Spruch:
Die Verjährungsfrist für Forderungen eines inländischen Gläubigers gegen den unbekannten Aufenthaltes im Ausland befindlichen Schuldner fällt nicht unter § 1475 ABGB.
An der (ursprünglichen) Dauer der Verjährungsfrist ändert sich auch durch die Anerkennung der Schuld nichts.
Entscheidung vom 3. April 1963, 1 Ob 45/63.
I. Instanz: Bezirksgericht Telfs; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung eines Betrages von 5326 S 40 g s. A. mit der Begründung, daß er über Auftrag des inzwischen verstorbenen Gatten der Beklagten für diesen Dachdeckerarbeiten verrichtet habe und daß die Beklagte als Alleinerbin diese Forderung im Verlassenschaftsverfahren anerkannt, aber bisher noch nicht bezahlt habe.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klagsabweisung ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen, daß der Kläger die Dachdeckerarbeiten im Jahre 1957 für den Mann der Beklagten durchgeführt hat, daß der Genannte am 17. Oktober 1958 verstorben ist, daß die Beklagte im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung zum ganzen Nachlaß die bedingte Erbserklärung abgegeben hat und ihr der Nachlaß am 15. März 1962 eingeantwortet worden ist und schließlich daß der Verlassenschaftskurator im Zuge der Abhandlung den aufrechten Bestand der Klagsforderung dem Gerichtskommissär gemeldet hat sowie daß diese Forderung bei der Verlassenschaftstagsatzung am 24. 3. 1959 einverständlich festgestellt und bei der folgenden Tagsatzung am 23. April 1959 die bevollmächtigte Rechtsvertreterin der Beklagten erklärt hat, diese Forderung müsse als Nachlaßschuld bezahlt werden. Das Berufungsgericht begrundete die Klagsabweisung mit dem Eintritt der Verjährung. Es handle sich um eine Forderung im Sinne des § 1486 Z. 1 ABGB., die nach Ablauf von drei Jahren verjähre. Das am 23. April 1959 im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung erklärte Anerkenntnis der Schuld habe wohl eine Unterbrechung des Laufes der vorher begonnenen Verjährungsfrist bewirkt; im Hinblick darauf, daß die Verjährungsfrist mit dem Tag dieses Anerkenntnisses neu zu laufen begonnen habe und der Rechtsgrund der Forderung durch das Anerkenntnis nicht geändert worden sei, müsse, da die gegenständliche Klage erst am 20. September 1962 eingebracht worden sei, Verjährung angenommen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Auszugehen ist zunächst davon, daß es sich bei der Klagsforderung (Leistung von Dachdeckerarbeiten durch einen Dachdeckermeister) um eine solche im Sinne des § 1486 Z. 1 ABGB. handelt. Diese sich aus dem Klagsvorbringen ergebende Tatsache ist von den Parteien unbestritten geblieben und kann nach der Sachlage auch nicht Gegenstand einer Bestreitung sein. Verfehlt ist die in der Revision vertretene Ansicht, daß durch das "Anerkenntnis" der Schuld im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung eine Novation eingetreten ist und daß dadurch "die allgemeinen Bestimmungen der Verjährung, also die dreißigjährige Verjährungsfrist, zur Anwendung zu kommen hat". Denn jede Novation setzt das Zustandekommen einer Vereinbarung zwischen den Parteien, einen Vertrag, voraus (§ 1377 ABGB). Daß zwischen den Streitteilen ein auf Novation gerichteter Vertrag zustandegekommen wäre, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Die bloße Tatsache, daß die Beklagte durch ihre Rechtsvertreterin im Zuge der Abhandlung - an der der Kläger überhaupt nicht beteiligt gewesen ist, weshalb er der Abhandlung auch nicht zugezogen werden mußte und nicht wurde - hinsichtlich der Schuld eine (einseitige) Erklärung abgegeben hat, reicht für die Annahme einer Novation nicht aus. Es muß daher richtigerweise davon ausgegangen werden, daß die Klagsforderung ihren Charakter im Sinne des § 1486 Z. 1 ABGB. behalten hat.
