European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00005.16S.0128.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 23. 5. 2014 (rechtskräftig seit 28. 6. 2014) geschieden. Am 24. 10. 2014 stellte die Antragstellerin beim Erstgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO und führte dabei Folgendes an: „Zur Klärung der gemeinsamen Schulden nach der Scheidung; nach rk. Scheidung sind noch die Schulden + eheliches Gebrauchsvermögen und Ersparnisse zwischen den Ex‑Ehegatten aufzuteilen (ev. außergerichtliche Vereinbarung).“ Das Erstgericht bewilligte der Antragstellerin die Verfahrenshilfe im begehrten Umfang „für die vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Aufteilung der ehelichen Schulden bzw ein Aufteilungsverfahren gegen ihren Ex‑Ehegatten“. Mit Bescheid der zuständigen Rechtsanwaltskammer vom 6. 11. 2014, diesem zugegangen am 12. 11. 2014, wurde der jetzige Vertreter der Antragstellerin zum Verfahrenshelfer bestellt.
Am 13. 7. 2015 brachte die Antragstellerin, vertreten durch ihren frei gewählten Rechtsvertreter, den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens ein und beantragte die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Begünstigungen nach § 64 Abs 1 Z 1 bis 5 ZPO. Sie begehrte die Aufteilung in der Weise, dass Verbindlichkeiten von 54.913,55 EUR, 8.720,54 EUR und 3.431,80 EUR gegenüber drei Gläubigern vom Antragsgegner und eine Schuld über 7.000 EUR für den von ihr getätigten Autokauf von ihr in das „alleinige Zahlungsversprechen“ übernommen werden. Da der Aufenthalt des Antragsgegners unbekannt sei, möge „gemäß § 116 ZPO“ ein Kurator bestellt werden.
Der Antragsgegner, vertreten durch die am 31. 7. 2015 bestellte Zustellkuratorin, wandte sich mit der Begründung gegen den Aufteilungsantrag, dass Verfristung im Sinn des § 95 EheG eingetreten sei.
Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag wegen Verfristung und den Verfahrenshilfeantrag infolge Aussichtslosigkeit ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den „Grenzen der Deutung eines Verfahrenshilfeantrags als fristunterbrechender Aufteilungsantrag wie auch zu den zeitlichen Grenzen der 'gehörigen Fortsetzung' in diesem Zusammenhang“ vorliege. Eine Begründung für die Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags findet sich in der Rekursentscheidung nicht.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin erweist sich als unzulässig.
1. Soweit die Antragstellerin in Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt, hat das Rekursgericht zwar die Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht begründet, der Revisionsrekurs ist aber insoweit gemäß § 62 Abs 2 Z 2 AußStrG jedenfalls unzulässig (1 Ob 94/12y). Im Übrigen hängt die Entscheidung des Rekursgerichts von keiner erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ab, weshalb der Revisionsrekurs in der Hauptsache nicht zulässig ist.
2. Nach § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Vermögensaufteilung, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht wird. Unter Rechtskraft ist dabei die formelle Rechtskraft nach § 411 ZPO zu verstehen (RIS‑Justiz RS0041294; RS0057726 [T7]; RS0110013 [T5]). Auf diese Präklusivfrist sind die allgemeinen Verjährungsbestimmungen des § 1497 ABGB analog anzuwenden (RIS‑Justiz RS0034613 [T1, T2]).
3. In einem Verfahren nach den §§ 81 ff EheG können sich die Parteien darauf beschränken, im verfahrenseinleitenden Schriftsatz die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens durch das Außerstreitgericht zu beantragen, ohne ein deutlicheres Begehren (Zuweisung bestimmter Gegenstände, Leistung einer bezifferten Ausgleichszahlung) stellen zu müssen (1 Ob 60/13z mwN; 1 Ob 111/14a = EF‑Z 2015/47, 83 [Gitschthaler]). Nach der jüngeren, mittlerweile gefestigten Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0109615 [T5, T8]) können die Parteien zudem nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG zwar nicht die Zuweisung weiterer, nicht rechtzeitig behaupteter Vermögensgegenstände verlangen, dennoch aber (weitere) Ausgleichszahlungen fordern.
