OGH 4Ob254/15d

OGH4Ob254/15d30.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Zahnärztekammer, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S***** GmbH, *****, 2. D***** N*****, beide vertreten durch Piaty, Müller-Mezin, Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 3. November 2015, GZ 5 R 162/15f‑23, mit welchem infolge Rekurses der beklagten Parteien der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 2. September 2015, GZ 10 Cg 86/15f‑12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00254.15D.0330.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.292,62 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 215,44 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die erstbeklagte Gesellschaft vermietet in einem Gewerbeobjekt Geschäftsflächen, unter anderem an zwei Zahnärzte. Die Zweitbeklagte ist Geschäftsführerin und einzige Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Die klagende Zahnärztekammer beanstandet die Gestaltung des unter den Domainnamen s*****.at und z*****.at betriebenen Internetauftritts der Erstbeklagten. Die Startseite dieses Internetauftritts zeigt zwei lächelnde - und dabei offenkundig ihre schönen Zähne zeigende - Personen, weiters die Schriftzüge s***** (Firmenschlagwort der Erstbeklagten) und z***** , einen stilisierten Zahn, die Zeitangabe „9.00 bis 19.00 Uhr“ und die Kontaktdaten der Erstbeklagten. Über den Button „Zentrum“ kann eine Liste der im Gewerbeobjekt ansässigen Unternehmen abgerufen werden. Bei Anklicken der Rubrik „Zahnärzte“ gelangt man auf eine Seite, auf der zwei weitere lächelnde Personen mit den Slogans „Schönes Lächeln ...“ und „Nahezu schmerzfrei ...“ gezeigt werden. Darunter steht:

„... Finden Sie Ihren Zahnarzt des Vertrauen! in unserem ZAHNÄRZTEZENTRUM.

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Unsere selbstständig niedergelassenen Zahnärzte:

Dr. L ***** A***** (Schwerpunkt: Zahnerhaltung, Implantate)

Dr. D ***** V***** (Schwerpunkt: ästhetische Zahnheilkunde, Erwachsene u. Jugendl. Kieferregulierung)

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Gewerbepark ***** ***** Österreich Tel. *****

Termin NUR nach telefonischer Vereinbarung

Notfallstelefon 0664/ *****.

Montag-Freitag 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr erreichbar!

E-Mail: office@m *****“

Diesen Internetauftritt hatte die Zweitbeklagte gestaltet, sie hatte ihn zuvor mit den beiden Zahnärzten abgestimmt.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragt die klagende Zahnärztekammer, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

a. Internetwerbung für Zahnärzte und/oder deren Leistungen durch eine Präsentation von Zahnärzten oder ihrer zahnärztlichen Leistungen auf den Webseiten www.z *****.at oder www.s *****.at zu betreiben;

b. für von ihnen präsentierte Ordinationen die Bezeichnung „Zentrum“ allein und/oder in Verbindung mit weiteren Begriffen wie z.B. „Zahnärztezentrum“ zu verwenden.

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur Punkt (a) dieses Begehrens. Die Klägerin bringt dazu vor, Zahnärzten sei nach Art 5 lit e der nach § 35 Abs 5 ZahnärzteG erlassenen WerbeRL Internetwerbung auf fremden Webseiten untersagt. Die Beklagten seien zwar keine Zahnärzte, unterlägen aber deren standesrechtlichen Vorschriften, weil sie für Zahnärzte werbend aufträten. Daher verstießen auch sie ‑ als unmittelbare Täter ‑ gegen dieses Werbeverbot. Abgesehen davon hafteten sie auch als Beitragstäter nach § 18 UWG.

