European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00176.15M.0225.000
Spruch:
A. Der Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, den beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei die jeweils mit 1.540,44 EUR (darin enthalten jeweils 256,74 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
B. Den Revisionsrekursen der beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er einschließlich des nicht bekämpften Punkts I.2. und des bestätigten Teils lautet:
„I. Zur Sicherung der Unterlassungsansprüche der gefährdeten Partei gegen die Gegner der gefährdeten Partei wird
1. der erstbeklagten Partei und Erstgegnerin der klagenden und gefährdeten Partei für die ausgeschriebene Kassenplanstelle für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in 1160 Wien (nördlich der Ottakringerstraße) verboten,
a) eine Reihung der Bewerber vorzunehmen, bei der sie Punkt 3. der Reihungskriterien laut Anlage zur Vereinbarung zwischen der Ärztekammer für Wien und der Wiener Gebietskrankenkasse für die Auswahl und Invertragnahme von Vertragsärzten für Allgemeinmedizin und Vertragsfachärzten gemäß § 6 Abs 1 Gesamtvertrag (Stand 19. 3. 2013) insoweit anwendet, als die klagende und gefährdete Partei keine Wartezeit für die Monate Juni 2010 bis Oktober 2014 berücksichtigt erhält,
b) Punkt 1. der genannten Reihungskriterien insoweit anzuwenden, als die klagende und gefährdete Partei für ihre Berufserfahrung einerseits als Praxisvertreter, andererseits als Vertragsarzt maximal 16 Punkte erwerben kann, während gleichzeitig hauptberufliche Wahlärzte für diese Tätigkeit bis zu 5 weitere Punkte zusätzlich durch eine Tätigkeit der Praxisvertretung erwerben können;
2. der zweitbeklagten Partei und Zweitgegnerin der klagenden und gefährdeten Partei verboten, einen Mitbewerber der gefährdeten Partei für die Kassenplanstelle in 1160 Wien aufgrund eines Reihungsvorschlags der erstbeklagten Partei und Erstgegnerin der gefährdeten Partei in Vertrag zu nehmen, wenn diese bei der Reihung der Bewerber der klagenden und gefährdeten Partei für die Monate Juni 2010 bis Oktober 2014 keine Punkte für die Wartezeit entsprechend Punkt 3. der genannten Reihungskriterien zugeteilt hat.
II. Diese einstweilige Verfügung gilt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens 19 Cg 10/15b des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien.
III. Die Mehrbegehren,
1. der erstbeklagten Partei und Erstgegnerin der klagenden und gefährdeten Partei werde hinsichtlich der genannten Kassenplanstelle in 1160 Wien verboten,
a) eine Reihung der Bewerber vorzunehmen, bei der sie Punkt 3. der Reihungskriterien insoweit anwende, als die klagende und gefährdete Partei keine Wartezeit für die Monate Dezember 2007 bis Mai 2010 berücksichtigt erhalte,
b) Punkt 5. der genannten Reihungskriterien auf allfällige Mitbewerber anwende,
2. der zweitbeklagten Partei und Zweitgegnerin der klagenden und gefährdeten Partei werde verboten, einen Mitbewerber der gefährdeten Partei für die Kassenplanstelle in 1160 Wien aufgrund eines Reihungsvorschlags in Vertrag zu nehmen, wenn die erstbeklagte Partei und Erstgegnerin der klagenden und gefährdeten Partei bei der Reihung
a) Punkt 3. der Reihungskriterien insoweit anwende, als die klagende und gefährdete Partei keine Wartezeit für die Monate Dezember 2007 bis Mai 2010 berücksichtigt erhalte,
b) Punkt 5. der genannten Reihungskriterien auf allfällige Mitbewerber anwende, und
c) Punkt 1. der genannten Reihungskriterien insoweit anwende, als die klagende und gefährdete Partei für ihre Berufserfahrung einerseits als Praxisvertreter, andererseits als Vertragsarzt maximal 16 Punkte erwerben könne, während gleichzeitig hauptberufliche Wahlärzte für diese Tätigkeit bis zu 5 weitere Punkte zusätzlich zur Tätigkeit der Praxisvertretung erwerben könnten, sowie
3. der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich der ausgeschriebenen Kassenplanstellen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe nach Dr. M***** in 1190 Wien und nach Dr. G***** in 1210 Wien
werden abgewiesen.
IV. Die klagende und gefährdete Partei, die die Kosten des Sicherungsverfahrens im Umfang der Stattgebung vorläufig und im Umfang der Abweisung endgültig selbst zu tragen hat, ist schuldig, der erstbeklagten Partei und Erstgegnerin der klagenden und gefährdeten Partei die mit 2.365,99 EUR (darin enthalten 385,34 EUR USt) und der zweitbeklagten Partei und Zweitgegnerin der klagenden und gefährdeten Partei die mit 3.196,13 EUR (darin enthalten 532,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende und gefährdete Partei ist weiters schuldig, der erstbeklagten Partei und Erstgegnerin der gefährdeten Partei die mit 302,88 EUR (darin enthalten 50,48 EUR USt) und der zweitbeklagten Partei und Zweitgegnerin der klagenden und gefährdeten Partei die mit 605,76 EUR (darin enthalten 100,96 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden: Kläger) ist seit 1. 10. 2007 Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Er führt seit 17. 6. 2008 eine Ordination als Wahlarzt in Wien. Seit Jänner 2009 verfügt er über eine Stelle als Vertragsarzt in einem anderen Bundesland. Mit 17. 12. 2007 wurde er in die von der erstbeklagten Partei und Erstgegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden: Erstbeklagte) geführte Interessentenliste für das Sonderfach Frauenheilkunde und Geburtshilfe eingetragen. Der Kläger bewarb sich seit Anfang 2008 um mehr als 18 Stellen als Vertragsarzt der zweitbeklagten Partei und Zweitgegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden: Zweitbeklagte), ohne einen dieser Verträge erhalten zu haben. Eine erneute Bewerbung um eine solche Stelle erfolgte am 1. 6. 2010. Im Dezember 2014 bewarb er sich um zwei Kassenplanstellen in Wien 19 und Wien 21, im Jänner 2015 für eine weitere, neu geschaffene Kassenplanstelle in 1160 Wien. Bei seinen erfolglosen Bewerbungen erhielt er zuletzt für seine Tätigkeit als Wahlarzt, die er vor seiner Bestellung zum Kassenarzt durchgeführt hatte, 1,5 Punkte, jedoch keine Punkte für seine Wahlarzttätigkeit, die er neben seiner Vertragsarzttätigkeit weiter führt. Für die Wartezeit und für Karenz‑, Präsenz‑ oder Zivildienstzeiten teilte die Erstbeklagte dem Kläger keine Punkte zu. Da er gesundheitsbedingt für den Präsenz‑ und Zivildienst untauglich war und auch nicht in Elternkarenz ging, verfügt er diesbezüglich über keine anrechenbaren Zeiten.