4. Zur Unterbrechung der einjährigen Präklusivfrist des § 95 EheG für die Aufteilung des ehelichen Vermögens reicht es aus, wenn Verfahrenshilfe ohne weitere Detaillierung „wegen Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG“ beantragt wird. Diese Angabe lässt im Sinn des § 9 Abs 1 AußStrG hinreichend erkennen, dass der Antragsteller die Aufteilung des gesamten ehelichen Vermögens begehrt (1 Ob 60/13z = RIS‑Justiz RS0128864, dazu zustimmend Oberhumer, Rechtsentwicklungen im Aufteilungsrecht [Teil II], Die Aufteilungsrechtsprechung der letzten drei Jahre im Überblick, EF‑Z 2016/5, 24 [30 f]). Der von der Antragstellerin innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe bezieht sich auf die „Klärung der gemeinsamen Schulden nach der Scheidung“ und hält fest, „nach rk. Scheidung sind noch die Schulden + eheliches Gebrauchsvermögen und Ersparnisse zwischen den Ex‑Ehegatten aufzuteilen (ev. außergerichtliche Vereinbarung)“. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der Verfahrenshilfeantrag der Antragstellerin deutlich erkennbar auf die vorprozessuale Klärung der Rechtslage abstellte (vorprozessuale Rechtsberatung im Sinn des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO [iVm § 7 Abs 1 AußStrG]; vgl dazu ErläutRV 613 BlgNR XXII. GP 11 f [zur Zivilverfahrens-Novelle 2004, BGBl I 2004/128]), was der Interpretation als verfahrenseinleitender Antrag im Sinn der §§ 81 ff EheG entgegensteht, ist im konkreten Einzelfall vertretbar.
5. Selbst wenn der Verfahrenshilfeantrag als Antrag auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse ausreichen sollte, setzt die Unterbrechungswirkung eines rechtzeitigen Aufteilungs-antrags die „gehörige Fortsetzung“ des Verfahrens voraus (RIS‑Justiz RS0034613 [T4]). Die Entscheidung, ob und inwieweit das Zuwarten mit der Verfahrensfortsetzung als ungewöhnliche Untätigkeit der Antragstellerin zu beurteilen ist, wirft wegen der Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RIS‑Justiz RS0034710 [T19]; RS0034765 [T1, T10, T18]; RS0034805 [T28, T30]).
Die Antragstellerin legt nicht näher dar, aus welchen im Verhältnis zwischen den Verfahrensparteien liegenden (RIS‑Justiz RS0034867) Gründen ihr die Einbringung des Aufteilungsantrags im Zeitraum von siebeneinhalb Monaten nach Bestellung ihres Verfahrenshelfers nicht möglich oder zumutbar war, obwohl sie insoweit behauptungs‑ und beweispflichtig ist (RIS‑Justiz RS0034710). Gerade der Umstand, dass der Antragstellerin bekannt war, dass der Antragsgegner seinen Wohnsitz ins Ausland mit unbekannter Adresse verlegt hatte, hätte sie wegen drohender Präklusion veranlassen müssen, ihre Untätigkeit zu beenden. Zumindest hätte sie ‑ wie erst gut zwei Wochen nach Ablauf der Einjahresfrist des § 95 EheG erfolgt ‑ die Bestellung eines Kurators beantragen müssen (vgl 5 Ob 215/08s = SZ 2009/2). Ihre Behauptung, sie habe deshalb so lange mit der Einbringung des Aufteilungsantrags zugewartet, weil sie nicht absehen habe können, ob der Antragsgegner „noch in Österreich aufgefunden werden konnte, zumal in einem anhängigen Strafverfahren“ aus dem Jahr 2014 eine Adresse bekannt gewesen sei, unter der er sich zumindest zu diesem Zeitpunkt aufgehalten habe, zeigt keine beachtlichen Gründe auf, warum sie den verbleibenden Zeitraum bis zum Ablauf der Frist Ende Juni 2015 ungenutzt verstreichen ließ und auch danach noch gut 14 Tage für den Aufteilungsantrag brauchte. Die Beurteilung des Rekursgerichts, wonach die Antragstellerin keine Gründe angegeben habe, aus denen sie an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen wäre, wodurch eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens nicht vorliege, ist nicht zu beanstanden.
6. Die Entscheidung hängt daher weder von den vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen ab, noch vermag die Revisionsrekurswerberin eine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.
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