Die Beklagten wenden ein, dass es sich bei den beanstandeten Ankündigungen nicht um Werbung für Zahnärzte handle, sondern um eine Präsentation der im Gewerbeobjekt tätigen Unternehmen. Die Beklagten hätten nur Angaben zu den Kontaktdaten und zur Erreichbarkeit der Zahnärzte gemacht. Die Formulierungen „Schönes Lächeln“, „Nahezu schmerzfrei“ und „Zahnarzt des Vertrauens“ seien Hinweise auf deren Leistungsspektrum und entfalteten keine Werbewirkung. Die Werberichtlinie dürfe nicht dahin ausgelegt werden, dass eine Informationsweitergabe von Zahnärzten ganz allgemein verboten sei; ein derartiges Verständnis sei unsachlich und daher verfassungswidrig. Jedenfalls sei die Rechtsansicht der Beklagten vertretbar. Die Beklagten seien nicht passiv legitimiert, weil sie einen allfälligen Wettbewerbsverstoß der Zahnärzte nicht bewusst gefördert hätten. Die Verantwortung für die Einhaltung der standesrechtlichen Bestimmungen liege bei den Zahnärzten, die im konkreten Fall die beanstandeten Ankündigungen freigegeben hätten.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Zahnärzten sei zwar nach Art 4 lit d WerbeRL ein eigener Internetauftritt gestattet; nach Art 5 lit e WerbeRL sei ihnen aber „Internetwerbung (zB Werbebanner auf fremden Homepages)“ untersagt. Die beanstandeten Ankündigungen seien einem solchen „Werbebanner“ gleichzuhalten. Die standesrechtlichen Werbebeschränkungen seien von jedem zu beachten, der für Zahnärzte werbend auftrete. Die Bezeichnung „Zahnärztezentrum“ sei aus näher dargestellten Gründen irreführend.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Die beanstandeten Ankündigungen dienten „primär“ der Bewerbung des Gewerbeparks der Beklagten und nicht der dort tätigen Zahnärzte. Es sei nicht bescheinigt, dass die Werbung im Auftrag der Zahnärzte erfolgt sei, weswegen eine Umgehung des Werbeverbots der WerbeRL „nicht objektiviert“ sei. Die beanstandete Werbung sei weder unsachlich noch irreführend, aggressiv oder marktschreierisch. Die Auffassung der Beklagten, sie dürften in dieser Weise für ihr eigenes Unternehmen werben, stehe nicht in offenkundigem Widerspruch zum Wortlaut von Art 5 lit e (iVm Art 4 lit d) WerbeRL, der Zahnärzten das Werben für ihr Unternehmen auf fremden Webseiten untersage. Die Beklagten hätten daher aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht gehandelt. Die Bezeichnung „Zentrum“ sei aus näher dargestellten Gründen nicht irreführend.

Gegen die Abweisung von Punkt (a) des Begehrens richtet richtet sich ein außerordentlicher Revisionsrekurs der Klägerin. Sie strebt eine stattgebende Entscheidung an und macht geltend, dass Art 5 lit e WerbeRL Zahnärzten jegliche Internetwerbung auf fremden Webseiten verbiete, ohne dass es auf deren Inhalt ankomme. Die beanstandeten Ankündigungen seien eindeutig als solche Werbung zu qualifizieren. Die Beklagten seien an dieses Verbot gebunden, weil sie Werbung für Zahnärzte betrieben; bei den beanstandeten Ankündigungen handle es sich nicht bloß um eine Information über die Mieter des Gewerbeobjekts.

Die Beklagten beantragen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Es handle sich um keine unzulässige Werbung; zudem seien die Beklagten nicht an das zahnärztliche Standesrecht gebunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtslage zur Internetwerbung von Zahnärzten einer Klarstellung bedarf; er ist aber nicht berechtigt.

1. Wer für ‑ bestimmte (4 Ob 38/15i mwN) ‑ Ärzte oder Zahnärzte werbend auftritt, hat sich nach ständiger Rechtsprechung einer gegen deren Standesrecht verstoßenden Ankündigung zu enthalten (4 Ob 319/97h mwN, RIS-Justiz RS0106099; zuletzt etwa 4 Ob 122/12p, Zahnarztwerbung III , und 4 Ob 38/15i, Hausbesuche ). Diese Verpflichtung ergibt sich bei der Werbung für Zahnärzte aus § 35 Abs 4 ZÄG, wonach die „Vornahme der gemäß Abs 2 und 3 verbotenen Tätigkeiten“ ‑ also insbesondere eine standesrechtlich unzulässige Werbung iSv § 35 Abs 2 ZÄG ‑ „auch sonstigen natürlichen und juristischen Personen untersagt“ ist. Diese Bestimmung zielt auf Dritte, die für Zahnärzte werben; sie soll eine Umgehung der Werberegelungen verhindern. Der Dritte ist an die aufgrund von § 35 Abs 5 ZÄG erlassenen Werberichtlinien gebunden (4 Ob 122/12p, Zahnarztwerbung III, mwN).