Die Beklagten gehen bei der Auswahl und Invertragnahme von Vertragsfachärzten gemeinsam nach vereinbarten Kriterien vor (Präambel Abs 1 der „Richtlinien für die Auswahl und Invertragnahme von Vertragsärzten für Allgemeinmedizin und Vertragsfachärzten gemäß § 6 Abs. 1 Gesamtvertrag vom 1. Jänner 2011“ = Anlage 2 des Ärzte‑Gesamtvertrags, Verlautbarung Nr 114/2014, veröffentlicht auf www.avsv.at , im Folgenden: Richtlinien). In Abschnitt I. der dazugehörigen Anlage vereinbarten die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte die Reihungskriterien nach einem bestimmten Punktesystem (im Folgenden: Reihungskriterien). Abschnitt I. Punkt 1. der Anlage lautet:
„ I.
Reihungskriterien
Die Reihung der Bewerber erfolgt nach folgenden Kriterien:
1. Berufserfahrung ab Erlangung des ius practicandi als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt.
1.1 Berufserfahrung als angestellter und/oder freiberuflicher Arzt. [...]
0,25 Punkte pro Monat, max. 9 Punkte
1.2 Berufserfahrung als hauptberuflich tätiger Wahlarzt.
Als hauptberuflich gilt eine Wahlarzttätigkeit, sofern nicht gleichzeitig Tätigkeiten in Anstellungsverhältnissen, deren Ausmaß mehr als 20 Wochenstunden betragen, ausgeübt werden. [...]
0,5 Punkte pro Monat, max. 5 Punkte
1.3 Berufserfahrung als Praxisvertreter in Ordinationen mit Verträgen mit Gebietskrankenkassen
1 Punkt pro 15 Vertretungstage, max. 16 Punkte.
Vertretungstage in der ausgeschriebenen Planstelle werden mit 1 Punkt pro 10 Vertretungstage berechnet.
[...]
Insgesamt können durch die Punkte 1.3, 1.3.1 und 1.3.2 max. 16 Punkte erworben werden. [...]
1.4 [...]
Nach den unter Abschnitt I. Punkt 1 Ziff. 1.1. bis 1.4. genannten Kriterien können insgesamt maximal 35 Punkte erworben werden.
3. 'Wartezeit' auf der Interessentenliste
Die 'Wartezeit' beginnt mit dem Datum der Eintragung in die fachspezifische Interessentenliste der [Anm.: Erstbeklagten] oder mit der ersten ordnungsgemäßen Bewerbung für ausgeschriebene Vertragsarztstellen nach Erlangung der Berufsberechtigung als Arzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt. [...]
0,25 Punkte pro Monat, max. 10 Punkte in den Fachgebieten Radiologie, Medizinische und Chemische Labordiagnostik und Pathologie. In allen anderen max. 16 Punkte.
[...]
5. Anrechnungszeiten für Mutterschutz, Elternkarenz, Präsenz‑ und Zivildienst [...]
0,2 Punkte pro Monat; maximal 3,6 Punkte pro Kind; insgesamt max. 5 Punkte “
Der Kläger wäre bei der Bewerbung auf die beiden in Wien 19 und Wien 21 ausgeschriebenen Stellen auch in dem Fall, dass er alle von ihm begehrten Punkte bekommen hätte, nicht zum Zug gekommen. Hinsichtlich der für Wien 21 ausgeschriebenen Planstelle wäre er im besten Fall zweitgereiht, hinsichtlich der für Wien 19 ausgeschriebenen Planstelle im besten Fall drittgereiht.
Bei der Bewerbung für die neu geschaffene Planstelle in Wien 16 wäre er ‑ ausgehend von seinem Standpunkt ‑ erstgereiht.
Er verpflichtete sich im Fall seiner Invertragnahme, seine Stelle als Vertragsarzt in einem anderen Bundesland zurückzulegen.
Der Kläger, der daneben ein weiteres Begehren stellt, begehrt von der Erstbeklagten es zu unterlassen, bei der Reihung der BewerberInnen für die ausgeschriebenen Kassenplanstellen (a) Punkt 3. der zwischen den Beklagten vereinbarten Reihungskriterien insoweit anzuwenden, als er keine Wartezeit für die Monate Dezember 2007 bis Oktober 2014 (in eventu Dezember 2007 bis Dezember 2008 und Mai 2010 bis Oktober 2014) berücksichtigt erhalte, (b) Punkt 5. der Reihungskriterien auf allfällige MitbewerberInnen anzuwenden und (c) Punkt 1. der Reihungskriterien insoweit anzuwenden, als er für seine Berufserfahrung einerseits als Praxisvertreter, andererseits als Vertragsarzt (Anm.: einer anderen Gebietskrankenkasse) nur maximal 16 Punkte erwerben könne, während gleichzeitig hauptberufliche Wahlärzte für diese Tätigkeit bis zu fünf weitere Punkte zusätzlich „zur“ Tätigkeit der Praxisvertretung erwerben könnten, und (d) Punkt 1. der Reihungskriterien insoweit anzuwenden, als er seine Tätigkeit als Wahlarzt in Wien für Jänner 2009 bis November 2014 nicht berücksichtigt erhalte. Von der Zweitbeklagten begehrt der Kläger, es zu unterlassen, Mitbewerber für eine der ausgeschriebenen Kassenplanstellen in Vertrag zu nehmen, wenn die Erstbeklagte einen Reihungsvorschlag unter Außerachtlassung der genannten Punkte (a bis d) erstatte.
