OGH 4Ob130/12i

OGH4Ob130/12i18.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Zahnärztekammer, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Z***** N*****, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in Wien, und der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin H***** GmbH, *****, vertreten durch die Hornek Hubacek Lichtenstrasser Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 32.000 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 6. Juni 2012, GZ 3 R 94/12g-19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Beklagte, eine in Ungarn nahe der österreichischen Grenze tätige Zahnärztin, bewarb ihre Leistungen - entgegen den Bestimmungen der gemäß § 35 Abs 5 Zahnärztegesetz (ZÄG) erlassenen Werberichtlinien (WerbeRL) - mittels eines einseitigen Inserats in einem österreichischen Magazin und mittels eines Werbespots in einem österreichischen Radiosender. Die Vorinstanzen untersagten der Klägerin mit einstweiliger Verfügung, im Gebiet der Republik Österreich derartige Werbemaßnahmen für ihre zahnärztliche Tätigkeit vorzunehmen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils insgesamt 30.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Beklagte geltend, ihre Einschaltungen hätten bloß Informationscharakter. Art 5 lit c und e der WerbeRL seien gesetz- und verfassungswidrig; die Bestimmungen verstießen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und den freien Dienstleistungsverkehr sowie gegen das Diskriminierungsverbot und Art 6 EMRK. Das Verbot der Radiowerbung verstoße auch gegen das Herkunftslandprinzip einschlägiger EU-Richtlinien. Im Übrigen erstrecke sich die WerbeRL nicht auf das Ausland.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt sie jedoch keine erheblichen Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO auf:

1. Schon § 9 ÄrzteG ist nach dem Wortlaut und dem Regelungszweck des Gesetzes nicht auf im Inland ansässige Ärzte beschränkt, sondern untersagt für das Gebiet der Republik Österreich jede Werbung im Zusammenhang mit der Ausübung ärztlicher Tätigkeit schlechthin (RIS-Justiz RS0051613). Sobald der Angehörige eines freien Berufs mit Sitz im Ausland auch im Inland tätig wird, hat er zusätzlich die hier geltenden Berufs- und Standesregeln einzuhalten. Ein Zahnarzt wird bereits dann im Inland tätig, wenn er hier durch Werbemaßnahmen Patienten für eine Behandlung an seinem ausländischen Ordinationsstandort zu gewinnen versucht. An dieser Rechtslage hat auch § 35 Zahnärztegesetz und die aufgrund dieser Bestimmung erlassene Werberichtlinie nichts geändert (RIS-Justiz RS0051613 [T2-T4] = 4 Ob 84/10x).

2. Der erkennende Senat hat erst jüngst im Zusammenhang mit der Werberichtlinie der Zahnärzte unter Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Rs C-446/05 , Ioannis Doulamis, daran festgehalten, dass weder verfassungs- noch unionsrechtliche Bedenken gegen Werbeverbote für Ärzte bestehen (4 Ob 176/11b; 4 Ob 122/12p). Von der Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof - wie von der Beklagten angeregt - ist daher Abstand zu nehmen.

3. Die Werbebeschränkung für Ärzte liegt nicht nur in deren wirtschaftlichem Interesse, sondern vor allem im Interesse der Allgemeinheit, sich bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen (RIS-Justiz RS0108834, vgl auch RS0089509).

4. Eine Verletzung von Art 6 EMRK ist im Zusammenhang mit der gegenständlichen Werbebeschränkung nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für das Herkunftslandprinzip im Rundfunkrecht - die Beklagte bezog sich auf Erwägungsgrund 33 der RL 2010/13/EU vom 10. 3. 2010. Die Werbebeschränkungen nach den WerbeRL gemäß § 35 Abs 5 ZÄG richten sich nicht an Betreiber von Rundfunk- oder audiovisuellen Mediendiensten, sondern sind Teil der Standesregeln für Angehörige des zahnärztlichen Berufs. Diesen unterliegt auch die Beklagte, soweit sie durch Werbung in Österreich Patienten für die Behandlung in ihrer Ordination zu gewinnen sucht.

5. Dass die beanstandeten Einschaltungen bloß der Information dienten und keinen Werbecharakter hätten, kann angesichts deren Gestaltung („Wir bringen das strahlende Lächeln zurück“) nicht ernsthaft vertreten werden. Hier steht nicht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sondern die Absicht der Beklagten im Vordergrund für ihre Leistungen zu werben. Der Meinungsäußerungsfreiheit kommt in diesem Zusammenhang ein geringeres Gewicht zu, als dies im Falle der bloßen Publikumsinformation der Fall wäre (vgl RIS-Justiz RS0122468).

6. Das Unterlassungsgebot des Rekursgerichts ist nicht überschießend. Der Titel erfasst nur Radiowerbung, die sich auf den österreichischen Markt auswirkt. Dass ein Zahnarzt bereits dann im Inland tätig wird, wenn er hier durch Werbemaßnahmen Patienten für eine Behandlung an seinem ausländischen Ordinationsstandort zu gewinnen versucht, wurde bereits ausgeführt.

7. Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG in der Fassung der UWG-Novelle 2007 zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (4 Ob 40/09z mwN). Die Vorinstanzen haben die Vertretbarkeit der beanstandeten Werbemaßnahmen in Einklang mit den Grundsätzen ständiger Rechtsprechung verneint. Eine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen. Insbesondere durfte sich die Beklagte nicht auf Zusagen des Vertreters der Nebenintervenientin verlassen, es wäre ihr vielmehr zumutbar gewesen, sich aus Anlass ihrer Werbemaßnahmen mit den für Zahnärzte geltenden Standesregeln vertraut zu machen (RIS-Justiz RS0089508).

Stichworte