2. Eine Verletzung dieser Verpflichtung kann einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch in der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ begründen. Maßgebend ist dabei die Vertretbarkeit der dem beanstandeten Verhalten zugrunde liegenden Rechtsansicht.

2.1. Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (4 Ob 225/07d, Wiener Stadtrundfahrten , RIS‑Justiz RS0123239). Dabei genügt nach allgemeinen Grundsätzen auch die Eignung des Verhaltens zur Förderung fremden Wettbewerbs (vgl RIS‑Justiz RS0123244 [T1]; zuletzt etwa 4 Ob 129/15x mwN).

2.2. Standesrechtliche Werbebeschränkungen sind nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnen. Auch insofern kommt es daher auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht an.

(a) In 4 Ob 225/07d, Wiener Stadtrundfahrten , hatte der Senat erwogen, dass es auch außerhalb des UWG Normen mit spezifisch lauterkeitsrechtlichem Charakter geben könnte, bei denen es ‑ wie bei einem Verstoß gegen Bestimmungen des UWG selbst ‑ nicht auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht ankäme. Diese Frage stellte sich insbesondere bei standesrechtlichen Werbebeschränkungen. Der Senat ließ sie insofern in einer Reihe von Entscheidungen ausdrücklich offen (4 Ob 199/08f, Zahn-Oase ; 4 Ob 176/11b) oder unerörtert (4 Ob 130/12i, Ungarische Zahnärztin ; 4 Ob 94/14y, Schriftliche Abhandlungspflege , ÖBl 2015, 12 [ Leupold ]), und zwar deswegen, weil in den konkreten Fällen ohnehin eine unvertretbare Rechtsansicht vorlag, sodass eine Stellungnahme zur Frage, ob es auf die Richtigkeit oder bloß auf die Vertretbarkeit dieser Rechtsansicht ankomme, nicht erforderlich war. In 4 Ob 215/11p ( Zahnarztangst , ÖBl 2013, 15 [ Gamerith ]) prüfte der Senat hingegen nur die Vertretbarkeit der Rechtsansicht und bezeichnete die Frage nach deren Richtigkeit ausdrücklich als irrelevant. Damit wurde der spezifisch lauterkeitsrechtliche Charakter der standesrechtlichen Werbebeschränkungen implizit verneint.

(b) Eine vergleichbare Frage stellte sich beim Verstoß gegen Vorschriften des Kartellrechts. Ungeachtet des Umstands, dass die einschlägigen Bestimmungen ähnlichen Zwecken wie das Lauterkeitsrecht dienten, sah der Senat auch hier den Vertretbarkeitsstandard als maßgebend an (4 Ob 60/09s, Rechtsanwaltssoftware, jusIT 2009, 181 [ Staudegger ] = ecolex 2009, 1071 [ Tonninger ] = ÖBl 2010, 64 [ Gamerith ]). Der Gesetzgeber habe zur Durchsetzung des Kartellrechts ein besonderes Verfahren und ein eigenes Sanktionensystem vorgesehen. Mit diesem Regelungskonzept sei es unvereinbar, jeden Verstoß gegen das Kartellgesetz zwingend auch als unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG anzusehen. Vielmehr müsse mit der Unvertretbarkeit dem beanstandeten Verhalten ein weiteres den Mitbewerber belastendes Element hinzutreten. Diese Auffassung stehe auch im Einklang mit der Grundkonzeption des Rechtsbruchtatbestands: Die Marktteilnehmer müssten ihr Verhalten nicht von vornherein an der strengsten Auslegung der maßgebenden Regelungen orientieren; lauterkeitsrechtliche Unterlassungspflichten entstünden jedenfalls im Anwendungsbereich der großen Generalklausel erst bei einem Verstoß gegen die Erfordernisse der beruflichen Sorgfalt.