Was nun die Frage anlangt, ob die im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung abgegebene Erklärung, bei der Klagsforderung handle es sich um eine Nachlaßschuld, die bezahlt werden müsse, als Anerkenntnis mit der Wirkung einer Unterbrechung der Verjährung anzusehen ist oder nicht, so herrscht die Ansicht, daß die Anerkennung zwar keiner Annahme bedarf, daß sie aber dem Berechtigten oder seinem Vertreter gegenüber erfolgen muß, weshalb die Aufnahme der Schuld in das bei der Verlassenschaftsabhandlung errichtete Inventar nicht genügt (GlU. 15.546, ebenso Ehrenzweig[2] I/1 S. 320). Die Frage, ob ein Anerkenntnis mit der erwähnten Wirkung gegenständlich vorliegt, braucht aber schon deshalb nicht weiter untersucht zu werden, weil selbst unter der Annahme, daß ein Anerkenntnis vorläge, die dreijährige, mit diesem Tag neu zu laufen beginnende Verjährungsfrist (an der ursprünglichen dreijährigen Verjährungsfrist ändert sich auch durch eine "Anerkennung" nichts:
Klang[2] VI S. 654) verstrichen ist, denn das Datum dieser Erklärung ist der 23. April 1959, die Klage wurde am 20. September 1962, mithin mehr als drei Jahre später, eingebracht.
Nicht gefolgt werden kann den Revisionsausführungen auch insoweit, als sie, gestützt auf § 1475 ABGB., folgern, daß zufolge des unbekannten Aufenthaltes der Beklagten im Ausland die Verjährung erst nach Ablauf der doppelten Zeit einzutreten hat. Denn die Textierung dieser Bestimmung läßt keinen Zweifel darüber offen, daß sie einen Schutz desjenigen, der im Ausland weilt, im Auge hat und daß dieser Schutz nur ihm, nicht auch seinem Kontrahenten zugutekommt. Der Abwesende soll durch eine längere Dauer der Frist gegen die Folgen seines durch seine Abwesenheit bedingten Nichthandelns geschützt werden, er kann seiner Rechte durch Verjährung nicht in der normalen, im Gesetz vorgesehenen Frist verlustig werden, gegen ihn kann nicht in der normalen, im Gesetz vorgesehenen Zeit ein Recht ersessen werden (Klang[2] VI S. 594, Ehrenzweig[2] I/1 S. 320). Die in der Revision vertretene Ansicht, "es könne nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, einen ins Ausland verzogenen Schuldner einem inländischen Gläubiger gegenüber günstiger zu stellen", zeigt ein völliges Verkennen dieser Gedankengänge. Es ist nicht einzusehen, warum der im Inland befindliche Gläubiger, der die Möglichkeit hat, innerhalb der Verjährungszeit seine Ansprüche gegen den Schuldner - vertreten durch einen zu bestellenden Kurator - geltend zu machen, auch den Vorteil einer längeren Frist haben sollte. Wollte man diese Ansicht vertreten, dann käme man zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist in Fällen, in denen hiezu rechtspolitisch nicht die geringste Notwendigkeit bestunde.
Handelt es sich aber um eine der Bestimmung des § 1486 Z. 1 ABGB. zu unterstellende Forderung, so hätte sie binnen drei Jahren nach Existentwerdung (Erbringung der Arbeitsleistung im Jahre 1957 oder, wenn man die Erklärung im Zuge der Abhandlung vom 23. April 1959 als Anerkenntnis werten wollte, von diesem Tage an) eingebracht werden müssen; die tatsächliche Einbringung der Klage am 20. September 1962 erweist jedenfalls daß die dreijährige Frist zur Klage nicht eingehalten wurde. Das Berufungsgericht hat demnach die Klage frei von einem Irrtum aus dem Gründe des Eintritts der Verjährung abgewiesen, woraus sich ergibt, daß die Revision nicht begrundet ist.
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