OGH 7Ob588/91

OGH7Ob588/914.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Felizitas L*****, vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wider die beklagte Partei Josef H*****, vertreten durch Dr. Rudolf Wieser u.a., Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 51.000), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30. April 1991, GZ 3 R 116/91-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. Februar 1991, GZ 9 Cg 188/90-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes ON 18, das in seinem Punkt A 1 (Abweisung eines Zahlungsbegehrens von S 50.000) als unangefochten unberührt bleibt, im übrigen dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Begehren, es werde gegenüber dem Beklagten festgestellt, daß dieser der Klägerin für künftige Schäden aus dem Unfall vom 6.1.1989, der sich in Inneralpbach im Gasthaus "Wiedersbergerhorn" ereignete, haftet, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.567,20 (darin S 1.761,20 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit S 7.396,60 (darin S 566,10 an Umsatzsteuer und S 4.000 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.077 (darin S 679,50 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 6.Jänner 1989 hielt der Beklagte ein brennendes Feuerzeug gegen ein Perchtenkostüm, das die Klägerin trug, so daß dieses Feuer fing und die Klägerin schwere Verbrennungen erlitt. Der Beklagte wurde wegen dieses Vorfalls strafgerichtlich verurteilt. Er anerkannte sein Alleinverschulden und bezahlte außer dem entstandenen Sachschaden S 150.000 an Schmerzengeld.

Mit der am 28. Juni 1990 eingelangten Klage begehrt die Klägerin außer der Zahlung eines weiteren Schmerzengeldes von S 50.000, die nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, die Feststellung, der Beklagte hafte ihr für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 6. Jänner 1989, die Notwendigkeit weiterer plastisch-chirurgischer Maßnahmen könne nicht ausgeschlossen werden.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er habe seine Haftung für alle Folgen aus dem Unfall vom 6. Jänner 1989 ausdrücklich anerkannt. Die Verjährung künftiger Ansprüche der Klägerin sei dadurch in gleicher Weise wie durch ein Feststellungsurteil unterbrochen. Eine Feststellungsklage erübrige sich aus diesem Grund.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Es traf hiezu folgende Feststellungen:

Eventuelle Spätschäden der Klägerin aus dem Unfall vom 6. Jänner 1989 wie Komplikationen aus den hautgefühlsgestörten Arealen, weitere Verbrennungskontrakturen oder Schäden und Beschwerden aus allenfalls notwendigen weiteren medizinischen Eingriffen bzw. einer plastisch-chirurgischen Maßnahme können nicht ausgeschlossen werden.

In einem Schreiben des Rechtsvertreters des Beklagten vom 16. August 1989 an die damalige Vertreterin der Klägerin wird unter anderem ausgeführt: "Was die Möglichkeit künftiger Schäden betrifft, so kann ich bereits jetzt die Erklärung abgeben, daß mein Mandant Josef H***** seine volle Haftpflicht ihrer Mandantin Felizitas L***** für alle künftigen Schäden anerkennt, die sich als Folge dessen ergeben, weil mein Mandant am 6. Jänner 1989 in Inneralpbach Ihre Mandantin fahrlässig verletzt hat ... Durch dieses Anerkenntnis ist in gleicher Weise wie durch ein Feststellungsurteil die Verjährung künftiger Ansprüche Ihrer Mandantin unterbrochen, so daß sich demgemäß eine Feststellungsklage erübrigt."

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, das rechtliche Interesse für das Feststellungsbegehren sei gegeben, weil Spätfolgen auf Grund der Verletzungen der Klägerin nicht ausgeschlossen werden könnten. Die schriftliche Versicherung des Beklagten, der Klägerin für alle künftigen Schäden zu haften, biete dieser nicht jenen Grad an Sicherheit wie ein Feststellungsurteil. Das Feststellungsinteresse sei zudem kein Gegenstand der Parteiendisposition und könne daher nicht anerkannt werden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in diesem Punkt. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und daß die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Das Feststellungsinteresse der Klägerin werde durch das außergerichtliche Anerkenntnis der Haftung des Beklagten für künftige Schäden nicht beseitigt. Durch dieses Anerkenntnis sei zwar die dreijährige Verjährungsfrist für Schadenersatzforderungen der Klägerin unterbrochen worden, doch bedeute dies nur, daß diese Frist mit der Anerkennung neu zu laufen begonnen habe. Allfällige Schadenersatzforderungen der Klägerin wären daher mit dem Ablauf von drei Jahren nach dem Anerkenntnis des Beklagten verjährt. Das Feststellungsbegehren diene einer Verhinderung dieser Verjährung.

Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage, ob eine Erklärung wie die des Beklagten das rechtliche Interesse an einem Feststellungsbegehren beseitigt, fehlt. Sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Verfehlt ist zunächst der Hinweis des Erstgerichtes auf Fasching, Lehrbuch2, Rz 1102, das Feststellungsinteresse sei von Amts wegen wahrzunehmen und daher nicht Gegenstand der Parteiendisposition, so daß Zugeständnis, Anerkenntnis, Verzicht oder Vergleich hierüber nicht möglich seien (ebenso Fasching, Komm. III 51). Der Beklagte hat ein Feststellungsinteresse der Klägerin weder zugestanden, noch einen Vergleich darüber geschlossen; er hat vielmehr ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung im Hinblick auf seine Erklärung vom 16. August 1989 bestritten. Richtig ist, daß die Anerkennung nicht als Neuerungsvertrag wirkt, zumal ja ein Vertrag überhaupt nicht vorzuliegen braucht (und auch hier nicht vorliegt), und daß sich die Dauer der nach der Unterbrechung neu beginnenden Verjährung nach der ursprünglichen Beschaffenheit der Forderung richtet (Klang in Klang2 VI 654; SZ 36/55; Arb. 9.196). Doch ist auch dies für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung; denn eine Forderung der Klägerin, die bereits entstanden wäre und daher gemäß § 1489 ABGB in drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und der Person des Schädigers verjähren würde, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreites.

Da die durch Feststellungsurteil ausgedrückte Judikatsschuld der 30-jährigen Verjährung unterliegt (Klang aaO 638; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 1497), ist zu prüfen, ob und welchen einem Feststellungsurteil vergleichbaren Vorteil das Anerkenntnis des Beklagten der Klägerin bringt; denn nur ein mit novierender Wirkung abgeschlossener außergerichtlicher Vergleich (vgl. hiezu Ertl in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1380; sowie EvBl 1975/240) oder ein ebenso erklärtes (konstitutives) Anerkenntnis hat eine 30-jährige Verjährungsfrist zur Folge (Klang aaO 633; Arb. 9.196; SZ 9/25; iglS JBl 1989, 460 und EvBl 1975/240).

Ein konstitutives Anerkenntnis schafft unabhängig von dem bestehenden, in der Vergangenheit liegenden Rechtsgrund eine neue selbständige Verpflichtung (SZ 51/176; HS 10.929). Es kommt dadurch zustande, daß der Gläubiger auf Grund eines bestimmten Sachverhalts ernstlich das Bestehen einer Forderung behauptet und der Schuldner Zweifel am Bestehen der Forderung durch sein Anerkenntnis beseitigt (HS 13.234). Ein konstitutives Anerkenntnis ist nur zur Bereinigung eines ernsthaft entstandenen Streites oder Zweifels über den Bestand der Forderung möglich (Ertl aaO Rz 6). Maßgeblich sind allerdings vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses (Ertl aaO Rz 7). Es kann bei der Erklärung des Beklagten vom 16. August 1989 nicht übersehen werden, daß damit zwar vielleicht nicht Zweifel des Beklagten über seine Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz beseitigt werden sollten - hatte doch der Beklagte offensichtlich Zweifel an dieser seiner Verpflichtung nicht geäußert -, wohl aber Zweifel der Klägerin, und daß der Beklagte dabei den Zweck verfolgte, auf Grund eben dieser Erklärung zu haften. Das Anerkenntnis des Beklagten vom 16. August 1989 ist deshalb entsprechend der Interessenlage beider Parteien und nach seinem Zweck als ein konstitutives anzusehen und bietet damit der Klägerin tatsächlich alles das, was - wie auch im Schreiben des Vertreters des Beklagten hervorgehoben wird - ein Feststellungsurteil bieten würde.

Darüber hinaus kann zwar gemäß § 1502 ABGB der Verjährung im voraus nicht entsagt werden; doch verstößt die Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückgeht (JBl 1969, 442; EvBl 1971/20; Replik der Arglist - Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1501 und Rz 1 zu § 1502). Wollte der Beklagte einem in Zukunft geltend gemachten Anspruch der Klägerin die Einrede der Verjährung entgegenhalten, verstieße dies mit Rücksicht auf seine Erklärung vom 16. August 1989 ohne jeden Zweifel gegen Treu und Glauben.

Mit Recht vertritt daher der Beklagte den Standpunkt, der Klägerin fehle das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung.

Der Revision war deshalb Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der Verfahrenskosten erster Instanz auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 41, 50 ZPO.

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