OGH 4Ob176/11b

OGH4Ob176/11b20.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Zahnärztekammer, Wien 1, Kohlmarkt 11/6, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei DDr. B***** G*****, vertreten durch Dr. Andreas König und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. September 2011, GZ 2 R 150/11t-11, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Angehörige des zahnärztlichen Berufs haben im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs jedes standeswidrige Verhalten zu unterlassen. Ein Verhalten ist standeswidrig, wenn es geeignet ist, das Ansehen des Berufsstandes zu beeinträchtigen oder Interessen des Berufsstandes zu schädigen (§ 35 Abs 1 Zahnärztegesetz).

1.2. Nach Art 3 lit d der vom Bundesausschuss der Österreichischen Zahnärztekammer beschlossenen Werberichtlinien gemäß § 35 Abs 5 Zahnärztegesetz (idF WR-ÖZÄK) vom 5./6. 6. 2009 liegt eine das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigende Information vor bei Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber.

1.3. Das in Art 3 WR-ÖZÄK konkretisierte Verbot von Informationen, die das Ansehen der Zahnärzteschaft beeinträchtigen, dient in erster Linie dem Schutz von Mitbewerbern (vgl 4 Ob 199/08f = RIS-Justiz RS0089509 [T9] zur vergleichbaren Richtlinie „Arzt und Öffentlichkeit“).

2.1. Das Rekursgericht hat eine einstweilige Verfügung bestätigt, mit der dem beklagten Zahnarzt verboten wird, Werbung für die Hersteller und Vertreiber medizinischer Produkte, insbesondere Produkte der Marke I*****, zu betreiben, und zwar insbesondere durch Ankündigungen auf einer Website, in denen die genannte Marke verwendet, das unter der Marke vertriebene Produkt vorgestellt und dessen Hersteller genannt wird. Der Beklagte verstoße dadurch gegen Art 3 WR-ÖZÄK, dass er in seinem Internetauftritt nicht nur ganz allgemein die Durchführung kieferorthopädischer Behandlungen anbiete, sondern ein bestimmtes derartiges Verfahren, für das eine Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, unter dem Markennamen bewerbe und seine Ordination als „erste [Markenname]- Praxis in Tirol“ herausstelle. Er mache damit sowohl für das Produkt als auch für dessen Hersteller und Vertreiber Werbung.

2.2. Diese Entscheidung hält sich im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Unlauterkeit im Zusammenhang mit Verstößen Angehöriger freier Berufe gegen standesrechtlich normierte Werbebeschränkungen.

3.1. Ob eine „Werbung“ für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte und deren Hersteller und Vertreiber im Sinn von WR-ÖZÄK vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl 4 Ob 4/11h) und wurde von den Vorinstanzen in vertretbarer Weise bejaht.

3.2. Die Auflistung der vom Beklagten auf seiner Homepage angebotenen Behandlungsmethoden enthält neben abnehmbaren und festsitzenden Behelfen und solchen für Erwachsene auch einen zusätzlichen selbständigen Unterpunkt, der mit dem beanstandeten Markennamen bezeichnet ist. Dabei handelt es sich um die Behandlung von Zahnfehlstellungen mittels spezieller (markenrechtlich geschützter) Schienen aus Kunststoff, die aber schon unter den Oberbegriff der abnehmbaren Behelfe fallen. Insoweit geht die Nennung des Markennamens und des Herstellers auf der Homepage über eine allgemeine Sachinformation des Patienten über eine Behandlungsmethode hinaus und ist - entgegen der Auffassung des Beklagten - zur Darstellung seines Leistungsspektrums außerhalb eines konkreten und detaillierten ärztlichen Beratungsgesprächs nicht erforderlich.

3.3. Gleiches gilt, soweit die Navigationsleiste auf der Startseite neben den allgemeinen Stichworten „Home“, „Über uns“, „Leistungen“, „Die Praxis“ und „Kontakt“ auch noch das aus dem strittigen Markennamen bestehende Stichwort „I*****“ aufweist und der Beklagte seine Ordination auf einer Unterseite als „erste [Markenname]- Praxis in Tirol“ anpreist, die auf eine große Anzahl von begeisterten Patienten blicken könne. Auch diese Textierung überschreitet den Rahmen einer zulässigen allgemeinen Sachinformation von Patienten über eine Behandlungsmethode und kann von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbung für Produkte der genannten Marke und deren Hersteller aufgefasst werden, was einen Verbotstatbestand nach der Werberichtlinie für Zahnärzte verwirklicht.

3.4. Die Nennung des Markennamens im Rahmen eines auf einem Zahnärztekongress gehaltenen Fachvortrags mag zwar ein Indiz dafür sein, dass Fachleute eine bestimmte Behandlungsmethode unter einem bestimmten Namen kennen, dieser Umstand spricht aber nicht gegen die Auffassung des Rekursgerichts, dass die Nennung des Markennamens auf der Homepage eines Zahnarztes auf die zuvor beschriebene Weise als dessen Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel, einen Heilbehelf oder ein sonstiges medizinisches Produkt und deren Hersteller und Vertreiber aufgefasst werden kann.

4.1. Der - wegen Verhängung von Disziplinarstrafen angerufene - Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat wiederholt ausgesprochen, gegen den Tatbestand des § 53 Abs 1 ÄrzteG, der inhaltlich § 35 Abs 1 Zahnärztegesetz vergleichbar ist, aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken zu haben (Erkenntnisse B 1142/01; B 114/02).

4.2. Zur vergleichbaren Bestimmung des § 1 Abs 1 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte („Ein Rechtsanwalt, der schuldhaft die Pflichten seines Berufes verletzt oder inner- oder außerhalb seines Berufes durch sein Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt, begeht ein Disziplinarvergehen“) vertritt der VfGH die Auffassung, dass ein auf diese Bestimmung gegründeter Bescheid mit dem aus Art 7 EMRK erfließenden Klarheitsgebot im Einklang steht, wenn sich die belangte Behörde bei der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers im Rahmen dessen gehalten hat, was bei vernünftiger Interpretation der Begriffe „Ehre und Ansehen des Standes“ für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste (Erkenntnis B 1519/04; B 771/05 ua).

4.3. Das vom Beklagten ins Treffen geführte Erkenntnis des VfGH G 38/97 (VfSlg 15.292) hatte ein absolutes Werbeverbot zum Gegenstand, das einer bloßen Werbebeschränkung nicht gleichzuhalten ist. Die Anregung im Rechtsmittel, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung von Art 3 lit d WR-ÖZÄK zu beantragen, ist daher nicht aufzugreifen.

4.4. Unionsrechtliche Bedenken gegen Werbeverbote für Ärzte bestehen nicht (EuGH Rs C-446/05 , Ioannis Doulamis, Slg 2008 I-1377).

5. Ob die WR-ÖZÄK in Art 3 spezifisch lauterkeitsrechtlichen Charakter hat, sodass es auf die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht möglicherweise nicht ankäme (RIS-Justiz RS0123246), kann wegen der Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Beklagten im vorliegenden Fall offen bleiben (vgl 4 Ob 199/08f).

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