Zur Sicherung der Unterlassungsansprüche beantragte er, der Erstbeklagten die Vornahme einer Reihung, die unter Bedachtnahme auf die genannten Punkte der Reihungskriterien zustande komme, zu untersagen, und der Zweitbeklagten den Abschluss eines Kassenvertrags auf Grundlage einer solchen Reihung zu verbieten.
Obwohl er am 17. 12. 2007 in die Interessentenliste aufgenommen worden sei, seien Zeiten seither nicht als Wartezeit berücksichtigt worden, weil er mit Annahme einer Kassenplanstelle in einem anderen Bundesland aus der Interessentenliste gestrichen worden sei. Die Streichung verstoße gegen § 343 ASVG und die Reihungskriterien‑Verordnung. Zumindest hätten ihm die bis dahin zurückgelegte Zeit von Dezember 2007 bis Dezember 2008 und die Wartezeit ab der ersten Bewerbung nach Annahme der Kassenvertragsstelle von Mai 2010 bis Oktober 2014 angerechnet werden müssen. Die in Punkt 5. der Reihungskriterien enthaltenen Anrechnungszeiten für Mutterschutz, Elternkarenz, Präsenz‑ und Zivildienst hätten ebenfalls keine Grundlage in § 343 ASVG und seien unsachlich, weil gleichheitswidrig. Aufgrund seiner Untauglichkeit und seiner selbständigen Tätigkeit habe er keine Möglichkeit gehabt, solche Punkte zusätzlich zur Berufserfahrung zu erwerben, während seine anstelle solcher Zeiten erworbene Berufserfahrung durch die Deckelung nicht zum Tragen kommen könne. Punkt 1. der Reihungskriterien enthalte eine unsachliche Differenzierung zwischen Wahl- und Vertragsärzten. Wahlärzte könnten bei einer Praxisvertretung in Ordinationen mit Kassenverträgen bis zu 21 Punkte erzielen, während Vertragsärzte mit 16 Punkten gedeckelt seien.
Das Erstgericht verbot den Beklagten mittels einstweiliger Verfügung die Reihung bzw Invertragnahme der Bewerber für alle vom Antrag erfassten Kassenplanstellen, wenn die Erstbeklagte die Punkte 3. und 1. der Reihungskriterien insoweit anwende, als der Kläger keine Wartezeit für 17. Dezember 2007 bis Ende Dezember 2008 berücksichtigt erhalte, für seine Berufserfahrung einerseits als Praxisvertreter, andererseits als Vertragsarzt in einem anderen Bundesland nur maximal 16 Punkte erwerben könne bzw seine Tätigkeit als Wahlarzt in Wien für Jänner 2009 bis November 2014 nicht berücksichtigt werde, und sprach aus, dass diese einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens gelte. Das Mehrbegehren (Anrechnung der Wartezeit auch von Jänner 2009 bis Oktober 2014 und Unterlassung der Anwendung von Punkt 5. der Reihungskriterien auf Mitbewerber) wies es ab.
Das Rekursgericht gab den dagegen erhobenen Rekursen des Klägers und der Beklagten jeweils teilweise Folge, wies den Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung zur Gänze ab, soweit sie sich auf die Kassenplanstellen in Wien 19 und Wien 21 bezieht, verbot der Erstbeklagten eine Reihung für die Kassenplanstelle in 1160 Wien, bei der Punkt 3. der Reihungskriterien insoweit angewendet wird, als der Kläger keine Wartezeit für die Monate Dezember 2007 bis Oktober 2014 berücksichtigt erhält, Punkt 5. der Reihungskriterien auf allfällige Mitbewerber bzw Punkt 1. der Reihungskriterien insoweit angewendet werde, als der Kläger für seine Berufserfahrung einerseits als Praxisvertreter andererseits als Vertragsarzt nur maximal 16 Punkte erwerben kann, während gleichzeitig hauptberufliche Wahlärzte für diese Tätigkeit bis zu fünf weitere Punkte lukrieren könnten, und untersagte der Zweitbeklagten die Invertragnahme von Mitbewerbern aufgrund eines Reihungsvorschlags der Erstbeklagten, sofern dieser die genannten Punkte berücksichtige.
Eine Streichung aus der Interessentenliste bei Abschluss eines Kassenvertrags sähen weder die Reihungskriterien‑Verordnung noch die Reihungskriterien (Anlage) vor. § 4 Abs 1 lit d der Richtlinien ordne eine solche Streichung entgegen der Reihungskriterien‑Verordnung an.Im Hinblick auf das Erfordernis der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und den Aspekt der Auswahl des beruflich bestqualifizierten Arztes (§ 342 Abs 1 ASVG) entspreche es auch nicht der Intention des Gesetzgebers, dass es Interessenten zum Nachteil gereiche, wenn sie sich auf eine entlegenere oder nur zweitrangig gewünschte Kassenplanstelle bewerben, zumal sonst die Gefahr bestünde, dass sich Ärzte auf eine solche Kassenplanstelle erst gar nicht bewerben würden, womit die ärztliche Versorgung nicht sichergestellt, sondern gefährdet wäre. Da für die Wartezeit insgesamt 16 Punkte zu vergeben seien, sei es nahezu auszuschließen, dass ein Arzt mit Kassenvertrag eine höhere Punkteanzahl als seine Mitbewerber ohne Kassenvertrag erreichen könnte, was auch sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Jedenfalls dann, wenn ein Arzt nach Abschluss eines Kassenvertrags durch eine erneute Bewerbung zu erkennen gebe, eine andere Planstelle an einem anderen Ort anzustreben, müsse er weiterhin als „Interessent“ und als „wartend“ angesehen werden. Punkt 5. der Reihungskriterien benachteilige Ärzte, die solche Zeiten ‑ aus welchen Gründen auch immer ‑ nicht aufweisen könnten, und widerspreche daher dem Gleichheitsgebot, weil es sachlich nicht gerechtfertigt sei, solchen Interessenten die Möglichkeit von Zusatzpunkten zu versagen. Unter dem Blickwinkel der Berufserfahrung sei es auch nicht nachvollziehbar, dass die als hauptberuflich tätiger Wahlarzt erworbene Erfahrung als Praxisvertreter gesondert mit fünf Punkten bewertet, aber in die Deckelung mit 16 Punkten nicht einbezogen werde, hingegen eine solche Tätigkeit durch einen Vertragsarzt von der Deckelung mit 16 Punkten erfasst sei. Dies bedeute nämlich, dass Wahlärzten mit Praxisvertretung mehr Berufserfahrung zugestanden werde als Vertragsärzten, selbst wenn diese Praxisvertretungen ausübten.
