OGH 2Ob127/15p

OGH2Ob127/15p25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** D*****, vertreten durch Dr. Tino Kostner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. J***** K*****, 2. S***** Dienstleistungs AG, ***** und 3. A***** Versicherungs AG, *****, sämtliche vertreten durch Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 10.326,31 EUR sA und Feststellung, über die Revision der erst‑ und der zweitbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. April 2015, GZ 2 R 65/15v‑16, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Jänner 2015, GZ 39 Cg 56/14f‑12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00127.15P.0225.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erst‑ und die zweitbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 514,85 EUR (darin enthalten 85,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Klägerin wurde am 17. 6. 2013 bei einem unstrittig vom Erstbeklagten alleinverschuldeten Verkehrsunfall am Körper verletzt.

Die Drittbeklagte gab am 26. 3. 2014 eine Anerkenntniserklärung ab, in der sie ihre Haftung im Ausmaß von 100 % für alle zukünftigen kausalen Schäden der Klägerin aus dem Unfall, begrenzt mit der Versicherungssumme, anerkannte sowie weiters, dass dadurch die Verjährung künftiger Ansprüche wie durch ein Feststellungsurteil unterbrochen werde.

Mit der am 16. 5. 2014 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin Schadenersatz, insbesondere Verunstaltungsentschädigung, und die Feststellung der Haftung aller drei beklagten Parteien für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall, die Drittbeklagte beschränkt auf die „gültige“ Versicherungssumme. Das Leistungsbegehren wurde von beiden Vorinstanzen rechtskräftig abgewiesen.

Die Beklagten bestritten das im Revisionsverfahren allein relevante Feststellungsbegehren einerseits, weil Spätfolgen auszuschließen seien und andererseits unter Hinweis auf das konstitutive Anerkenntnis der Drittbeklagten, das dem Begehren der Klägerin das rechtliche Interesse an der Feststellung nehme.

Der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte erklärten in der Tagsatzung vom 18. 11. 2014, das Feststellungsbegehren anzuerkennen. Die Klägerin nahm dies jedoch nicht zum Anlass, die Fällung eines Anerkenntnisurteils zu beantragen.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren gegenüber allen drei Beklagten ab. Das konstitutive Anerkenntnis der Drittbeklagten nehme der Klägerin das Feststellungsinteresse.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung in diesem Punkt dahingehend ab, dass es dem Feststellungsbegehren gegenüber der erst‑ und der zweitbeklagten Partei stattgab und es lediglich gegenüber der Drittbeklagten (insoweit rechtskräftig) abwies.

Im Umfang der vorprozessualen Erklärung der Drittbeklagten, die dem späteren Feststellungsbegehren entspreche, liege ein konstitutives Anerkenntnis vor, das der Klägerin das Feststellungsinteresse nehme. In Bezug auf die prozessualen Anerkenntnisse der erst‑ und der zweitbeklagten Partei habe das Erstgericht mangels Antrags der Klägerin kein Anerkenntnisurteil fällen, sondern die Erklärung lediglich gemäß § 267 ZPO als schlüssiges Tatsachengeständnis heranziehen können. Stünden damit aber mögliche künftige Dauerfolgen außer Streit, bestehe das Feststellungsbegehren gegenüber der erst- und der zweitbeklagten Partei zu Recht.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil die Entscheidung über das gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte gerichtete Feststellungsbegehren von einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhänge, da man das im Laufe des Prozesses abgegebene Anerkenntnis auch als konstitutives einordnen könne.

