OGH 8Ob127/98d

OGH8Ob127/98d15.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Konkurssache der Schuldner Sabine E*****, vertreten durch Mag. Christian Maurer, Rechtsanwalt in Salzburg, infolge Revisionsrekurses der Schuldnerin und der Konkursgläubigerin S***** AG, ***** vertreten durch Dr. Johannes Honsig-Erlenberg, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 18. Dezember 1997, GZ 53 R 422/97h-35, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 24. Oktober 1997, GZ 40 S 27/97-28, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 20. 12. 1969 geborene Schuldnerin gebar am 31. 5. 1989 ihr erstes Kind. Vom 1. 6. 1990 bis 14. 5. 1993 bezog sie (Sonder-)Notstandshilfe. Mitte 1994 machte sich die Schuldnerin als Taxiunternehmerin selbständig und legte dieses Gewerbe Mitte 1996 wieder zurück. Vom 30. 8. 1996 bis 16. 1. 1997 bezog sie Arbeitslosengeld und vom 17. 1. 1997 bis 6. 2. 1997 Notstandshilfe. Am 7. 3. 1997 brachte die Schuldnerin ihr zweites Kind zur Welt und bezog bis Mitte Juli 1997 Wochengeld.

Die hier rekurswerbende Gläubigerin, eine Bank, stand mit der Schuldnerin seit 1986 in Geschäftsbeziehung. Im Dezember 1994 gewährte sie ihr einen Gewerbesofortkredit in Höhe von S 155.000. Im Mai 1995 kam es zu einer Kreditaufstockung von S 112.000 und im Mai 1996 zu einer weiteren solchen von S 74.000.

Mit Beschluß vom 25. 3. 1997 (ON 6) eröffnete das Erstgericht aufgrund Antrages der Schuldnerin über deren Vermögens das Konkursverfahren. Fünf Gläubiger meldeten Forderungen von insgesamt rund S 740.000 an, wovon auf die rekurswerbende Konkursgläubigerin rund S 350.000 entfallen. Die Schuldnerin anerkannte alle Forderungen. Sie bot einen Zahlungsplan, wonach sie während der ersten 18 Monate monatlich S 1.080,46 und während der darauffolgenden 42 Monate monatlich S 2.618,43 zu bezahlen habe und damit insgesamt 17,63 % der angemeldeten Forderungen befriedige, an. Dieser Zahlungsplan wurde infolge Gegenstimme der hier rekurswerbenden Konkursgläubigerin nicht angenommen.

In der Tagsatzung vom 12. 9. 1997 (ON 24) teilte der die Amtshandlung führende Rechtspfleger unter Bezugnahme auf den nach Scheitern des Zahlungsplanes zu behandelnden Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens mit, daß nach dem Wissensstande des Gerichtes ein Einleitungshindernis nach § 201 Abs 1 Z 1, 5 und 6 KO nicht vorliege. Die hier rekurswerbende Konkursgläubigerin brachte daraufhin vor, daß das Einleitungshindernis des § 201 Abs 1 Z 3 KO geltend gemacht werde, weil die Schuldnerin einen unverhältnismäßigen Lebensaufwand betrieben habe. In ihrem Schriftsatz ON 26 präzisierte die Konkursgläubigerin ihr Vorbringen dahin, daß die Schuldnerin grob fahrlässig die Befriedigung der Konkursgläubiger geschmälert habe, indem sie unverhältnismäßig Verbindlichkeiten begründet und Vermögen verschleudert habe. Geringen Einnahmen aus dem Taxibetrieb seien hohe private Ausgaben gegenübergestanden, die unter anderem aus der Bekanntschaft mit einem Marokkaner resultiert hätten, den die Schuldnerin im Urlaub kennengelernt habe, mit dem sie sodann in ständigem telefonischen Kontakt gestanden sei, den sie des öfteren besucht und aufwendig nach Österreich eingeladen habe. Nach der letzten Kreditaufstockung im Mai 1996 seien keine Zahlungen mehr auf das Konto der Schuldnerin eingegangen, Mahnungen seien unbeantwortet geblieben. Darüber hinaus wies die Konkursgläubigerin im Schriftsatz darauf hin, "daß die Voraussetzungen für die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nicht gegeben seien, weil die Gemeinschuldnerin kein Einkommen im Sinn der §§ 195 Abs 1 Z 1, 199 Abs 2 bzw 202 Abs 2 KO bezieht." Da pfändbare Teile eines Einkommens in diesem Sinne nicht vorlägen, sei weder die in § 202 Abs 2 KO vorgesehene Bestellung eines Treuhänders noch die Vornahme der dort vorgesehenen Zession möglich.