Unabhängig davon, ob man den Argumenten des Klägers nach diesen Kriterien zur Gänze oder nur teilweise folge, ergebe sich, dass der Kläger bei Anwendung der gleichen Kriterien für seine Mitbewerber für die Planstelle in Wien 21 die zweithöchste Punkteanzahl und für die Planstelle in Wien 19 die dritthöchste Punkteanzahl erreiche. Insoweit sei eine Anspruchsgefährdung im Sinn des § 381 Z 2 EO zu verneinen.
Demgegenüber erreiche der Kläger bei Anwendung der gleichen Kriterien für seine Mitbewerber für die Planstelle in Wien 16 die höchste Punkteanzahl, weswegen die konkrete Möglichkeit eines drohenden unwiederbringlichen Schadens bescheinigt und die von ihm begehrte einstweilige Verfügung hinsichtlich dieser Kassenplanstelle zu erlassen sei.
Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil die Bedeutung der Reihungskriterien bei der Besetzung von Kassenplanstellen im Zusammenhang mit der Punktevergabe für eine Wartezeit auch bei Abschluss eines Kassenvertrags sowie der Vergabe von Zusatzpunkten für Ersatzzeiten über den Einzelfall hinausgehe und dazu höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Der von den Beklagten beantwortete Revisionsrekurs des Klägers, mit dem er sich gegen die Abweisung der beantragten einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Kassenplanstellen in Wien 19 und Wien 21 wendet, ist nicht zulässig.
Die vom Kläger beantworteten Revisionsrekurse der Beklagten sind aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie sind auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
A. Zum Revisionsrekurs des Klägers:
1. In der Entscheidung 1 Ob 108/15m, der ebenfalls ein zwischen dem Kläger und den Beklagten geführtes Verfahren zugrunde lag, hat der Oberste Gerichtshof bereits festgehalten, dass dem Kläger grundsätzlich kein Schaden im Sinn des § 381 Z 2 EO droht, wenn er selbst bei Anwendung der von ihm angestrebten und von den Vorinstanzen als berechtigt erkannten Reihungskriterien und der daraus resultierenden Punktevergabe nicht Erstgereihter ist.
2. Auch im vorliegenden Verfahren steht fest, dass der Kläger selbst bei Anwendung der von ihm angestrebten Reihungskriterien für die Kassenplanstellen in Wien 19 und Wien 21 nicht Erstgereihter wäre, sodass das Rekursgericht zu Recht zum Ergebnis gelangte, dass er keine konkrete Gefährdung aufzuzeigen vermochte. Auch im vorliegenden Verfahren hat er nicht behauptet und bescheinigt, dass vorgereihte Bewerber die Kassenstellen nicht annehmen würden. Fehlt ihm aber die realistische Chance auf Abschluss eines Kassenvertrags, droht ihm kein Schaden im Sinn des § 381 Z 2 EO. Mit dem geltend gemachten Interesse an der Sicherung der Durchführung eines transparenten, rechtmäßigen Vergabeverfahrens, spricht er keinen drohenden unwiederbringlichen Schaden an. Somit zeigt er auch keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3. Der gegen die Abweisung seines Sicherungsantrags hinsichtlich der Kassenplanstellen in Wien 19 und Wien 21 gerichtete Revisionsrekurs des Klägers ist daher zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedürfte.
4. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 393 Abs 1 EO iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagten haben in ihren Revisionsrekursbeantwortungen jeweils auf die fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers hingewiesen. Gegenstand des über das Rechtsmittel des Klägers geführten Revisionsrekursverfahrens waren zwei von drei Verbotsbegehren, weswegen die Bemessungsgrundlage für die Kosten der Erstbeklagten entsprechend zu reduzieren ist.
B. Zu den Revisionsrekursen der Beklagten:
Das Rekursgericht verbot der Erstbeklagten, bei einer Reihung der Bewerber für die noch in Rede stehende neugeschaffene Kassenplanstelle in Wien 16 die zwischen den Beklagten vereinbarten Reihungskriterien insoweit anzuwenden, als der Kläger keine Wartezeit für die Monate Dezember 2007 bis Oktober 2014 berücksichtigt erhalte (Punkt 3. der Kriterien), er für seine Berufserfahrung einerseits als Praxisvertreter, andererseits als Vertragsarzt in einem Bundesland nur maximal 16 Punkte erwerben könne, während gleichzeitig hauptberufliche Wahlärzte für diese Tätigkeit bis zu fünf weitere Punkte zusätzlich zur Tätigkeit der Praxisvertretung erwerben könnten (Punkt 1. der Reihungskriterien) und Punkt 5. der Reihungskriterien auf allfällige MitbewerberInnen angewendet werde, sowie der Zweitbeklagten den Abschluss eines Kassenvertrags auf Grundlage einer solchen Reihung.
Beide Beklagte machen dazu im Wesentlichen geltend, den Wertungen der Reihungskriterien entspreche es, jenen Ärzten größere Chancen einzuräumen, die noch nicht über eine gesicherte Erwerbsmöglichkeit in Form eines Kassenvertrags verfügten und verweisen dazu auf die Entscheidung 4 Ob 31/02s. Die Bevorzugung von vertragslosen Ärzten und der Umstand, dass dem Kläger keine Punkte für Wartezeiten zukämen, seien daher gerechtfertigt. Die Vergabe von zusätzlichen Punkten für Zeiten des Mutterschutzes, der Elternkarenz sowie des Präsenz‑ und Zivildienstes bezwecke, jenen Ärzten Kompensationspunkte zu geben, die aufgrund derart verbrachter Zeiten keine Punkte für Berufserfahrung sammeln hätten können.
