OGH 4Ob236/15g

OGH4Ob236/15g27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ruhender Nachlass nach der am ***** 2015 verstorbenen M***** G*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator und Verfahrenshilfevertreter Mag. Karl Heinz Fauland, Rechtsanwalt in Leibnitz, 2. E***** G*****, vertreten durch den Verein VertretungsNetz-Sachwalterschaft, dieser vertreten durch den Verfahrenshilfevertreter Mag. Karl Heinz Fauland, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen die beklagten Parteien 1. H***** G*****, und 2. G***** G*****, beide *****, beide vertreten durch Friedl & Holler Rechtsanwalt-Partnerschaft in Gamlitz, wegen Zahlung einer Versorgungsrente (Streitwert jeweils 79.361,28 EUR) und von jeweils 186 EUR sA sowie Feststellung (Streitwert jeweils 1.000 EUR), über die Rekurse der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 18. Juni 2015, GZ 3 R 34/15i‑49, mit welchem infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Leibnitz vom 2. Jänner 2015, GZ 2 C 12/14t‑38, im Umfang der Anfechtung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen :

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00236.15G.0127.000

 

Spruch:

 

Den Rekursen wird Folge gegeben, und der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

In Bezug auf die zweitbeklagte Partei wird in der Sache dahin erkannt, dass auch die Begehren,

die zweitbeklagte Partei sei schuldig, den klagenden Parteien ab 1. Juni 2013 bis auf weiteres eine monatliche Versorgungsrente von je 2.204,48 EUR zu zahlen, wobei künftig fällig werdende Beträge monatlich zum Ersten im Vorhinein fällig würden und allfällige Rückstände innerhalb von 14 Tagen zu bezahlen seien,

es werde mit Wirkung für die zweitbeklagte Partei festgestellt, dass sie den klagenden Parteien für allfällige aus der Umwandlung der Naturalansprüche aus dem Notariatsakt vom 16. 7. 1987 in Geldansprüche resultierende steuerliche Belastungen, insbesondere an Einkommensteuer, zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei hafte,

abgewiesen werden.

In Bezug auf die erstbeklagte Partei wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 11.873,57 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin 1.975,74 EUR Umsatzsteuer, 19,36 EUR Barauslagen) zu ersetzen.

Die auf das gegen die erstbeklagte Partei erhobene Begehren entfallenden Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten im Verfahren über die Berufung der beklagten Parteien.

 

Entscheidungsgründe:

Der Erstbeklagte ist ein Bruder der beiden Kläger, die Zweitbeklagte ist seine Frau. Die Kläger sind geistig behindert, die Erstklägerin ist nach Schluss der Verhandlung erster Instanz gestorben. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagten den Klägern zur Leistung eines Ausgedinges verpflichtet waren und ob insofern der Unvergleichsfall eingetreten ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Mutter des Erstbeklagten hatte diesem mit Notariatsakt vom 16. Juli 1987 eine landwirtschaftlich genutzte Liegenschaft übergeben. Als Gegenleistung räumte der Erstbeklagte seiner Mutter die „Dienstbarkeit der Wohnung“ ein und übernahm typische Ausgedingeleistungen (Betreuung, Pflege, Besorgung und Bezahlung der notwendigen ärztlichen Hilfe). Weiters verpflichtete er sich, anderen Geschwistern „zur gänzlichen mütterlichen Erbs- und Pflichtteilsentfertigung“ bestimmte Geldbeträge zu zahlen. In Bezug auf die Kläger enthielt der Notariatsakt folgende Regelung:

„Über Anweisung der Übergeberin räumt der Übernehmer für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitz des Übergabeobjekts den unter Sachwalterschaft stehenden [Klägern] zu deren gänzlicher mütterlicher Erbs- und Pflichtteilsentfertigung auf deren Lebensdauer und ohne weiteres Entgelt im Wohnhaus […] die Dienstbarkeit der Wohnung in dem von ihnen bereits gemeinsam benützten, von der Küche aus erreichbaren Zimmer mit der Verpflichtung ein, diesen Raum, dessen Einrichtung bereits vorhanden ist, zu beheizen, zu beleuchten, zu reinigen und instand zu halten mit der Berechtigung des freien Zutrittes zu den erforderlichen Nebenräumlichkeiten. Weiters verpflichtet sich der Übernehmer entgeltlich gegen Überlassung des allenfalls gewährten Hilflosenzuschusses, seine in diesem Absatz genannten Geschwister beim Wohnhaus […] zu betreuen und zu pflegen.“

In der Aufsandungserklärung willigten die Übergeberin und der Übernehmer unter anderem in die Einverleibung der „Dienstbarkeiten der Wohnung“ im Sinn der jeweiligen Vertragspunkte ein. In dieser Weise wurde der Übergabevertrag auch verbüchert.