Nach Vernehmung einer von der Konkursgläubigerin genannten Auskunftsperson leitete das Erstgericht über Antrag der Schuldnerin das Abschöpfungsverfahren ein und bestellte einen Treuhänder. Eines der im § 201 KO genannten Einleitungshindernisse liege nicht vor, weil grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten der Schuldnerin nicht festgestellt werden könne. Die von der Konkursgläubigerin in ihrer Stellungnahme vorgebrachten Einwendungen im Hinblick auf die Finanzierbarkeit des Abschöpfungsverfahrens könnten nur mit Rekurs gegen den Konkurseröffnungsbeschluß geltend gemacht werden und seien daher für diese Entscheidung nicht relevant.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Konkursgläubigerin gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Aus dem Tatsachenvorbringen der Konkursgläubigerin in erster Instanz lasse sich weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Handeln der Schuldnerin ableiten. Die festgestellte Überschuldung könne ebensogut auf Umstände zurückzuführen sein, bei denen die Schuldnerin nicht auffallend sorglos gehandelt habe, wie etwa Problemen mit dem von ihr betriebenen Taxiunternehmen. In diesem Sinne seien die Tatsachenbehauptungen der Konkursgläubigerin unschlüssig, weshalb es an Grundlagen, das Vorliegen des Einleitungshindernisses des § 201 Abs 1 Z 3 KO anzunehmen, mangle. Die Frage der Finanzierbarkeit des Abschöpfungsverfahrens könne auch noch im Zusammenhang mit der Entscheidung nach § 202 Abs 1 KO aufgerollt werden. Diesbezüglich sei der Schuldner behauptungs- und bescheinigungspflichtig. Da ausreichende Feststellungen über die derzeitigen Lebensverhältnisse der Schuldnerin fehlten, könne dazu, ob die Erteilung der Restschuldbefreiung zu erwarten sei, noch nicht Stellung genommen werden. Das Erstgericht werde daher das Verfahren zu ergänzen und sodann neuerlich zu entscheiden haben.

Rechtliche Beurteilung

Den dagegen erhobenen Rekursen der Konkursgläubigerin und der Schuldnerin kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 183 Abs 1 KO hat dann, wenn es an einem zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögen fehlt, der Antrag des Schuldners auf Konkurseröffnung neben einem genauen Vermögensverzeichnis (Z 1) und einem zulässigen Zahlungsplan samt Bescheinigung, daß der Schuldner diesen erfüllen werde (Z 2), auch den Antrag auf Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens und die Bescheinigung zu enthalten, daß die Erteilung einer Restschuldbefreiung zu erwarten ist (Z 3). Obwohl über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens erst zu entscheiden ist, wenn einem Zahlungsplan, obwohl er zulässig gewesen ist und die für das Verfahren geltenden Vorschriften beachtet sind, die Bestätigung versagt wurde (§ 200 Abs 1 KO), zählt der Antrag auf Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens bereits zu den Inhaltserfordernissen des Antrages auf Konkurseröffnung. Dies hat seinen Grund darin, daß die Konkurseröffnung ohne Kostendeckung nicht Selbstzweck ist, sondern die Eröffnung des Konkursverfahrens nur dann zweckmäßig erscheint, wenn Lösungen zwischen Gläubigern und Schuldnern zu erwarten sind, was nach Ablehnung eines Zwangsausgleichs oder Zahlungsplans nur bei einem erfolgreichen Abschluß des Abschöpfungsverfahrens in Frage kommt. Dadurch soll erreicht werden, daß nur in aussichtsreichen Fällen ein Verfahren eröffnet wird (1218 BlgNR 18. GP, 19 f). Aus diesem Grund darf gemäß § 183 Abs 1 letzter Halbsatz KO auch bereits im Antragszeitpunkt ein Einleitungshindernis nicht offenkundig vorliegen. Das Konkursgericht hat bereits zu diesem - bezogen auf die Entscheidung über das Abschöpfungsverfahren - frühen Zeitpunkt den Antrag auf seine Schlüssigkeit dahin zu prüfen, ob die Aussicht besteht, das gesamte Verfahren erfolgreich abzuwickeln.