Nur die Zweitbeklagte tritt weiterhin für die vom Rekursgericht als unsachlich erkannte Punktevergabe für die Berufserfahrung ein, soweit diese aus der Differenzierung der Vertretertätigkeit eines Wahl‑ und Vertragsarztes resultiert (Punkt 1. der Reihungskriterien). Die Entscheidung 1 Ob 35/15a habe keine umfassende und abschließende Klärung dieser Rechtsfrage gebracht, weswegen sie nicht vom Vorliegen einer gesichterten Rechtsprechung ausgehe.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
1. Dass der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Anwendung unsachlicher oder gesetzwidriger Kriterien bei der Reihung der Bewerber für die Kassenplanstelle in Wien 16 mit einem entsprechenden (befristeten) Unterlassungsgebot gesichert werden kann, entspricht ‑ entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ‑ der Rechtsprechung (vgl 3 Ob 127/06g; zuletzt 1 Ob 108/15m; vgl auch RIS‑Justiz RS0004920). Das mit einstweiliger Verfügung erlassene Unterlassungsgebot (= Verbot im Sinn von § 382 Z 5 EO) ist schon begrifflich weder auf eine bestimmte Reihung noch auf den Abschluss eines Kassenvertrags mit der Zweitbeklagten gerichtet.
Die
Sicherungsmittel sind in § 382 EO nur demonstrativ aufgezählt und müssen sich nach der Beschaffenheit des im Einzelfall zu erreichenden Zwecks richten (RIS-Justiz RS0004873).
2. Nach ständiger Judikatur gilt ein Schaden dann als unwiederbringlich, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RIS‑Justiz RS0005270; RS0005275 [T2]). Voraussetzung für die vom Kläger begehrte einstweilige Verfügung nach § 381 Z 2 EO ist dabei eine konkrete Gefährdung des geltend gemachten Anspruchs (RIS‑Justiz RS0005118). Die Behauptungs‑ und Bescheinigungslast hierfür liegt ausschließlich bei ihm (RIS‑Justiz RS0005311). Nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens bedeutet eine solche Anspruchsgefährdung (RIS‑Justiz RS0005295 [T3]).
3. Zu den Punkten 1. und 5. der Reihungskriterien:
3.1 Sowohl aus der Reihungskriterien-Verordnung (vgl § 3 Abs 2) als auch aus § 9 Abs 5, § 10 Abs 3, § 11 und § 12 Abs 1 der Richtlinien ergibt sich, dass die Invertragnahme grundsätzlich mit dem Erstgereihten erfolgt. Wie bereits zum Revisionsrekurs des Klägers festgehalten wurde, droht diesem daher mangels gegenteiliger Bescheinigung kein unwiederbringlicher Schaden, wenn er auch unter Zugrundelegung seines Standpunkts nicht erstgereiht wäre (1 Ob 108/15m).
3.2 Das Erstgericht hat die zur Reihung für die Planstelle in Wien 16 maßgebliche Liste zum Bestandteil des von ihm als bescheinigt angenommenen Sachverhalts erklärt und damit dessen Inhalt als bescheinigt angenommen, sodass dieser der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0002192). Daraus folgt, dass der Kläger auch im Verfahren zur Vergabe der Planstelle in Wien 16 nicht erstgereiht wäre, selbst wenn er mit seinem Standpunkt zu Punkt 1. und 5. der Reihungskriterien in der Hauptsache zur Gänze durchdringen würde. Keine(r) der ihm Vorgereihten hat für Vertretungstätigkeiten mehr Punkte erworben als er. Auch wenn man die von ihm angestrebten zusätzlichen Punkte für eine Tätigkeit zur Praxisvertretung hinzuschlägt und Zeiten gemäß Punkt 5. der Reihungskriterien (Punkte für Anrechnungszeiten für Mutterschutz, Elternkarenz, Präsenz‑ und Zivildienst) außer Acht lässt, was sich hier lediglich bei den zweit‑ und drittgereihten Bewerbern niederschlagen würde, kommt er lediglich an die dritte Stelle. Nur wenn man seinem Standpunkt zu Punkt 3. der Reihungskriterien folgte, erreichte er stets eine solche Punkteanzahl, dass er erstgereiht werden könnte, und zwar auch ohne Rücksicht auf Vertretungs‑ und Anrechnungszeiten. Hingegen wäre er ohne Berücksichtigung der Wartezeiten unter keinen Umständen an erster Stelle zu reihen.
3.3 Fragen im Zusammenhang mit den Punkten 1. und 5. der Reihungskriterien, deren Anwendung er der Erstbeklagten für das Verfahren zur Besetzung der Planstelle in Wien 16 untersagen will, und der Zweitbeklagten den Abschluss eines darauf beruhenden Vertrags verbieten möchte, sind für die Bewerbung des Klägers um diese Planstelle nur von theoretischer Bedeutung. Einen konkret drohenden unwiederbringlichen Schaden kann er daher aus der Anwendung dieser Bestimmungen im hier zu beurteilenden Besetzungsverfahren nicht ableiten. Eine bloß abstrakt oder theoretisch mögliche Gefährdung genügt zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 381 Z 2 EO nicht.
Da es schon an der Gefährdung des Klägers durch eine Anwendung des Punkts 1. der Reihungskriterien mangelt, erübrigt sich auch ein Eingehen auf die übrigen Argumente der Zweitbeklagten zu dieser Bestimmung. Gründe, warum die dazu in der Entscheidung 1 Ob 35/15a in Bezug auf die Erstbeklagte dargelegten Grundsätze ihr gegenüber nicht gelten sollten, ergeben sich daraus nicht.
3.4 Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist daher hinsichtlich beider Beklagten, soweit sie den Punkt 5. der Reihungskriterien betrifft, und in Bezug auf die Zweitbeklagte auch hinsichtlich Punkt 1. der Reihungskriterien abzuweisen. Die Erstbeklagte hat dagegen den Beschluss des Rekursgerichts in Rechtskraft erwachsen lassen, soweit er Punkt 1. der Reihungskriterien betrifft.
4. Zu Punkt 3. der Reihungskriterien:
Streitthema ist hier, ob der Kläger als Inhaber einer Kassenplanstelle in einem anderen Bundesland Anspruch auf Berücksichtigung einer „Wartezeit“ auf der Interessentenliste hat.