(c) Diese Erwägungen können auf standesrechtliche Werberegelungen übertragen werden.

Solche Regelungen treffen in erster Linie die Angehörigen des jeweiligen freien Berufs; abgesehen von der Wiederholung auch sonst geltender Verbote ‑ etwa in Bezug auf irreführende Werbung ‑ beschränken sie aus standespolitischen Erwägungen die sonst bestehende Handlungsfreiheit der Wettbewerber. Primärer Regelungszweck ist das Interesse des Standes, die Besonderheit der jeweils erbrachten Dienstleistungen auch durch Einschränkungen bei der Werbung hervorzuheben. Gesundheit (oder auch Rechtsberatung) soll nicht als „Ware“ verstanden werden, die sich in Bezug auf die Werbung nicht grundsätzlich vom Angebot auf anderen Märkten unterscheidet.

Zur Wahrung dieser Standesinteressen besteht mit dem jeweiligen Disziplinarrecht ein eigenständiges Sanktionensystem, wobei den für dessen Durchsetzung zuständigen Behörden und Gerichten die Konkretisierung der einschlägigen Bestimmungen obliegt. Dabei wirken zumindest in erster (§ 140 Abs 3 ÄrzteG, § 62 Abs 2 Z 2 ZÄKG), teilweise aber auch in zweiter und letzter Instanz (§ 59 Disziplinarstatut der Rechtsanwälte; § 171 NO) Vertreter des jeweiligen Standes an der Rechtsfindung mit. Auch darin spiegelt sich der primär standespolitische Charakter dieser Werbebeschränkungen wider.

Dieser klaren Kompetenzzuweisung liefe es ‑ wie im Kartellrecht ‑ zuwider, wenn die einschlägigen Regelungen, parallel zur Spruchpraxis dieser Organe, auch in lauterkeitsrechtlichen Verfahren ausgelegt und damit auch dort die Pflichten der Standesmitglieder bis ins Detail konkretisiert würden. Zu diesem kompetenzrechtlichen Argument tritt auch hier ein inhaltliches: Die ‑ auch im Bereich des Mitbewerberschutzes als Kriterium heranzuziehende (4 Ob 225/07d, Wiener Stadtrundfahrten ) ‑ berufliche Sorgfalt erfordert nur, dass sich die Angehörigen der betroffenen Berufsgruppe an den klaren Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen und deren Auslegung durch die hiefür zuständigen Organe halten. Bestehen danach Zweifel über die Reichweite eines Verbots, müssen sie ihr Verhalten nicht von vornherein an der strengsten Auslegung der maßgebenden Regelung orientieren. Auch die Maßgeblichkeit einer vertretbaren Rechtsansicht gewährleistet die mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts sicherzustellende Gleichbehandlung der Wettbewerber (4 Ob 225/07d, Wiener Stadtrundfahrten ).

(d) Eine Grenze findet diese Auffassung lediglich dort, wo ein bestimmtes Verhalten nicht nur gegen standesrechtliche Verpflichtungen verstößt, sondern ganz allgemein als irreführende oder aggressive Geschäftspraktik zu qualifizieren ist. Die diesbezüglichen Bestimmungen des UWG bleiben neben den standesrechtlichen Vorschriften anwendbar; ihre Konkretisierung und Durchsetzung obliegt den Gerichten im Lauterkeitsprozess. Die Erwägungen zum Vertretbarkeitsstandard beziehen sich daher nur auf jene strengeren Anforderungen und Werbebeschränkungen, die sich aus spezifisch standesrechtlichen Erwägungen ergeben.

