European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00052.16Z.0330.000
Spruch:
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung
Der Kläger begehrt von dem in der Schweiz ansässigen Beklagten 30.000 EUR an Schadenersatz, 7.666,32 EUR als Kaufpreis für Warenlieferungen sowie die Unterlassung der Verwendung von näher konkretisierten Schulungsunterlagen.
Über das Unterlassungsbegehren erließ das Erstgericht ein Versäumungsurteil, den Zahlungsanspruch wies es mangels internationaler Zuständigkeit zurück.
Das Rekursgericht bestätigte die Klagszurückweisung in Bezug auf die Forderung aus Warenlieferung (7.666,32 EUR) und hob den Beschluss in Bezug auf den Schadenersatzanspruch (30.000 EUR) auf und trug insoweit dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme von den herangezogenen Klagszurückweisungsgründen auf. Hinsichtlich des bestätigenden Teils seines Beschlusses erklärte das Rekursgericht den Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Der Kläger wendet sich mit seinem „außerordentlichen Revisionsrekurs“ gegen die Zurückweisung seiner Klage in Bezug auf die Forderung aus Warenlieferung (7.666,32 EUR).
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht legte das Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage:
1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen (RIS‑Justiz RS0053096; RS0037838). Dies ist dann der Fall, wenn zwischen den Forderungen ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht, wobei vom Vorbringen in der Klage auszugehen ist (RIS‑Justiz RS0042741). Ein tatsächlicher Zusammenhang ist dann zu bejahen, wenn alle Klagsansprüche aus demselben Klagssachverhalt abzuleiten sind, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0042766; Mayr in Rechberger 4 , § 55 JN Rz 2). Ein rechtlicher Zusammenhang besteht bei Ansprüchen, die aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden ( Mayr , aaO Rz 3). Das ist dann der Fall, wenn jeder der mehreren Ansprüche für sich und unabhängig von den anderen nicht bestehen kann, die Ansprüche aus einer Gesetzesstelle abgeleitet werden und miteinander in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0037905). Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht hingegen nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS‑Justiz RS0037899). Keine Zusammenrechnung findet daher statt zwischen Forderungen auf Zahlung des Entgelts aus einem Vertrag und Schadenersatzforderungen, die zwar aus dem Vertrag abgeleitet werden, mit dem Entgeltsanspruch aber in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl 3 Ob 145/00w; Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 , § 55 JN Rz 21/2).
2. Im rekursgerichtlichen Verfahren war noch die Forderung auf Zahlung von 7.666,32 EUR als Kaufpreis für Warenlieferungen sowie jene auf Leistung eines Schadenersatzes von 30.000 EUR wegen der vertragswidrigen Verwendung von Schulungsunterlagen strittig. Zwischen diesen Forderungen besteht weder ein rechtlicher noch ein tatsächlicher Zusammenhang. Die Pflicht zur Zahlung des Entgelts für bezogene Ware steht weder in unmittelbarem Zusammenhang mit aus vertragswidriger Weitergabe von Know‑How abgeleiteten Schadenersatzansprüchen, noch reicht das Sachvorbringen zu einem Anspruchsgrund für die Beurteilung des jeweils anderen aus. Die Ansprüche können vielmehr ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben und sind daher nicht zusammenzurechnen. Zusammenzurechnen sind bloß die jeweils für sich 5.000 EUR nicht übersteigenden Forderungen aus den einzelnen Rechnungen, weil sie aus einem einheitlichen Gesamtvertrag abgeleitet sind (vgl 2 Ob 137/99g; 8 Ob 55/09k).
3. Der maßgebliche Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt daher 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. Das Rechtsmittel war daher nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen; dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS‑Justiz RS0109623).
4. Das Rechtsmittel wäre demnach ‑ auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird ‑ dem Rekursgericht vorzulegen gewesen. Es ist daher die aus dem Spruch ersichtliche Rückleitungsanordnung zu treffen. Ob aufgrund des fehlenden ausdrücklichen Antrags auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens erforderlich ist, ist von den Vorinstanzen zu beurteilen (vgl 7 Ob 231/14t).
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