4.1 Die Reihungsbestimmungen für die Vergabe eines Kassenvertrags dienen den Interessen der Versicherten und dem Schutz der Bewerber mit dem Ziel, dass möglichst der fachlich Bestqualifizierte zum Zug kommen soll (RIS‑Justiz RS0115622 [T2]).
4.2 Nach § 343 Abs 1 ASVG erfolgen die Auswahl der Vertragsärzte und ‑ärztinnen und der Abschluss der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Arzt nach den Bestimmungen des Gesamtvertrags und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer. Zu diesem Zweck sind gemäß § 343 Abs 1a ASVG auf Vorschlag der österreichischen Ärztekammer durch Verordnung des Bundesministers für Gesundheit verbindliche Kriterien für die Reihung der Bewerberinnen und Bewerber um Einzelverträge festzulegen (Reihungskriterien). Dabei sind auch die fachliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber und die zeitliche Reihenfolge der Bewerbungen um Einzelverträge zu berücksichtigen. Die Reihungskriterien haben jedenfalls dem Gleichheitsgebot, der Erwerbsausübungs‑ und Niederlassungsfreiheit sowie den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, BGBl Nr 210/1958, zu entsprechen.
4.3 Die gestützt auf § 343 Abs 1a ASVG erlassene Reihungskriterien‑Verordnung, BGBl II 2002/487 idgF, schreibt in § 2 Abs 1 die für die Reihung der „BewerberInnen“ um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern maßgeblichen Auswahlkriterien fest und hat unter anderem folgenden Wortlaut:
„ § 2. (1) Die Kriterien für die Reihung der BewerberInnen um Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern sind:
[…]
3. der Zeitpunkt der ersten Eintragung in eine BewerberInnenliste um Einzelverträge nach Erlangung des Rechtes zur selbständigen Berufsausübung als Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin bzw. als Fachärztin/Facharzt und die allenfalls darauf folgende nach zeitlichen und örtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende regelmäßige Bewerbung um Einzelverträge; in Bundesländern, in denen eine derartige BewerberInnenliste bis zum In‑Kraft‑Treten dieser Verordnung nicht besteht, ist dem Zeitpunkt der ersten Eintragung jener Zeitpunkt gleichzuhalten, zu dem die Bewerberin/der Bewerber die Voraussetzungen für eine Eintragung in die nunmehr zu schaffende BewerberInnenliste erstmals erfüllt hätte; […]. “
In § 3 Abs 1 gibt die Verordnung das für die Bewertung der BewerberInnen ausschlaggebende Punktesystem vor.
5. Das zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (insbesondere für die Zweitbeklagte) und der Erstbeklagten gemäß § 6 Abs 1 des Ärzte‑Gesamtvertrags vereinbarte Zusatzprotokoll nennt die Richtlinien für die Auswahl und Invertragnahme von Ärzten für Allgemeinmedizin und Vertragsfachärzten, die als Anlage 2 einen integrierten Bestandteil des Gesamtvertrags bilden (Richtlinien). Nach § 9 Abs 2 dieser Richtlinien erfolgt die Reihung der Bewerbungen nach dem unter Berücksichtigung der Reihungskriterien‑Verordnung erstellten Punkteschema gemäß der Anlage zu dieser Vereinbarung. Abschnitt I. der dazugehörigen Anlage (Reihungskriterien) legt die für die maßgeblichen Auswahlkriterien zu vergebenden Punkte fest.
6. Die vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mit den örtlichen zuständigen Ärztekammern abgeschlossenen Gesamtverträge (§ 341 ASVG) sind samt ihren Zusatzvereinbarungen als Rechtsquellen sui generis anzusehen, deren Zustandekommen zwar nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist, die ihrem Inhalt nach jedoch Gesetzen im materiellen Sinn gleichzuhalten sind (RIS‑Justiz RS0115620 [T3]). Soweit Gesamtverträge nach § 341 ASVG die einzelnen Adressaten ohne ihre Zustimmung wie ein Gesetz berechtigen und verpflichten, wirken sie normativ und sind insoweit wie Gesetze nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB auszulegen. In ihrem schuldrechtlichen Teil erfolgt die Auslegung jedoch wie bei einem Vertrag, also nach den Regeln der §§ 914 f ABGB (RIS‑Justiz RS0124647; zuletzt 1 Ob 35/15a).
7. Nach der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0115621) ist die erstbeklagte Ärztekammer als Körperschaft öffentlichen Rechts im Rahmen der gesetzlich angeordneten Mitwirkung bei der Auswahl der Kandidaten für den Abschluss eines Einzelvertrags mit dem zuständigen Träger der Krankenversicherung (hier der Zweitbeklagten) an den Gleichheitsgrundsatz gebunden, sodass die dazu ergehenden Besetzungsvorschläge, die ihnen zugrunde liegenden Richtlinien und letztlich die Vergabe eines Kassenvertrags auf objektiven und nachprüfbaren Erwägungen beruhen müssen, die transparent und sachlich gerechtfertigt sind. Nach anderer Ansicht ( Mosler, Auswahl der Vertragsärzte und Ärztegesamtvertrag, in Grillberger/Mosler, Europäisches Wirtschaftsrecht und soziale Krankenversicherung, 397 [407]) zählten die Vorschriften über den Stellenplan und die Vertragsarztauswahl zum schuldrechtlichen Teil des Gesamtvertrags und seien daher am Maßstab des § 879 ABGB zu messen. Dem Gesetz oder der Verordnung widersprechende Kriterien in gesamtvertraglich vereinbarten Richtlinien seien demnach nichtig (vgl Mosler aaO 407). Unabhängig davon, ob man dieser Rechtsansicht folgt oder der Rechtsprechung, wonach die Vergabe eines Kassenvertrags, die dazu ergehenden Besetzungsvorschläge und die zugrunde liegenden Richtlinien auf objektiven und nachprüfbaren Erwägungen beruhen müssen, die transparent und sachlich gerechtfertigt sind, kommt man zum selben Ergebnis.