(e) Dass standesrechtliche Werbebeschränkungen unter Umständen auch von Dritten zu beachten sind, die für Angehörige der jeweiligen Berufsgruppe werben, zwingt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar sind solche Personen (selbstverständlich) nicht dem jeweiligen Disziplinarrecht unterworfen, sodass die standesrechtlichen Pflichten, die mittelbar auch sie treffen, ihnen gegenüber nicht durch die dafür an sich zuständigen Organe konkretisiert werden können. Es besteht jedoch aus lauterkeitsrechtlicher Sicht kein Anlass, sie strenger zu behandeln als die Angehörigen der Berufsgruppe selbst. Zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen genügt auch insofern eine Gleichbehandlung mit den Angehörigen des Standes und damit die Anwendung des Vertretbarkeitsstandards. Sollten die zur Verfolgung standeswidriger Werbung berufenen Organe einer Kammer ein Verhalten, das in einem UWG‑Verfahren als vertretbar qualifiziert wurde, dennoch als standeswidrig ansehen, könnten sie ein Disziplinarverfahren gegen jenen Arzt oder Zahnarzt einleiten, der dieser Werbung zugestimmt hat oder nicht gegen sie eingeschritten ist. Wird in einem solchen Verfahren eine Verletzung standesrechtlicher Pflichten festgestellt, könnten sich in weiterer Folge auch Dritte nicht mehr auf eine vertretbare Rechtsansicht berufen.

2.3. Im Ergebnis ist daher eine Verletzung standesrechtlicher Werberegeln nur dann unlauter, wenn sie auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht. Für die Beurteilung dieser Frage sind der Wortlaut der jeweiligen Bestimmung und die Praxis der für deren Auslegung primär zuständigen Organe maßgebend. Davon getrennt ist bei entsprechendem Vorbringen zu prüfen, ob die beanstandete Werbung auch dem allgemeinen Verbot irreführender oder aggressiver Geschäftspraktiken zuwiderläuft. Insofern ist die Einhaltung der beruflichen Sorgfalt unerheblich (C‑435/11, CHS Tour Travel , ÖBl 2014, 19; 4 Ob 183/13k, Schulschikurse III, ecolex 2014, 256 [ Horak ] = RIS-Justiz RS0129125), weshalb es auch nicht auf die Vertretbarkeit der dem beanstandeten Verhalten zugrunde liegenden Rechtsansicht ankommen kann.

3. Im konkreten Fall beruht das Verhalten der Beklagten auf einer vertretbaren Rechtsansicht.

3.1. Die Klägerin stützt sich auf einen Verstoß gegen Art 5 lit e der nach § 35 ZÄG erlassenen WerbeRL für Zahnärzte. Diese WerbeRL wurden zuletzt am 11. 12. 2015 geändert. Die aktuelle Fassung der hier maßgebenden Bestimmungen lautet wie folgt (Website der Zahnärztekammer):

Art 4: Im Zusammenhang mit der Ausübung des zahnärztlichen Berufes sind dem Angehörigen des zahnärztlichen Berufes ‑ unter Beachtung der Bestimmungen dieser Richtlinie ‑ insbesondere gestattet:[...]

d. die Einrichtung einer eigenen Webseite im Internet und eigener Profilseiten in sozialen Netzwerken wie Facebook, Google+, Xing, LinkedIn o. dgl., wobei bei den Inhalten solcher Web- oder Profilseiten die Bestimmungen dieser Werberichtlinien sowie sinngemäß die Bestimmungen der E-Commerce-Verhaltensrichtlinien für Zahnärzte in der EU (siehe Anhang 1) einzuhalten sind; [...]

Art 5 lit e: Die Erwähnung des Namens des Angehörigen des zahnärztlichen Berufes und der nach dem Zahnärztegesetz zulässigen Berufsbezeichnung, der Tätigkeiten, die der Angehörige des zahnärztlichen Berufes tatsächlich und erlaubterweise ausübt, sowie der nach der Schilderordnung auf einem Ordinationsschild zulässigen Angaben, sofern diese nicht in anziehender oder anreizender Weise erfolgen, in online-Telefon-, Adress- und Branchenverzeichnissen sowie Suchmaschinen sind erlaubt, wobei bei den Inhalten solcher Ankündigungen die Bestimmungen dieser Werberichtlinien sowie sinngemäß die Bestimmungen der E-Commerce-Verhaltensrichtlinien für Zahnärzte in der EU (siehe Anhang 1) einzuhalten sind. Hingegen ist Internetwerbung auf fremden Webseiten (z.B. in fremde Webseiten eingebundene Werbebanner, Pop-up- oder Pop-under-Werbung, AdClips, Verbal Placements, u.dgl.) untersagt.

