Einkommen ist ein Verfahrenserfolg dann anzunehmen, wenn der Schuldner auch Beträge aus seinem unpfändbarem Existenzminimum zur Abdeckung eines Teiles seiner Forderungen heranziehen will und dies auch glaubwürdig bescheinigen kann. Eine solche Bescheinigung ist zB dann als gelungen anzusehen, wenn er dies schon bisher tat (Mohr, Privatkonkurs 7); erforderlich ist dies aber nicht. Die Bescheinigung kann auch auf andere Weise erbracht werden.

Entgegen den bisher vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fällen (zB 8 Ob 121/97w = SZ 70/100, in dem die monatlichen Ausgaben doppelt so hoch wie die Einnahmen waren) ist die Erwartung der Erteilung der Restschuldbefreiung unter den hier vorliegenden Umständen keinesfalls unrealistisch: Die monatlichen Ausgaben der Schuldnerin übersteigen ihr Einkommen (einschließlich Mietzinsbeihilfe) nicht; Nach den von der Schuldnerin angegebenen monatlichen Ausgaben verbleiben ihr noch S 600,-- zur freien Verfügung. Selbst wenn man mit dem Rekursgericht davon ausginge, dass die Ansätze für die Ausgaben für Essen und die unbedingt nötigen Ausgaben für neue Kleidung nicht ausreichen sollten, besteht noch ein gewisser Spielraum. Hinzu kommt, dass gewisse bisher getätigte Ausgaben bei einigen Bemühen zumindest teilweise einsparbar sind: so lassen sich - worauf auch die Schuldnerin in ihrem Revisionsrekurs hinweist und wozu sie sich auch bereit erklärt, die monatlichen Telefonkosten von derzeit ca. S 1.960,-- nach der Lebenserfahrung leicht um einen ganz beträchtlichen Betrag, zumindest um S 1.000,-- einschränken.

Die Schuldnerin müsste nach den Berechnungen des Rekursgerichtes aus dem ihr verbleibenden unpfändbaren Teil ihres Einkommens von monatlich S 9.804,40 knapp über S 1.000,-- (genau S 1.003,67) freiwillig dem Treuhänder zur Verfügung stellen, sodass ihr für die Befriedigung ihres Lebensbedarfs monatlich noch S 8.800,-- verbleiben. Da der allgemeine monatliche Grundfreibetrag nach § 291a Abs 1 EO nach dem Stand von 1999 S 8.110,-- betrug, müsste die Schuldnerin mit einem etwa S 700,-- höheren Betrag bei bescheidener Lebensführung unter Berücksichtigung der Einsparungsmöglichkeiten bei den Telefonausgaben das Auslangen finden, zumal sie offensichtlich - siehe ihr Vorbringen zu ihren Ausgaben - für ihren studierenden Sohn keine Geldleistungen erbringen muss.

Die Erwartung, dass der Schuldnerin bei Einhaltung ihrer Versprechungen, nach sieben Jahren die Restschuldbefreiung zu erteilen sein wird, weil die 10 %ige Quote erreicht wurde, ist daher keinesfalls unrealistisch.

Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die Schuldnerin bereit sei, Teile ihres exekutionsfreien Vermögens zur Tilgung ihrer Schulden heranzuziehen. Das Rekursgericht hat diesbezüglich nicht das Gegenteil als bescheinigt angenommen, sodass auch für den Obersten Gerichtshof von der Leistungsbereitschaft der Schuldnerin auszugehen ist. Es ist zwar richtig, dass keine Garantie gegeben ist, dass die Klägerin ihre Zusage einhält, den monatlichen Restbetrag von S 1.003,-- aus ihrem Existenzminimum an den Treuhänder zu bezahlen, bzw eine Anweisung an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, dies aus ihren unpfändbaren Bezügen zu tun, widerrufen könnte.

In einem solchen, ihren Zusagen widersprechenden Verhalten läge aber jedenfalls eine Obliegenheitsverletzung iSd § 210 KO, die zur vorzeitigen Einstellung des Abschöpfungsverfahrens nach § 211 Abs 1 Z 2 KO führen kann, wenn dieses Verhalten schuldhaft ist. Würde man die Verletzung von dem Treugeber zugesagten Leistungen nicht als Obliegenheitsverletzung ansehen, die zur vorzeitigen Einstellung des Abschöpfungsverfahrens berechtigen, könnten Abschöpfungsverfahren im Falle der Heranziehung von Mitteln aus dem Existenzminimum nie vorzeitig eingestellt werden; dies ist aber offensichtlich nicht die Absicht des Gesetzgebers, wie sich aus aus den Erläuterungen zur RV (1218 BlgNR 18. GP, 20) ergibt. Auch wenn der Schuldner bereits vor der Einleitung des Abschöpfungsverfahrens Beträge aus dem Existenzminimum geleistet hat (einen Umstand, den die Erläuterungen als Beispiel für die Leistungsbereitschaft des Schuldners werten), ist keine Gewähr dafür gegeben, dass er dies entsprechend seiner Zusage nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens weiterhin tun wird. Überdies könnten Abschöpfungsverfahren gegen freiberuflich Tätige unter diesem Aspekt nie vorzeitig eingestellt werden; auch dies entspricht nicht den Intentionen des Gesetzgebers (vgl § 210 Abs 2 KO iVm § 211 Abs 1 Z 2 KO.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes ist daher im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens abzuändern, weil auf Grund des als bescheinigt angenommenen Sachverhalts die Erwartung einer Restschuldbefreiung schon nach § 213 Abs 1 Z 2 KO durchaus realistisch ist, sodass die Erwartung einer Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 2 - 4 KO gar nicht mehr geprüft werden muss.

Der Antrag auf Kostenzuspruch wird zurückgewiesen, weil im Konkursverfahren gemäß § 173 Abs 1 KO ein Kostenzuspruch auch bei einem erfolgreichen Rechtsmittel ausgeschlossen ist.

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