8. Nach § 343 Abs 1a ASVG sind (unter anderem) die fachliche Eignung und die zeitliche Reihenfolge der Bewerbungen um Einzelverträge für die Reihung der BewerberInnen zu berücksichtigen. Diese Bestimmung macht damit die zeitliche Komponente der Bewerbung neben der fachlichen Kompetenz zum maßgeblichen Kriterium, ohne jedoch den Beginn der Wartezeit festzulegen. Die auf dieser Gesetzesermächtigung beruhende Reihungskriterien-Verordnung berücksichtigt den Zeitpunkt der ersten Eintragung in eine „BewerberInnenliste“ um Einzelverträge nach Erlangung des Rechts zur selbständigen Berufsausübung als Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin bzw als Fachärztin/Facharzt und die allenfalls darauf folgende nach zeitlichen und örtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende regelmäßige Bewerbung um Einzelverträge (§ 2 Abs 1 Z 3 der Verordnung). Zur Berücksichtigung der für die Reihung maßgeblichen zeitlichen Komponente führt die erstbeklagte Kammer eine Interessentenliste, in der sämtliche Ärzte eingetragen werden, die ein Ansuchen um Invertragnahme gestellt haben (§ 2 Abs 1 der Richtlinien). Als Voraussetzung für die Eintragung in diese Interessentenliste nennt § 3 der Richtlinien den Nachweis der Berufsberechtigung als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin bzw Facharzt (Abs 1). Nach Abs 4 dieser Bestimmung können Personen, die als Ärzte für Allgemeinmedizin oder Fachärzte Einzelverträge mit einer Gebietskrankenkasse (ausgenommen Tätigkeiten im Rahmen von Job‑Sharing) bzw ein vergleichbares Vertragsverhältnis im Ausland abgeschlossen haben, nicht in die Interessentenliste aufgenommen werden. § 4 Abs 1 lit d der Richtlinien ordnet die Streichung aus der Interessentenliste, wenn ein Interessent als Arzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt einen Einzelvertrag oder als Gesellschafter einer Gruppenpraxis einen Gruppenpraxis-einzelvertrag mit einer Gebietskrankenkasse abschließt oder ein vergleichbares Vertragsverhältnis im Ausland ausübt, mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertragsverhältnisses an.
9.1 Weder die in den Richtlinien angeordnete Streichung von der Interessentenliste noch der Umstand, dass Personen, die bereits Einzelverträge mit einer Gebietskrankenkasse abgeschlossen haben, nicht mehr in die Interessentenliste aufgenommen werden, mit der Folge, dass die zeitliche Reihenfolge ihrer Bewerbung um eine (andere) Vertragsplanstelle bei der zweitbeklagten Partei überhaupt nicht berücksichtigt wird, finden weder im § 343 Abs 1a ASVG noch in der damit korrespondierenden Bestimmung der Reihungskriterien‑Verordnung Deckung.
9.2 Die Reihungsbestimmungen dienen dem Ziel, Planstellen nach möglichst sachlichen Kriterien zu besetzen. Die Berücksichtigung der zeitlichen Reihenfolge als eines dieser Kriterien setzt voraus, dass ein Arzt durch eine Bewerbung sein Interesse an einer Kassenplanstelle zu erkennen gibt und aufrecht erhält. Gründe, warum ein Bewerber, der sich erfolgreich um eine solche Planstelle beworben hat, mag sie auch in einem anderen Bundesland angesiedelt sein, dennoch jedenfalls als Interessent weiter geführt werden sollte, sind nicht zu erkennen. Es ist weder sachlich ungerechtfertigt noch nach dem Maßstab des § 879 ABGB zu beanstanden, dass Interessenten, die sich erfolgreich um eine Kassenplanstelle beworben und diese angenommen haben, nicht weiterhin als „wartend“ mit der Möglichkeit, die bereits erworbenen Punkte zu behalten und weitere Punkte anzusammeln, geführt werden. Die Streichung von der Interessentenliste ist Folge des Umstands, dass Interessenten mit der Entscheidung, eine Planstelle anzunehmen, aus dem Kreis der Bewerber ausscheiden und damit auch nicht mehr in den Anwendungsbereich der auf § 343 Abs 1a ASVG fußenden Reihungskriterien‑Verordnung fallen. Damit geht notwendig der Verlust von bis dahin erworbenen Punkten für „Wartezeiten“ einher.
9.3 Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob die Innehabung einer Kassenplanstelle der Möglichkeit, Punkte für Wartezeiten zu erlangen, entgegensteht.
9.4 Es trifft zwar zu, wie insbesondere die Zweitbeklagte betont, dass § 3 Z 2 der Verordnung das Hauptaugenmerk auf den Zeitpunkt der ersten Eintragung in die Bewerberliste um Einzelverträge nach Erlangung des Rechts zur Berufsausübung legt. Zu berücksichtigen sind nach dieser Bestimmung aber auch darauf folgende regelmäßige Bewerbungen um eine Planstelle. Damit hindert die Verordnung ihrem Wortlaut nach keineswegs die Möglichkeit eines Arztes, mag er auch bereits eine Kassenplanstelle in einem anderen Bundesland innehaben, Punkte für die Wartezeit neu zu erwerben, wenn er sein Interesse an einer solchen Stelle der Zweitbeklagten durch eine regelmäßige Bewerbung (wiederum) bekundet. Es ist auch keinesfalls sachlich gerechtfertigt, Ärzte von der Berücksichtigung der zeitlichen Reihenfolge der Bewerbung um einen Einzelvertrag bei der Zweitbeklagten auszunehmen, weil sie bereits mit der Gebietskrankenkasse eines anderen Bundeslands in einem Vertragsverhältnis stehen. Es trifft zwar zu, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 4 Ob 31/02s eine sachliche Rechtfertigung der damals beurteilten Reihungsbestimmungen erkannte, jungen Ärzten größere Ernennungschancen einzuräumen, die noch nicht über eine gesicherte Erwerbschance in Form eines Kassenvertrags verfügen, doch war nicht der Ausschluss der Berücksichtigung der zeitlichen Reihenfolge zu beurteilen, sondern die Möglichkeit der Reihung an mehr als einem Ort. Die Zweitbeklagte verweist zudem selbst darauf, dass das ASVG kein Beschäftigungsgesetz für Gesundheitsberufe ist, weshalb die Auswahl von Vertragsärzten in erster Linie dem Interesse der bestmöglichen Sachleistungsversorgung zu dienen hat und nicht jenem der Ärzte. § 343 Abs 1a ASVG macht durch die Betonung der fachlichen Eignung deutlich, dass der bestmöglichen medizinischen Versorgung der Versicherten neben der zeitlichen Komponente maßgebliche Bedeutung zukommt. Dem wird eine Reihung nicht gerecht, die auf Kriterien basiert, nach welchen eine Wartezeit punktemäßig auch dann belohnt wird, wenn allenfalls überhaupt keine fachspezifische Tätigkeit ausgeübt wurde, hingegen die Zeit, während der ein Bewerber gerade in dem ausgeschriebenen Fachgebiet tätig war, gar nicht berücksichtigt wird, weil er Inhaber einer Kassenplanstelle einer (anderen) Gebietskrankenkasse war. Zutreffend hat daher bereits das Rekursgericht festgehalten, dass es sachlich nicht gerechtfertigt ist, einen Arzt, wenn er bereits einen Kassenvertrag hat, gegenüber anderen Bewerbern, die einen solchen noch nicht haben, bei der Punktevergabe auf Dauer zu benachteiligen, zumal es bei der für die Wartezeit maximal zu vergebenden Punkteanzahl nahezu auszuschließen ist, dass ein Arzt mit Kassenvertrag eine höhere Punkteanzahl als seine Mitbewerber ohne Kassenvertrag erreichen kann.
