Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.696,50 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Kinder des Klägers erhielten Unterhaltsvorschüsse von insgesamt 63.808,40 EUR, die vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Klägers fällig wurden. Diese Forderungen gingen gemäß § 30 UVG auf die beklagte Republik Österreich über.
Im mit Beschluss vom 6. September 2010 über das Vermögen des Klägers eröffneten Konkursverfahren meldete die Beklagte die Unterhaltsrückstände von 63.808,49 EUR an; der Masseverwalter anerkannte diese Forderung. Mit Beschluss vom 27. Jänner 2011 (bekannt gemacht am 22. Februar 2011) wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und der Konkurs aufgehoben.
Am 27. Mai 2011 beantragte die Beklagte zur Hereinbringung der vollstreckbaren Unterhaltsrückstände von 63.808,49 EUR die Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294 EO unter Hinweis auf das gesetzliche Unterhaltsexistenzminimum nach § 291b EO. Die beantragte Exekution wurde am 1. Juni 2011 bewilligt.
Der Kläger erhob Oppositionsklage und begehrte, die bewilligte Forderungsexekution für gehemmt bzw den Anspruch für erloschen zu erklären. Nach Beendigung des Konkursverfahrens sei eine Exekutionsführung auf die Differenz der Existenzminima nach § 291a EO und § 291b EO unzulässig.
Die Beklagte wendete ein, für die bis zur Konkurseröffnung entstandene Unterhaltsforderung könne auf die Differenz zwischen den Existenzminima gemäß § 291a EO und § 291b EO Exekution geführt werden, weil dieses Vermögen vom Konkursverfahren unberührt bleibe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens könne auf die Differenz der Existenzminima zwischen § 291a und § 291b EO Exekution geführt werden.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die von der Lehre gebilligt werde, nicht zulässig sei. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass ein Unterhaltsgläubiger auf das konkursfreie Vermögen des Unterhaltsschuldners auch dann Exekution führen könne, wenn er die betriebene Forderung im Konkurs des Unterhaltsschuldners als Konkursforderung angemeldet habe und diese anerkannt worden sei. Bezüge, die das Existenzminimum nach § 291a EO nicht übersteigen, blieben in der Rechtszuständigkeit des Gemeinschuldners und seien somit dem Zugriff der Unterhaltsgläubiger ausgesetzt. Allein die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens bewirke keine Entschuldung des Schuldners. Es bleibe daher auch nach Aufhebung eines Konkurses oder nach Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens dabei, dass Bezüge, die das Existenzminimum nach § 291a EO nicht übersteigen, in der Rechtszuständigkeit des Gemeinschuldners bleiben und dem Zugriff der Unterhaltsgläubiger ausgesetzt seien.
Die Revision des Klägers, mit der er weiter die Stattgebung seiner Oppositionsklage anstrebt, ist mangels (ausdrücklicher) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zulässigkeit der Exekution zur Hereinbringung von vor Konkurseröffnung entstandenen Unterhaltsrückständen auf das das Existenzminimum nach § 291a EO nicht übersteigende Einkommen nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Revisionswerber vertritt weiterhin den Standpunkt, die Exekutionsführung auf die Differenz zwischen den Existenzminima nach § 291a EO und § 291b EO sei unzulässig, weil dies dem Grundsatz der Gleichbehandlung sämtlicher Konkursgläubiger widerspreche und diese Unterhaltssondermasse nur der Deckung laufender Unterhaltsansprüche diene.
Rechtliche Beurteilung
Mehrfach sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die Exekutionsführung des Unterhaltsgläubigers zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands auf das konkursfreie Vermögen des Unterhaltsschuldners, also die nicht in die Konkursmasse fallende Differenz zwischen den Existenzminima nach § 291a EO und § 291b EO, zulässig sei (RIS‑Justiz RS0115221), dies allerdings vor dem Hintergrund eines anhängigen Insolvenzverfahrens. Im vorliegenden Fall wurde durch Einleitung des Abschöpfungsverfahrens der Konkurs über das Vermögen des Klägers aber aufgehoben.
Neuhauser (Die Durchsetzung von Unterhaltsforderungen im Abschöpfungsverfahren, ÖA 2003, 56 f) vertritt unter Berufung auf die vorgenannten Entscheidungen den Standpunkt, die Exekutionsführung auf die Unterhaltssondermasse sei auch während anhängigem Abschöpfungsverfahren zulässig. Eine andere Lösung würde eine Besserstellung des Schuldners bedeuten, weil ihm während des anhängigen Abschöpfungsverfahrens das Existenzminimum nach § 291a EO bliebe, während ihm außerhalb bloß das Existenzminimum nach § 291b EO verbliebe. Dieser Auffassung folgten Rekursgerichte (LGZ Wien 46 R 129/07x = RPflSlgE 2007/95 und LG Wels 21 R 66/05p = RPfSlgE 2005/106; gegenteilig aber LG Linz 15 R 117/95 = ZIK 1996, 28).
Schneider (Privatinsolvenz 128 f) und Jelinek/Nunner‑Krautgasser (in Konecny/Schubert §§ 60, 61 KO Rz 60) vertreten unter Berufung auf das Gebot der Gläubigergleichbehandlung die Auffassung, dass eine Besserstellung des Unterhaltsgläubigers durch (zusätzliche) Heranziehung des konkursfreien Vermögens nicht gerechtfertigt wäre.
Zu 10 Ob 13/12b geht der Oberste Gerichtshof in einer Unterhaltsvorschusssache offenbar davon aus, dass die hier strittige Exekutionsführung auf die Differenz der Existenzminima nach § 291a EO und § 291b EO zulässig sei.
Der für das anhängige Konkursverfahren mehrfach bestätigte Grundsatz, wonach die Exekutionsführung des Unterhaltsgläubigers zur Hereinbringung des vor Konkurseröffnung entstandenen Rückstands auf das konkursfreie Vermögen des Unterhaltsschuldners zulässig ist, ist auch nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens und der damit verbundenen Aufhebung des Konkurses fortzuführen. Die Exekutionssperre des § 206 Abs 1 IO im Abschöpfungsverfahren setzt nur die Exekutionssperre des Konkursverfahrens (§ 10 IO) und löst keine anderen Rechtsfolgen als diese aus. Die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bedeutet noch nicht, dass es zu der durch das Abschöpfungsverfahren angestrebten Restschuldbefreiung kommen wird. Mögen auch aus dem Differenzbetrag der Existenzminima nach § 291a EO und § 291b EO vorrangig die laufenden Unterhaltsforderungen zu befriedigen sein (§ 291b Abs 3 EO; vgl 10 Ob 13/12b), ändert dies doch nichts daran, dass die sich aus der Differenz der Existenzminima ergebende Unterhaltssondermasse auch zur Hereinbringung vor Eröffnung des Konkursverfahrens bereits fällig gewordener Unterhaltsrückstände dient. Darauf kann Exekution geführt werden. Insoweit besteht eine Sonderstellung der Unterhaltsgläubiger, nämlich eine ähnliche Rechtsstellung, wie sie Absonderungsgläubigern zukommt (3 Ob 205/00v).
Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die vom Kläger angegriffene Exekution in die Unterhaltssondermasse als zulässig angesehen und die Oppositionsklage abgewiesen. Der unbegründeten Revision des Klägers war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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