Mit Schenkungsvertrag vom 6. Juni 1997 schenkte der Erstbeklagte der Zweitbeklagten eine „ideelle Hälfte“ der übergebenen Liegenschaft. Die Zweitbeklagte übernahm diese Liegenschaftshälfte

„mit allen Rechten und Pflichten, wie sie der Geschenkgeber selbst besessen und benutzt hat, in ihr Eigentum“.

In einem weiteren Punkt des Schenkungsvertrags wurde festgehalten, dass der Zweitbeklagten bekannt sei, dass auf der Liegenschaft Pfandrechte „und außerdem das Wohnungsrecht“ für die Kläger hafte.

Am 19. Jänner 2009 schloss der Erstbeklagte mit den Sachwaltern der Kläger eine (gerichtlich genehmigte) Betreuungsregelung, mit der die einschlägige Bestimmung im Übergabevertrag konkretisiert wurde. Danach sollte der Erstbeklagte für die Pflege, Betreuung und Unterstützung der Kläger das diesen jeweils gewährte Pflegegeld und die erhöhte Familienbeihilfe erhalten, für deren Versorgung mit Lebensmitteln und die Bereitstellung ortsüblicher Mahlzeiten sowie für die (anteiligen) Betriebskosten der von ihnen benutzten Nebenräume darüber hinaus 80 % von deren Pensionen.

In weiterer Folge wurden die Kläger zunehmend pflegebedürftig. Zur Entlastung der damit überforderten Beklagten sollte auf Kosten der Kläger (mit Zustimmung von deren Sachwaltern) eine 24-Stunden-Betreuung eingerichtet werden. Dazu wäre eine Sanierung des Wohnhauses erforderlich gewesen, welche voraussichtlich 25.500 EUR gekostet hätte. Die Sanierung sollte zunächst aus den Ersparnissen der Kläger gezahlt werden. Damit wäre auch ein weiteres Zimmer umfassend saniert worden, das für das Pflegepersonal benötigt wurde. Nach einer auf Veranlassung der Sachwalter vorbereiteten Vereinbarung sollte das Wohnrecht der Kläger auf dieses Zimmer erstreckt werden, außerdem wurde darin für den Fall der Nichtnutzung ein anteiliger Rückersatz des Sanierungsaufwands vorgesehen. Der Erstbeklagte unterfertigte die zu diesem Zweck von einem Anwalt ausgearbeitete Vereinbarung jedoch nicht.

Die Beklagten waren wegen körperlicher und emotionaler Erschöpfung ab Juni 2013 nicht mehr bereit, die Kläger zu betreuen. Deren Sachwalter veranlassten daher die Unterbringung in einem Pflegeheim.

Während des Verfahrens übergaben die Beklagten die Liegenschaft ihrem Sohn. Dieser wurde im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.