9.5 Zusammengefasst folgt, dass dem Rekursgericht darin zuzustimmen ist, dass dann, wenn ein Arzt nach Abschluss eines Kassenvertrags durch seine regelmäßige Bewerbung zu erkennen gibt, eine Kassenplanstelle bei der Zweitbeklagten anzustreben, die Nichtberücksichtigung der zeitlichen Reihenfolge seiner Bewerbung nicht zu rechtfertigen ist. § 3 Abs 4 der Richtlinien, wonach Ärzte, die bereits einen Einzelvertrag mit einer Gebietskrankenkasse abgeschlossen haben, nicht mehr als Interessenten um eine Planstelle bei der Zweitbeklagten berücksichtigt werden, und der daraus resultierende Ausschluss von Punkten für die „Wartezeit“ gemäß Punkt 3. der Reihungskriterien ist somit sachlich nicht gerechtfertigt. Die Erstbeklagte verstößt mit den von ihr angewendeten Regelungen der Punktevergabe zu Punkt 3. der Reihungskriterien entweder gegen § 879 Abs 1 ABGB oder gegen den Gleichheitsgrundsatz.
9.6 Nach den Feststellungen hat sich der Kläger im Juni 2010 erneut um eine Planstelle bei der Zweitbeklagten beworben und danach durch regelmäßige Bewerbungen sein Interesse an einer Planstelle bekundet. Die Berücksichtigung von Punkten für die Wartezeit gemäß den Reihungskriterien ab dem Zeitpunkt, zudem der Kläger sein Interesse an einer Planstelle bei der Zweitbeklagten erneut dokumentiert hat, führt dazu, dass er für die Planstelle in Wien 16 jedenfalls erstgereiht wäre. Damit hat der Kläger bescheinigt, dass er durch die Anwendung der als nicht sachgerecht erkannten Regelungen über den Ausschluss von Punkten für die Wartezeit gefährdet ist. Die von den Vorinstanzen erlassene einstweilige Verfügung ist daher in Bezug auf die Planstelle in Wien 16 insoweit aufrecht zuhalten, als der Erstbeklagten die Vornahme einer Reihung und der Zweitbeklagten der Abschluss eines darauf basierenden Vertrags verboten wird, wenn der Kläger keine Wartezeit für die Monate Juni 2010 bis Oktober 2014 berücksichtigt erhält. Dahingestellt bleiben kann hingegen, ob eine Bewerbung des Klägers, wie sein Begehren andeutet, bereits im Mai 2010 erfolgte.
10. In teilweiser Stattgebung der Revisionsrekurse der Beklagten ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 402 Abs 4 und § 78 EO iVm § 43 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren zusätzlich auf § 50 ZPO.
Die Bemessungsgrundlage im Sicherungs-verfahren entspricht dem vom Kläger für das Unterlassungsbegehren angegebenen Streitwert (Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 510, 517) von 40.800 EUR. Davon entfallen je 13.600 EUR auf die jeweiligen Sicherungsbegehren zu den drei Kassenplanstellen. Die Beklagten haben diese hinsichtlich der Stellen in Wien 19 und Wien 21 zur Gänze und hinsichtlich der Stelle in Wien 16 zu zwei Drittel (Zweitbeklagte) bzw einem Drittel (Erstbeklagte, die einen Teil der Entscheidung des Rekursgerichts unbekämpft ließ) abgewehrt. Für die Berechnungen der in zweiter Instanz angefallenen Kosten konnte die vom Rekursgericht ermittelte Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden. Daraus errechnet sich für das Verfahren erster und zweiter Instanz eine Erfolgsquote für die Erstbeklagte von ca 77 % und für die Zweitbeklagte von ca 88 %. Eine Quotenkompensation findet zufolge der Bestimmung des § 393 Abs 1 EO, nach der einstweilige Verfügungen stets auf Kosten des Antragstellers getroffen werden, nicht statt, sodass der Kläger den Beklagten die Kosten für die Äußerung in erster Instanz und die Rekurse sowie Rekursbeantwortungen entsprechend ihrer Erfolgsquote zu ersetzen hat. Dabei war für die Äußerung der Erstbeklagten in erster Instanz und den Rekursbeantwortungen beider Beklagten von den jeweils verzeichneten Kosten auszugehen. Darauf, dass die Verzeichnung der Pauschalgebühr durch die Zweitbeklagte in der Rekursbeantwortung verspätet erfolgte, hat bereits das Rekursgericht zutreffend hingewiesen.
Im Verfahren über die Revisionsrekurse der Beklagten war nur noch das Sicherungsbegehren hinsichtlich einer Kassenplanstelle strittig. Die Bemessungsgrundlage betrug daher 13.600 EUR. Die Obsiegensquote der Erstbeklagten beträgt ca ein Drittel und jene der Zweitbeklagten ca zwei Drittel.
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