Die zum Zeitpunkt des Verstoßes geltende Fassung lautete demgegenüber wie folgt:

Art 4: Im Zusammenhang mit der Ausübung des zahnärztlichen Berufes sind dem Angehörigen des zahnärztlichen Berufes ‑ unter Beachtung der Bestimmungen dieser Richtlinie ‑ insbesondere gestattet:[...]

d.  die Einrichtung eines Internetauftritts, wobei bei den Inhalten des Internetauftritts die Bestimmungen dieser Werberichtlinien sowie sinngemäß die Bestimmungen der E-Commerce-Verhaltensrichtlinien für Zahnärzte in der EU (siehe Anhang 1) einzuhalten sind ; […]

Art 5 lit e: Fernseh‑, Radio-, Kino-, Plakat- und Internetwerbung (z.B. Werbebanner auf fremden homepages) ist Angehörigen des zahnärztlichen Berufes untersagt.

3.2. Diese Rechtsänderung während des Verfahrens ist zu berücksichtigen. Ein Verbot könnte nur erlassen werden, wenn das beanstandete Verhalten sowohl nach altem als auch nach neuem Recht als unlauter anzusehen wäre (RIS‑Justiz RS0123158 [T2, T3]). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich ‑ wie hier ‑ zwar nicht die lauterkeitsrechtliche Bestimmung als solche, wohl aber die dem Rechtsbruchtatbestand zugrunde liegende Norm geändert hat (4 Ob 58/14d, Automatik‑Startfunktion , wbl 2014, 413).

3.3. Nach beiden Fassungen der WerbeRL ist Zahnärzten zwar „Internetwerbung“ verboten. Die jeweiligen Klammerausdrücke machen jedoch deutlich, dass diese Regelung in vertretbarer Weise dahin ausgelegt werden kann, dass davon nur typische Werbeeinschaltungen („Werbebanner“, „AdClips“, „Verbal Placements“) erfasst sein sollen. Das trifft im konkreten Fall nicht zu, weil die Website der Beklagten nach ihrem ganzen Erscheinungsbild eine ‑ als solche jedenfalls zulässige ‑ eigene Website der Zahnärzte ersetzt. Die Beklagten konnten in vertretbarer Weise annehmen, dass es aus standesrechtlicher Sicht unerheblich ist, ob Zahnärzte eine eigene Website betreiben oder ob eine solche Website in jene eines Geschäftszentrums integriert ist, in dem sich die Ordination dieser Zahnärzte befindet. Dass ein solches „Auslagern“ von Werbung nicht von vornherein standeswidrig ist, ergibt sich aus der Neufassung der WerbeRL, wonach „Profilseiten“ in sozialen Netzwerken zulässig sind. Die Website eines Geschäftszentrums kann ebenso wie ein soziales Netzwerk als von einem Dritten zur Verfügung gestellte Plattform angesehen werden, auf der Zahnärzte in zulässiger Weise ihre Leistungen präsentieren oder ‑ wie hier ‑ präsentieren lassen. Auf die im Revisionsrekurs erörterte Frage, ob die beanstandete Ankündigung zudem in vertretbarer Weise als Werbung für das Geschäftszentrum der Beklagten mit einer bloß mittelbaren Werbewirkung für die Zahnärzte angesehen werden könnte und auch aus diesem Grund nicht unter die standesrechtlichen Werbeberegelungen falle, kommt es unter diesen Umständen nicht an.

3.4. Damit könnte ein Verbot nur erlassen werden, wenn und soweit der Auftritt auch inhaltlich gegen die standesrechtlichen Regelungen verstieße. Insofern hat die Klägerin nur die Verwendung des Begriffs „Zahnärztezentrum“ beanstandet. Die Abweisung des darauf bezogenen Unterlassungsbegehrens ist mangels Anfechtung nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens.

4. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Klägerin scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 50, 41 ZPO.

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