Die Kläger begehren von den Beklagten eine monatliche Versorgungsrente von je 2.204,48 EUR, die Zahlung von je 186 EUR und die Feststellung, dass die Beklagten für allfällige steuerliche Belastungen hafteten, die sich aus der Umwandlung der im Übergabevertrag begründeten Naturalansprüche in Geldansprüchen ergeben könnten. Die Beklagten hätten sich schuldhaft geweigert, den Klägern die vertraglichen Naturalleistungen zu erbringen, sodass wegen der Fremdunterbringung der Unvergleichsfall eingetreten sei. Sie könnten daher die Ablöse der Naturalleistungen in Geld verlangen. Die Höhe der begehrten Rente errechne sich wie folgt: Die Kosten der Heimunterbringung überstiegen die Einkommen der Kläger um 1.583,83 EUR, wobei dieser Betrag derzeit aus den Ersparnissen gedeckt werden könne. Wäre statt dessen eine 24-Stunden‑Betreuung organisiert worden, wären den Klägern von ihrem Einkommen monatlich 620,85 EUR verblieben. Durch den Unvergleichsfall stünden die Beklagten daher um die Summe dieser Beträge schlechter als bei weiterer Betreuung auf der Liegenschaft. Da ein Schaden durch eine höhere Steuerbelastung des Geldersatzes im Vergleich zu den Naturalleistungen nicht ausgeschlossen werden könne, sei auch das Feststellungsbegehren berechtigt. Die Beklagten hätten zudem die frustrierten Kosten für die Errichtung der nicht zustande gekommenen Vereinbarung betreffend die 24‑Stunden‑Pflege zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Die Zweitbeklagte sei nicht passiv legitimiert, weil sie keine persönliche Pflicht zur Pflege der Kläger übernommen habe. Sie habe nur die Sachhaftung mit der Liegenschaft getroffen; diese sei nun aber auf ihren Sohn übergegangen. Der Unvergleichsfall sei nicht eingetreten, weil die Heimunterbringung medizinisch geboten gewesen sei; die Sachwalter und das Gericht hätten dem zugestimmt. Eine 24‑Stunden‑Pflege sei nicht möglich gewesen, weil ein fremder Betreuer mit dem Aggressionsverhalten der Kläger nicht hätte umgehen können. Die Höhe des Klagebegehrens sei nicht nachvollziehbar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Wesentlichen statt; nur das gegen die Zweitbeklagte gerichtete Begehren auf Zahlung von 186 EUR wies es unbekämpft ab. Es traf Feststellungen zum objektiven Wert der im Übergabevertrag und in der mit dem Erstbeklagten getroffenen Pflegevereinbarung vorgesehenen Betreuungs- und Pflegeleistungen und zu den Kosten der Heimunterbringung; weiters nahm es als erwiesen an, dass eine 24-Stunden-Pflege auf dem Hof möglich und zweckmäßig gewesen wäre. Rechtlich führte es aus, dass im Übergabevertrag aus dem Jahr 1987 Ausgedingsleistungen zu Gunsten der Kläger vereinbart worden seien, wobei die Zweitbeklagte diese Verpflichtungen im Schenkungsvertrag aus dem Jahr 1997 durch die Übernahme der Liegenschaftshälfte „mit allen Rechten und Pflichten“ auch persönlich übernommen habe. Sie hafte daher nicht nur mit der Sache. Die Beklagten seien mit ihren Leistungen schuldhaft in Verzug geraten, weil sie selbst nicht mehr zur Pflege bereit gewesen seien und Leistungen durch Dritte (24‑Stunden‑Pflege) unmöglich gemacht hätten. Damit sei der Unvergleichsfall eingetreten, wodurch die Natural- in eine Geldleistungsverpflichtung umgewandelt worden sei. Das Rentenbegehren sei angesichts des Werts der vereinbarten Betreuungs- und Pflegeleistungen und der (deutlich höheren) Kosten der Heimunterbringung berechtigt (§ 273 ZPO). Das Feststellungsbegehren bestehe zu Recht, weil eine höhere Steuerbelastung nicht ausgeschlossen werden könne. Für die frustrierten Vertragserrichtungskosten hafte nur der Erstbeklagte.

Gegen den stattgebenden Teil des Urteils richtete sich eine Berufung der Beklagten. Darin erhoben sie unter anderem eine Verfahrens- und Beweisrüge zur Feststellung, dass eine 24‑Stunden‑Pflege am Hof möglich und zweckmäßig gewesen wäre.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil im Umfang der Anfechtung auf und verwies die Rechtssache insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands für jeden Kläger 30.000 EUR übersteige, und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Das Ausgedinge sei nach Lehre und überwiegender Rechtsprechung die auf einer bäuerlichen Liegenschaft ruhende dingliche Verpflichtung zur Versorgung des früheren Eigentümers und gegebenenfalls seines Ehegatten. Es werde regelmäßig als Gegenleistung für die Übergabe der Liegenschaft vereinbart. Nach diesen Grundsätzen seien die Kläger nicht Ausgedingsberechtigte. Sie seien nicht Übergeber der Liegenschaft gewesen, und es sei ihnen nur ein dingliches Wohnrecht eingeräumt worden, während Pflege und Betreuung entgeltlich erfolgen sollten. Insofern habe es sich daher nicht um eine Gegenleistung für die Übergabe der Liegenschaft gehandelt, vielmehr sollten die behinderten Kläger weiterhin am Hof durch einen nahen Angehörigen betreut werden. Da kein Ausgedinge vorliege, sei die Klage unschlüssig. Dies sei allerdings in erster Instanz weder von den Beklagten eingewendet noch vom Gericht erörtert worden. Daher sei keine Sachentscheidung möglich, vielmehr sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Rekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 199/97m obiter ausgeführt habe, dass ein Ausgedinge auch zur Versorgung naher Angehöriger begründet werden könne. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass das im Übergabevertrag vorgesehene Recht der Kläger inhaltlich doch den Regeln des Ausgedinges folgen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurse der Kläger sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und, wenngleich in Bezug auf die Zweitbeklagte aus einem anderen Grund, berechtigt.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wurde im Übergabevertrag aus dem Jahr 1987 ein Ausgedinge zugunsten der Kläger begründet.

