Spruch:
Der Ausgedingsberechtigte hat Anspruch auf Geldersatz der Ausgedingsleistungen, wenn der Verpflichtete mit den Naturalleistungen schuldhaft in Verzug gerät
OGH 18. Feber 1982, 7 Ob 510/82 (LG Klagenfurt 1 R 124/81; BG Wolfsberg C 935/79 )
Text
Die Klägerin, die Mutter der Beklagten, hat dieser mit Übergabsvertrag vom 4. 12. 1973 die Hälfte ihrer Liegenschaft EZ 4 KG Sch übergeben und hiebei als Ausgedingsleistungen die freie Wohnung auf dem übergebenen Besitz, die Beistellung der Kost, die Wartung und Pflege, die ärztliche Behandlung und ein wertgesichertes Handgeld von 500 S monatlich zugesagt erhalten. Vereinbart wurde, daß zum standesgemäßen Unterhalt insbesondere die Dienstbarkeit der Wohnung in einem Zimmer des auf der übergebenen Liegenschaft befindlichen Hauses, die Beistellung der dem jeweiligen Gesundheitszustand der Übergeberin (Klägerin) entsprechenden Kost am gemeinsamen Tisch mit der Übernehmerin, über begrundetes Verlangen auch auf das Auszugszimmer gestellt, der freie Zugang zur Küche und bestimmten Nebenräumlichkeiten, die liebevolle Pflege in gesunden und kranken Tagen sowie die Übernahme von Heilbehandlungskosten, soweit nicht die Krankenkasse hiefür aufkommt, gehören. Außerdem wurde vereinbart, daß der Auszug an die Übergeberin grundsätzlich auf der Übergabsliegenschaft zu reichen ist und daß dann, wenn die Übergeberin von der Besitzerin oder einem ihrer Hausgenossen so schlecht behandelt werden sollte, daß ihr ein weiterer Verbleib auf der Vertragsliegenschaft nicht mehr zugemutet werden kann, es ihr freisteht, vom Hof wegzuziehen. In diesem Fall ist die Übernehmerin verpflichtet, den ganzen Auszug durch eine monatlich im vorhinein zahlbare Geldrente abzulösen. Die Höhe dieser Rente ist so zu bemessen, daß sich die Übergeberin damit den gleichen Unterhalt beschaffen kann, wie er ihr am Hof zusteht, wobei das Handgeld gesondert zu leisten ist.
Mit der Behauptung des Eintrittes des sogenannten "Unvergleichsfalles" begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 4 000 S monatlich ab 1. 9. 1979 für die nunmehr entfallenden Leistungen.
Die Beklagte wendete ein, der Unvergleichsfall liege nicht vor. Die geforderte Ersatzleistung sei überdies überhöht.
Die Untergerichte sprachen der Klägerin unter Abweisung des Mehrbegehrens eine monatliche Geldersatzleistung von 3750 S zu. Das Erstgericht ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Nachdem die Beklagte im Mai 1974 die Ehe geschlossen hatte, zog sie im Mai 1975 von der Übergabsliegenschaft zu ihrem Ehegatten nach P. Bis dahin hatte sie die Ausgedingsleistungen ordnungsgemäß erbracht. Als die Beklagte wegzog, fragte ihr Ehegatte die Klägerin, ob sie nicht auf seinen Besitz ziehen wolle, doch war die Klägerin dazu nicht bereit. Sie blieb mit ihrer zweiten Tochter Margarethe St. und deren Ehegatten auf der Übergabsliegenschaft, bei deren Bewirtschaftung sie mitarbeitete. Sie wurde auch von Margarethe St. im Krankheitsfall gepflegt. Im Jahre 1978 kam es zwischen Margarethe St. und der Beklagten zu einem Zerwürfnis und in weiterer Folge auch zwischen den Streitteilen. Ein Grund hiefür war, daß Margarethe St. die Klägerin nach dem Muttertag 1979 zu einem mehrtägigen Ausflug zum Großglockner einlud. Weil die Beklagte während der Zeit der Abwesenheit der Klägerin nun die Arbeit auf der Übergabsliegenschaft selbst verrichten mußte, machte sie der Klägerin Vorwürfe. Ein weiterer Grund für die Streitigkeiten war eine von Margarethe St. gestellte, von der Beklagten aber abgelehnte Forderung auf Abtretung eines Grundstückes. Die Klägerin war am Verbleib der Margarethe St. auf der Übergabsliegenschaft interessiert, weil sie eine Pflegeperson benötigte. Margarethe St. zog jedoch Ende des Jahres 1978 wegen der Auseinandersetzungen mit der Beklagten von der Übergabsliegenschaft weg. Die Klägerin ist wegen einer Herzkrankheit nicht in der Lage, allein zu wohnen. Den Vorschlag der Beklagten, ein Pensionistenehepaar zu sich zu nehmen, lehnte sie aber ab, weil sie nicht mit fremden Leuten zusammenwohnen wollte.