Von dieser amtswegigen Vorprüfung, die nur aufgrund urkundlicher Bescheinigungen zu erfolgen hat (§ 183 Abs 3 KO), ist die eigentliche Entscheidung über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens nach Scheitern des Zahlungsplanes gemäß §§ 200 ff KO zu unterscheiden. Hier haben nun gemäß § 200 Abs 2 KO die dort genannten Verfahrensbeteiligten in einer anzuberaumenden Tagsatzung die Möglichkeit, ihre Einwendungen zu erheben. Erst diese Anhörung wahrt das rechtliche Gehör der Beteiligten. Erst zu diesem Zeitpunkt läßt sich ersehen, ob der Gemeinschuldner während des Konkursverfahrens seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nachgekommen ist (Deixler-Hübner, Privatkonkurs2 Rz 150). In diesem Verfahrensstadium muß es den Beteiligten auch freistehen, neben der Geltendmachung der im § 201 KO genannten Einleitungshindernisse substantiiert vorzubringen, die Erwartung der Erteilung einer Restschuldbefreiung sei durch den Schuldner nicht ausreichend bescheinigt worden. Dies klingt auch in der bereits vom Gericht zweiter Instanz zitierten Entscheidung des erkennenden Senates 8 Ob 121/97w = SZ 70/100 an, wenngleich dort - offenkundig irrtümlich - auf die Erwartung der Erfüllbarkeit des Zahlungsplanes und nicht der Erteilung der Restschuldbefreiung abgestellt wurde. Findet das Gericht aufgrund derartigen Vorbringens die vom Schuldner behauptete Erfolgsaussicht des Abschöpfungsverfahrens nicht ausreichend bescheinigt, ist es Sache des Schuldners, die erforderlichen Umstände glaubhaft zu machen. Wie bereits in SZ 70/100 dargestellt, sind entsprechend den Zielvorstellungen des Schuldenregulierungsverfahrens die Anforderungen an die Erfolgserwartungen nicht zu hoch anzusetzen, so daß nur schlechthin unrealistische Annahmen zur Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Abschöpfungsverfahrens führen können. Entgegen der Ansicht der rekurswerbenden Konkursgläubigerin ist es dabei nicht unbedingt erforderlich, daß der Schuldner einen pfändbaren Bezug hat, weil es ausreicht, daß der Schuldner aufgrund besonderer Umstände eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation erwartet, mithin in Zukunft voraussichtlich ein höheres Einkommen beziehen wird. Selbst bei gleichbleibendem (geringen) Einkommen ist ein Verfahrenserfolg dann anzunehmen, wenn der Schuldner auch Beträge aus seinem unpfändbaren Existenzminimum zur Abdeckung eines Teils der Forderungen heranziehen will und dies auch glaubwürdig bescheinigen kann (Deixler-Hübner aaO Rz 101). Die Restschuldbefreiung wird also nicht dadurch verhindert, daß der Schuldner zeitweise arbeitslos ist (1218 BlgNR 8. GP 32).