1.1. Zwar trifft zu, dass als Zweck des Ausgedinges im Schrifttum gelegentlich nur die Versorgung des früheren Eigentümers (und allenfalls seines Ehegatten) genannt wird ( Krejci in Rummel ³ § 1286 Rz 47; Binder/Denk in Schwimann/Kodek 4 § 1284 Rz 22; Karner in KBB 4 §§ 1284‑1286 Rz 11; Rassi in G. Kodek , Grundbuchsrecht 1.01 § 12 GBG Rz 44; Klang in Klang² II 624 f). Damit wird aber offenkundig nur auf den typischen Fall Bezug genommen, ohne dass die Begründung eines Ausgedinges für andere Personen ausdrücklich ausgeschlossen würde. Andere Autoren führen demgegenüber (ebenfalls ohne nähere Begründung, aber mit Verweis auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs) aus, dass ein Ausgedinge auch zugunsten naher Angehöriger begründet werden könne ( Hofmann in Rummel ³ § 530 Rz 5; Koch in KBB 4 § 530 Rz 4; Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 § 530 Rz 20).

1.2. Dieser Verweis auf die Rechtsprechung trifft zu. Die Möglichkeit eines Ausgedinges zugunsten naher Angehöriger wird vom Obersten Gerichtshof nicht nur nicht ausdrücklich ausgeschlossen, sondern im Gegenteil mehrfach ‑ wenngleich meist bloß obiter ‑ bejaht (10 ObS 2/93, SZ 66/60; 5 Ob 543/94; 1 Ob 70/02d mwN; zuletzt etwa 1 Ob 210/15m).

Angesichts des dem Ausgedinge zugrunde liegenden Versorgungszwecks und des Grundsatzes der Privatautonomie ist auch für den hier erkennenden Senat nicht nachvollziehbar, weshalb der Kreis der möglichen Berechtigten von vornherein auf den Übergeber und allenfalls dessen Ehegatten beschränkt sein sollte. Zwar werden im Regelfall nur diese Personen nach einer Hofübergabe ‑ soweit die staatlichen Sozialleistungen nicht ausreichen ‑ einer Versorgung durch die Übernehmer bedürfen. Gerade im Fall von behinderten Geschwistern des Übernehmers, die bisher am Hof betreut wurden, liegt aber eine Regelung im Übergabevertrag nahe, die auch deren Versorgung weiter gewährleistet. Dies wurde vom Obersten Gerichtshof in einem nahezu identischen Fall (5 Ob 543/94) ‑ in dem eine in jeder Hinsicht vergleichbare Vertragsklausel desselben Vertragsverfassers zu beurteilen war ‑ als geradezu selbstverständlich angesehen. Den Versorgungszweck der hier strittigen Regelung hat im Übrigen auch das Berufungsgericht völlig zutreffend erkannt.

1.3. Aus dem Umstand, dass die Betreuung „entgeltlich gegen Überlassung des allenfalls gewährten Hilflosenzuschusses“ erfolgen sollte, lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten (vgl 5 Ob 543/94). Denn damit wird lediglich sichergestellt, dass der Übernehmer für seine Tätigkeit die dem Betreuten insofern gewährten Sozialleistungen ‑ die regelmäßig für die Abgeltung entsprechender professioneller Leistungen nicht ausreichen ‑ erhalten soll. Das liegt jedenfalls im zulässigen Rahmen privatautonomer Gestaltung. Ein darüber hinausgehendes ‑ angemessenes ‑ Entgelt, das die Anwendung der Regeln über das Ausgedinge möglicherweise ausschlösse, ergibt sich aus dieser Vertragsklausel nicht.