Nach der Übergabe der Liegenschaft verblieben die vorhandenen Hühner im Eigentum der Klägerin. Unerwartet für die Klägerin erklärte die Beklagte jedoch später, daß die Hühner verschwinden müssen. Als die Klägerin hierauf die Tiere bei einem Nachbarn untergebracht hatte, beschuldigte sie die Beklagte am nächsten Tag des Diebstahls und verlangte das Zurückbringen der Hühner. Die Klägerin brachte hierauf die Hühner wieder auf die Liegenschaft.
Die Beklagte sperrte ein Bankkonto, über das auch die Klägerin verfügungsberechtigt war und von dem sie ihr Wirtschaftsgeld abheben konnte. Aus diesem Grund stellte die Klägerin ihre Arbeit auf der Liegenschaft ein. Wenn die Beklagte später auf die Liegenschaft kam, schrie sie mit der Klägerin, bezeichnete diese als faul und erklärte, wenn die Klägerin stürbe, würde sie auf deren Grab die Notdurft verrichten. Sie grüßte die Klägerin nicht mehr, versorgte bei ihrem Besuch auf der Liegenschaft nur mehr das Vieh und "schlug" mit den Türen. Eine Uhr und ein Radio, die die Beklagte der Klägerin geschenkt hatte, forderte die Beklagte zurück. Zwar brachten die Beklagte und deren Ehegatte einzelne Naturalien zur Klägerin, doch mußte diese die meisten Lebensmittel aus eigenem anschaffen.
Den Wert der im Übergabsvertrag vorgesehenen Auszugsleistungen stellten die Untergerichte mit 3500 S bis 4000 S monatlich fest.
Rechtlich vertraten beide Untergerichte den Standpunkt, die Beklagte habe durch ihr Verhalten (das Berufungsgericht ging hiebei nur von der Sperre des Kontos durch die Beklagte und der Nichterbringung der vereinbarten Ausgedingsleistungen aus) einen weiteren Kontakt mit der Klägerin unzumutbar gemacht. Dies berechtigte die Klägerin zur Forderung einer Geldrente, die gemäß § 273 ZPO unter Zugrundelegung des festgestellten Wertes der im Übergabsvertrag festgesetzten Leistungen mit 3 750 S zu bestimmen sei. Die Beklagte könne nicht verlangen, daß die Klägerin zu ihr ziehen müsse, um die Übergabsleistungen in natura zu empfangen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Da das Berufungsgericht zu den Feststellungen des Erstgerichtes über das unleidliche Verhalten der Beklagten trotz einer entsprechenden Beweisrüge in der Berufung nicht Stellung genommen hat, kann lediglich von der nicht bestrittenen Nichterbringung der vereinbarten Ausgedingsleistungen und der Sperre des Kontos durch die Beklagte ausgegangen werden. Ein mangelndes Verschulden der Beklagten an der Nichterbringung der vereinbarten Leistungen hat diese ebensowenig bewiesen (§ 1298 ABGB) wie eine Abänderung des Vertrages dahin, daß die Klägerin zu ihr ziehen müsse oder daß sie als Gegenleistung für die vertraglich vereinbarten Leistungen Vieh zu betreuen habe. Es war daher vorerst nur zu prüfen, ob die festgestellte Verletzung der Bestimmungen des Ausgedingsvertrages durch die Beklagte bereits das Begehren der Klägerin auf Zahlung einer Geldrente, zu deren Höhe die Revision nicht mehr Stellung nimmt, rechtfertigt. Ist dies der Fall, dann kommt den übrigen Rügen der Revision keine Bedeutung zu. Vielmehr erweist sich in diesem Fall die Entscheidung des Berufungsgerichtes als richtig.
Das Ausgedinge ist die auf einem Bauernhof ruhende dingliche Verpflichtung zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen zum Zwecke des Unterhaltes des früheren Eigentümers (Klang[2] II 624 f.; Ehrenzweig[2] II/1, 567 f.; EvBl. 1965/214 ua.). Demnach sind Ansprüche aus Ausgedingsverträgen als Unterhaltsansprüche iS des § 406 ZPO anzusehen (JBl. 1978, 214; SZ 24/225 ua.), zumal als "Alimente" alle für die täglichen Lebensbedürfnisse benötigten Leistungen verstanden werden (Bydlinski in Klang[2] IV/2, 209). Zum Wesen des Unterhaltes gehört es aber, daß er die laufenden Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten zu decken hat. Dieser Zweck kann durch die nachträgliche Erbringung von Naturalleistungen nicht erreicht werden. Vielmehr kann der Unterhaltsberechtigte im Verzugsfall seine Bedürfnisse nur dadurch angemessen decken, daß er sie selbst befriedigt, in welchem Fall ihm gegen den Verpflichteten nur mehr ein Geldersatzanspruch bleibt. Ein Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit kann daher kein Anspruch auf eine Naturalleistung sein. Da aber im Prozeß stets auf den Schluß der Verhandlung erster Instanz abzustellen ist, würde eine bloß auf die Vergangenheit abgestellte Umwandlung des Natural- in einen Geldanspruch für den Berechtigten ebenfalls zu keinem brauchbaren Ergebnis führen, weil