Dagegen richtet sich die ordentliche Revision der erst‑ und der zweitbeklagten Parteien mit dem Antrag, die klageabweisliche erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen. Die Revisionswerberinnen hätten in der Tagsatzung ein konstitutives Anerkenntnis abgegeben, die Klägerin habe kein Anerkenntnisurteil beantragt. Auch zur Frage, ob ein schlüssiges Geständnis iSd § 267 ZPO vorliege, wenn wie hier die amtswegige Nichtbeachtung in der Berufung nicht gerügt werde, fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihren Ausführungen vermögen die Revisionswerber eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht aufzuzeigen:

1. Nach der Rechtsprechung ist das prozessuale Anerkenntnis die einseitige Erklärung des Beklagten an das Gericht in der prozessrechtlich vorgeschriebenen Form, dass der vom Kläger geltend gemachte Klagsanspruch ganz oder teilweise berechtigt ist. Es ist als Prozesshandlung eine Willenserklärung, die auf Gestaltung des Prozessrechtsverhältnisses gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0040825) . Der Anerkenntnisvertrag dagegen muss grundsätzlich als zweiseitiges Rechtsgeschäft gegenüber dem anderen Vertragsteil erklärt oder wenigstens für ihn bestimmt und von ihm angenommen werden (RIS‑Justiz RS0032621, 7 Ob 588/91, ZVR 1993/10).

Hier hat die drittbeklagte Partei vor dem Prozess ausdrücklich eine schriftliche Anerkenntniserklärung an die klagende Partei gerichtet, wohingegen die erst‑ und zweitbeklagte Partei eine solche Haftung gegenüber der Geschädigten zu keiner Zeit erklärten, sondern lediglich in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 18. 11. 2014 erklärten, das Feststellungsbegehren anzuerkennen (Seite 3 des Protokolls ON 8).

Wenn das Berufungsgericht dies im Sinne der dargestellten Rechtsprechung als rein prozessuales Anerkenntnis qualifizierte, vermögen die Ausführungen der Revision daran keine Zweifel zu wecken.

2. Nur ein konstitutives Anerkenntnis nimmt einem Feststellungsbegehren bezüglich der von ihm betroffenen Schäden das rechtliche Interesse (RIS‑Justiz RS0034315). Das prozessuale Anerkenntnis dagegen berechtigt den Kläger, die Fällung eines Anerkenntnisurteils zu beantragen (§ 395 ZPO). Ohne Antrag darf ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen, doch ist der Kläger nicht verpflichtet, einen solchen Antrag zu stellen (RIS‑Justiz RS0040816). Sind beide Parteien in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anwesend und verhandeln sie nach einer Anerkenntniserklärung weiter, so ist das Verfahren fortzusetzen. Die Unterlassung des Antrags auf Fällung eines Anerkenntnisurteils hat zur Folge, dass der Kläger kein Anerkenntnisurteil erhält, nicht aber, dass das Anerkenntnis bei der Fällung und Begründung des über den anerkannten Anspruch nun ergehenden kontradiktorischen (zweiseitigen) Urteils nicht verwertet werden dürfte. Das Gericht kann ein solches Anerkenntnis, das auch ein Geständnis von Tatsachen iSd § 266 ZPO bzw § 267 ZPO umfasst, daher verwerten und für die Begründung seiner Entscheidung heranziehen (4 Ob 368/85; 9 ObA 157/05m; RIS‑Justiz RS0040803).

Dies gilt im Übrigen auch insoweit, als Haftpflichtversicherer und Haftpflichtversicherter im Hinblick auf die Rechtskrafterstreckung nach § 28 KHVG eine einheitliche Streitpartei bilden, weil dadurch die Dispositionsfähigkeit der einzelnen Parteien grundsätzlich nicht tangiert wird (RIS‑Justiz RS0110238, RS0035503, RS0035489; 2 Ob 192/12t).

3. Auf den nach der Judikatur als Verfahrensfrage zu qualifizierenden Aspekt, ob ein Tatsachengeständnis vorliegt (RIS‑Justiz RS0040078; 7 Ob 235/14f), kommt es hier ‑ entgegen den Ausführungen der Revision ‑ nicht an, weil in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung unstrittig ein Anerkenntnis, das dem Gericht die Möglichkeit nimmt, auf einen in der Prozesserklärung nicht zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen Bedacht zu nehmen oder die materielle Rechtslage zu prüfen (RIS‑Justiz RS0040792, 3 Ob 56/11y), abgegeben wurde.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Stichworte