Wenn das Rekursgericht in diesem Sinne das Verfahren hinsichtlich der derzeitigen Lebensverhältnisse der Schuldnerin sowie insbesondere der derzeitigen und zukünftigen Einkünfte für ergänzungsbedürftig hält, vermag dem der Oberste Gerichtshof, der auch im Konkursverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist (8 Ob 2325/96m; SZ 70/100 ua), nicht entgegenzutreten.

Die rekurswerbende Konkursgläubigerin hat sich im Verfahren weiters auf das Vorliegen des Einleitungshindernisses gemäß § 201 Abs 1 Z 3 KO berufen und vorgebracht, die Schuldnerin habe die Befriedigung der Konkursgläubiger durch Eingehen unverhältnismäßiger Verbindlichkeiten vorsätzlich oder grob fahrlässig vereitelt. Diesbezüglich verweist Konecny, Restschuldbefreiung bei insolventen natürlichen Personen, ÖBA 1994, 911, 920 zutreffend darauf, daß in fast allen Fällen dem Schuldner irgendein Vorwurf wegen der eingetretenen Insolvenz gemacht werden könne. Der Gesetzeswortlaut sei aber schuldnerfreundlich, so daß nur grobe Fahrlässigkeit und unverhältnismäßiger Aufwand Tatbestandsmerkmale seien. Die Tatbestandsvoraussetzung wird daher nur dann gegeben sein, wenn der Schuldner Verbindlichkeiten im Widerspruch zur bisherigen Gestaltung seiner Lebensverhältnisse eingegangen ist, in der Absicht - bzw der grob - fahrlässigen Unkenntnis - , dadurch die Befriedigung der Konkursgläubiger zu schmälern. Unverhältnismäßig sind Verbindlichkeiten immer dann, wenn der Schuldner Ausgaben macht, die in keinem vernünftigen Verhältnis zu seiner Einkommenssituation stehen (Deixler-Hübner aaO Rz 153). Das tatbestandsmäßige Verhalten im Sinne eines der gesetzlich normierten Abweisungsgründe hat der Konkursgläubiger glaubhaft zu machen (§ 201 Abs 2 KO). Dem Gericht zweiter Instanz ist darin beizupflichten, daß das Vorbringen der Konkursgläubigerin den geltend gemachten Abweisungsgrund nicht darzustellen vermag. Betrachtet man die von der Konkursgläubigerin selbst vorgebrachten, der Schuldnerin nicht als Verschulden zuzurechnenden Umstände des Vermögensverfalls, wie etwa rechtliche Probleme aufgrund der Gesellschafterstellung in der das Taxiunternehmen betreibenden OEG, Unfallschäden am Taxi durch Aushilfsfahrer, zeigt sich, daß wesentliche Faktoren des Vermögensverfalles von der Schuldnerin zumindest nicht grob fahrlässig herbeigeführt wurden. Die von der Konkursgläubigerin immer wieder ins Treffen geführte angeblich kostenintensive Beziehung zu einem Marokkaner kann demgegenüber mangels entsprechenden Vorbringens auch nicht annähernd in ihren Auswirkungen in Relation zum aushaftenden Gesamtobligo sowie zu den sonstigen Lebensumständen der Schuldnerin gesetzt werden. Damit ist aber dem Vorbringen nicht zu entnehmen, inwieweit die Schuldnerin dadurch unverhältnismäßigen Aufwand betrieben haben könnte, zumal die von der Schuldnerin selbst genannte (AS 127) Möglichkeit der Unterstützung durch Dritte durchaus denkbar ist. Die Ansicht des Rekursgerichtes, aus dem Vorbringen der Gläubigerin sei das Vorliegen eines Einleitungshindernisses gemäß § 201 Abs 1 Z 3 KO nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen, ist daher zu billigen.

Beiden Revisionsrekursen ist ein Erfolg zu versagen.

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