1.4. Zwar wurde aufgrund des Übergabevertrags nur das Wohnrecht einverleibt, während eine Verbücherung der Pflege- und Betreuungsleistungen ‑  also des Ausgedinges ieS ‑ unterblieb. Der Erstbeklagte war daher aufgrund des Übergabevertrags nur persönlich (schuldrechtlich) zu Pflege und Betreuung verpflichtet. Dies ändert aber, wie der Oberste Gerichtshof in der bereits erwähnten Entscheidung 5 Ob 543/94 ausgesprochen hat, nichts daran, dass wegen der inhaltlichen Vergleichbarkeit der im Vertrag begründeten Versorgungsansprüche mit üblichen Ausgedingerechten die diesbezüglichen Regeln zwischen dem Erstbeklagten und den Berechtigten zumindest analog anzuwenden sind.

1.5. Die Begründung des Berufungsgerichts trägt die Aufhebung des Ersturteils daher nicht. Dies führt in Bezug auf beide Beklagten zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

2. Gegenüber der Zweitbeklagten ist die Sache spruchreif.

2.1. Zur Leistung des Ausgedinges war nach dem Übergabevertrag und der Pflegevereinbarung aus dem Jahr 2009 nur der Erstbeklagte verpflichtet. Durch den späteren Erwerb der Liegenschaftshälfte trafen die Zweitbeklagte zwar die Verpflichtungen aus dem eingetragenen Wohnrecht. Insofern sind die von der Rechtsprechung zum Ausgedinge entwickelten Grundsätze aber nicht anwendbar (8 Ob 573/86, SZ 59/165). Eine weitergehende Verpflichtung bestünde demgegenüber nur bei einem Beitritt zur ausschließlich schuldrechtlichen Pflege- und Betreuungsverpflichtung des Erstbeklagten (vgl wiederum 5 Ob 543/94, wobei die dort zudem erwähnte Möglichkeit einer Haftung aufgrund § 1409 ABGB hier mangels Übertragung der gesamten Liegenschaft nicht in Betracht kommt).

2.2. Ein solcher Beitritt ist ‑ entgegen der durch kein Vorbringen gestützten Auffassung des Erstrichters ‑ der Formulierung im Schenkungsvertrag aus dem Jahr 1997, wonach das Eigentum an der Liegenschaftshälfte „mit allen Rechten und Pflichten, wie sie der Geschenkgeber selbst besessen und benutzt hat“ auf die Zweitbeklagte übergehe, nicht zu entnehmen. Zwar ist richtig, dass eine solche Vertragsklausel unter anderem zur Bindung des Erwerbers an Benützungsregelungen (RIS-Justiz RS0013619) oder nicht verbücherte Dienstbarkeiten (4 Ob 545/95; zuletzt 4 Ob 69/15v mwN) führen kann. Dabei handelt es sich aber jeweils um Verpflichtungen, die unmittelbar mit der Nutzung der veräußerten Liegenschaft oder des veräußerten Liegenschaftsanteils zusammenhängen. Eine bloß obligatorische Pflege- und Betreuungsverpflichtung ist dem mangels unmittelbaren Bezugs zur Liegenschaft nicht gleichzuhalten. Für diese Auslegung spricht auch, dass im Schenkungsvertrag (neben Pfandrechten) nur die Wohnungsrechte der Kläger als auf der Liegenschaft haftende Lasten angeführt werden. Hätten die Parteien auch eine Übernahme darüber hinausgehender Verpflichtungen gewollt, so hätten sie zweifellos auch diese genannt.

2.3. Ein konkretes Vorbringen, dass die Zweitbeklagte auf andere Weise (ausdrücklich oder konkludent) eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung übernommen hätte, haben die Kläger nicht erstattet. Diese Annahme stünde auch im Widerspruch zu den aktenkundigen Vorgängen bei Abschluss der Betreuungsvereinbarung im Jahr 2009. Dort hatten die Sachwalter der Kläger zunächst auch eine Einbeziehung der Zweitbeklagten angestrebt. Der Pflegschaftsrichter hatte jedoch in einer Besprechung „unmissverständlich zum Ausdruck“ gebracht, dass die Zweitbeklagte zwar an das verbücherte Wohnrecht gebunden sei, die Betreuungspflicht nach dem Übergabevertrag aber nur den Erstbeklagten treffe. Daraufhin hatte die Zweitbeklagte die Unterfertigung der Pflegevereinbarung abgelehnt, weswegen die Sachwalter die Vereinbarung ‑ mit gerichtlicher Genehmigung ‑ nur mit dem Erstbeklagten schlossen. Darin zeigt sich, dass auch die Sachwalter letztlich nur von einer Pflegeverpflichtung des Erstbeklagten ausgingen.