auch bis zur Vollstreckbarkeit eines Exekutionstitels neuerlich Ansprüche für die Vergangenheit entstunden, die aber im nachhinein durch Naturalleistungen nicht dem Zweck des Unterhaltsanspruches entsprechend erfüllt werden könnten. Selbst für noch verbleibende zukünftige Ansprüche würde aber auch § 406 Abs. 2 ZPO dem Berechtigten keinen brauchbaren Exekutionstitel verschaffen, weil Naturalansprüche für die Zukunft nicht vollstreckbar sind (JBl. 1978, 214). Weil also ein zwangsweise durchsetzbarer Anspruch auf Leistung des Naturalunterhaltes auf eine Art, die seinen Zweck auch wirklich erfüllen kann, nicht denkbar ist, wurde daher der Rechtssatz entwickelt, daß sich ein Anspruch auf Naturalunterhalt in einen Anspruch auf Unterhaltsgewährung in Geld verwandelt, wenn der Unterhaltspflichtige seine Unterhaltspflicht verletzt (Wentzel in Klang[2] I/1, 376 f.; EFSlg. 32 726 ua.). Da das Ausgedinge den Unterhalt des Übergebers decken soll, erscheint es daher geboten, im Falle eines Verzuges mit den vereinbarten Naturalleistungen dieselben Grundsätze anzuwenden wie im Falle eines Verzuges mit Unterhaltsleistungen. Es verwandelt sich daher, ein entsprechendes Begehren des Unterhaltsberechtigten vorausgesetzt, der Anspruch auf die im Vertrag vereinbarten Naturalleistungen im Falle des Schuldnerverzuges in einen solchen auf Geld, weil die Naturalien den Lebensunterhalt des Übergebers decken sollen und er deshalb befugt sein muß, die erforderlichen Lebensmittel selbst anzuschaffen (Klang[2] II 631 f.; Ehrenzweig[2] II/1, 572). Unbeschadet der Frage, ob die Nichterbringung wesentlicher Teile der vereinbarten Naturalleistungen nicht ohnedies bezüglich ihrer Folgen dem sogenannten Unvergleichsfall gleichgehalten werden müssen, weil eine derartige Vertragsverletzung den Übergeber gleich schwer treffen kann wie ein sonstiges unleidliches Verhalten des Übernehmers, das ja seinem Wesen nach ebenfalls eine Verletzung des Ausgedingsvertrages ist, muß man daher dem Übergeber einen Anspruch auf Geldersatz anstelle der Erbringung der Ausgedingsleistungen, abgesehen vom sogenannten Unvergleichsfall, auch dann zugestehen, wenn der Verpflichtete mit den Naturalleistungen schuldhaft in Verzug gerät (SZ 27/212; 1 Ob 591/81). Unter Berücksichtigung der Besonderheit des Ausgedingsvertrages haben hier allerdings auch die für den sogenannten Unvergleichsfall gemachten Einschränkungen sinngemäß zu gelten. Die Umwandlung in eine Geldrente wird auch im sogenannten Unvergleichsfall nur durch Vertragsverletzung bewirkt, die jenes Maß übersteigen, das auch sonst in einem Familienverband auftreten kann (vgl. SZ 47/54 ua.). Demnach wird nicht schon jede unbedeutende Verzögerung mit einzelnen Naturalleistungen den Anspruch auf eine Geldrente rechtfertigen. Vielmehr wird man diese schwerwiegende Maßnahme nur im Falle eines ins Gewicht fallenden Verzuges, der geeignet ist, die Interessen des Übergebers erheblich zu schädigen, ins Auge fassen können.
Im vorliegenden Fall steht die Nichterbringung erheblicher Teile der vereinbarten Naturalleistungen durch längere Zeit fest. Die Beklagte beharrt nach wie vor auf dem Standpunkt, daß sie zu den vereinbarten Leistungen selbst in der durch ihren Wegzug bewirkten veränderten Form nicht mehr verpflichtet sei. Sie beruft sich hiebei auf ein Schreiben des Vertreters der Klägerin, in dem der Wegzug der Klägerin angedroht wurde. Daß ein solcher Wegzug tatsächlich Ende Mai 1979 erfolgt wäre, hat die Beklagte nicht einmal behauptet. Abgesehen davon, daß also weder nach den Behauptungen der Beklagten noch nach den getroffenen Feststellungen die Nichterbringung der vereinbarten Ausgedingsleistungen bis zum Wegzug der Klägerin lediglich durch zirka zwei Wochen erfolgt wäre, müßte im Hinblick auf den Zweck des Ausgedinges, nämlich die Sicherung des Lebensunterhaltes, auch in einer Verweigerung der Verpflegung und der Sperre jenes Kontos, mit dessen Hilfe der Übergeber allfällige Bedürfnisse befriedigen könnte, nur während zweier Wochen in der Regel eine erhebliche Vertragsverletzung erblickt werden. Besondere Umstände, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung zulassen könnten, hat die Beklagte nicht bewiesen.
Es ergibt sich sohin, daß schon der nichtbestrittene Sachverhalt das Begehren der Klägerin rechtfertigt. Da die Revision zu der Höhe nicht mehr Stellung nimmt, kann diesbezüglich auf die Ausführungen der Untergerichte verwiesen werden.
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