2.4. Die Zweitbeklagte war daher nicht zur Pflege und Betreuung der Kläger verpflichtet. Damit fehlt jede Grundlage für den gegen sie erhobenen Anspruch. Da im Rekursverfahren nach § 519 ZPO das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (RIS‑Justiz RS0043939), ist dieser Umstand aufgrund der zulässigen Rekurse der Kläger wahrzunehmen. Der Aufhebungsbeschluss ist, soweit er das gegen die Zweitbeklagte erhobene Begehren betrifft, aufzuheben, und es ist in der Sache dahin zu erkennen, dass dieses Begehren abgewiesen wird. Eine unzulässige Überraschungsent-scheidung liegt darin nicht, weil sich die Zweitbeklagte schon in erster Instanz darauf berufen hatte, dass sie nur eine Sachhaftung treffe.

3. In Bezug auf den Erstbeklagten ist der Aufhebungsbeschluss ebenfalls aufzuheben. Hier ist dem Berufungsgericht allerdings die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

3.1. Im fortgesetzten Verfahren hat das Berufungsgericht von einer Ausgedingeverpflichtung des Erstbeklagten auszugehen. Der hier strittige Anspruch auf Geldablöse setzt in weiterer Folge den Nachweis eines Verschuldens des Übernehmers voraus (7 Ob 510/82, SZ 55/23; RIS-Justiz RS0022573); dessen (sonstigem) unleidlichen Verhalten ist der schuldhafte Verzug mit den Ausgedingeleistungen gleichzuhalten (RIS-Justiz RS0022412).

3.2. Ein solches Verschulden läge hier nach den Feststellungen des Erstgerichts vor, weil der aus dem Übergabevertrag verpflichtete Erstbeklagte die Durchführung einer im konkreten Fall möglichen und zweckmäßigen 24‑Stunden‑Pflege durch die Weigerung, das Wohnhaus entsprechend zu adaptieren, unmöglich gemacht hat. Auf eine allenfalls fehlende Zustimmung der insofern nicht verpflichteten Zweitbeklagten könnte er sich nicht berufen, weil er dieses Hindernis durch die Schenkung der Liegenschaftshälfte ohne Überbindung auch der Pflegeverpflichtung selbst herbeigeführt hätte. Darin läge ebenfalls ein Verschulden am nun eingetretenen Verzug mit der Leistung.

3.3. Die Feststellung zur Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer 24-Stunden-Pflege haben die Beklagten aber mit Verfahrens- und Beweisrüge bekämpft. Mit ersterer rügten sie die Nichteinholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Ausmaß der geistigen Behinderung der Kläger. Sollten sie damit durchdringen und nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens festgestellt werden, dass eine weitere Betreuung am Hof nicht möglich und zweckmäßig gewesen wäre, begründete die fehlende Zustimmung des Erstbeklagten kein Verschulden. Gleiches würde gelten, wenn die Beweisrüge Erfolg hätte und das Berufungsgericht die gewünschte Ersatzfeststellung träfe, wonach nicht festgestellt werden könne, dass eine Drittpflege am Hof durchführbar gewesen wäre. Denn bei Unsicherheit, ob die Drittpflege überhaupt erfolgreich durchgeführt werden könnte, wären dem Erstbeklagten die notwendigen Umbaumaßnahmen, deren Kosten ihn nach dem Vorschlag der Sachwalter bei einem Scheitern getroffen hätten, nicht zumutbar gewesen. Darauf, dass der Erstbeklagte ohne Unterstützung der (dazu nicht verpflichteten) Zweitbeklagten persönlich in der Lage gewesen wäre, die Kläger zu betreuen, sodass schon die diesbezügliche Weigerung ein Verschulden begründete, haben sich die Kläger nicht berufen.

3.4. Übernimmt das Berufungsgericht demgegenüber die bekämpfte Feststellung, wonach eine Pflege am Hof möglich und zweckmäßig gewesen wäre, ist aus dem Verschulden des Erstbeklagten der Unvergleichsfall eingetreten. In diesem Fall hätte sich das Berufungsgericht mit dem Berufungsvorbringen zur Höhe der zugesprochenen Versorgungsrente zu befassen.

4. Die Kostenentscheidung im Verhältnis zwischen den Klägern und der Zweitbeklagten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, jene im Verhältnis zwischen den Klägern und dem Erstbeklagten auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.

Da beide Beklagten vom selben Anwalt vertreten waren, ist anzunehmen, dass sie die von ihnen verzeichneten Kosten zur Hälfte tragen. Der Zweitbeklagten war daher die Hälfte dieser Kosten zuzusprechen.

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