OGH 1Ob595/54

OGH1Ob595/541.9.1954

SZ 27/212

Normen

ABGB §530
ABGB §919
ABGB §1284
ABGB §530
ABGB §919
ABGB §1284

 

Spruch:

§ 919 zweiter Satz ABGB. auf nicht rechtzeitiges Erbringen von Ausgedingsleistungen anwendbar.

Entscheidung vom 1. September 1954, 1 Ob 595/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Horn; II. Instanz: Kreisgericht Krems.

Text

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung von 17.980.20 S samt Nebengebühren und wies das Mehrbegehren von 297 S samt Nebengebühren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Parteien haben den schriftlichen, in den Akten erliegenden Pachtvertrag vom 1. Juli 1946 geschlossen. Die Beklagten schulden auf Grund dieses Pachtvertrages den Klägern an Naturalleistungen jedesmal zu Martini im vorhinein 300 kg schönen Weizen, 300 kg schönes Korn, 500 kg Speisekartoffeln und 3 Raummeter weiches, trockenes Scheiterholz, jedesmal zu Weihnachten im vorhinein ein Schwein im abgestochenen, geputzten und ausgeweideten Zustand sowie abgezogen im Mindestgewicht von 70 kg, weiters 15 kg frisches, reines Schweineschmalz, sowie täglich zwei frische Hühnereier und zwei Liter frischgemolkene Kuhmilch. Die Beklagten sind für das Jahr 1950 alle Leistungen mit Ausnahme des Schweines, der Hühnereier und der Milch und für die folgenden Jahre 1951 bis 1954 sämtliche auf Grund des Pachtvertrages geschuldeten Naturalien schuldig geblieben. Die Geldbewertung der Naturalleistungen durch die Kläger ist rechnungsmäßig richtig. Nur für das Jahr 1954 sind 100 Hühnereier und 100 Liter Milch zu viel eingesetzt.

Da die Naturalleistungen den Beklagten zum Lebensunterhalt dienen sollten und somit diese an einer verspäteten Leistung kein Interesse mehr haben, sei § 919 ABGB. anzuwenden; die Kläger seien daher ohneweiters berechtigt, an Stelle der Naturalien die entsprechenden Preise dafür als Schadenersatz zu verlangen.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung vom 4. März 1953, 3 Ob 103/53, ausgesprochen, daß bei nicht rechtzeitig erfüllten Ausgedingsleistungen § 919 zweiter Satz ABGB. anzuwenden sei, weil Ausgedingsleistungen nicht thesauriert werden können. Der Ausgedingsberechtigte müsse, um leben zu können, sich die nicht rechtzeitig erbrachten Naturalgiebigkeiten beschaffen und sie in einer Geldwirtschaft dann eben bezahlen. Bei einer solchen Sach- und Rechtslage müsse, wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung GlUNF. 7148 unter Heranziehung des § 1444 ABGB. ausgesprochen habe, dem Ausgedingsberechtigten die Befugnis zugestanden werden, sich mit dem Ersatz des Vertragsinteresses zu begnügen. Erforderlich sei nur, daß die fälligen Ausgedingsleistungen nicht rechtzeitig erfüllt worden seien.

Im vorliegenden Fall sind, wie der schriftlich vorliegende Pachtvertrag ergibt, die Leistungen der Pächter ganz nach der Art der Leistungen der Übernehmer bei einem Ausgedingsvertrag gestaltet. Als Pachtzins sind die Gewährung der Wohnung, in Krankheitsfällen die sofortige Herbeiholung des Arztes und die Verabfolgung der oben bereits aufgezählten Naturalien zu den dort angegebenen Zeitpunkten, insbesondere Milch und Eier täglich, vereinbart. Auch bei diesen Leistungen der Pächter besteht nach der Art des Vertrages kein Zweifel, daß sie dem Unterhalt der Verpächter dienen sollen, so daß alle Erwägungen des Obersten Gerichtshofes hinsichtlich der Ausgedingsleistungen hier sinngemäß zu gelten haben. Der Unterhaltszweck der Leistungen wird im übrigen auch von den Untergerichten angenommen und von der Beklagten, insbesondere auch in der Revision, überhaupt nicht in Zweifel gezogen.

Die Kläger begehren daher mit Recht, u. zw. im Gründe des § 919 zweiter Satz ABGB., statt Naturalleistung Geldleistung. Wenn die Revision dann noch meint, daß diese Vorschrift auf den Bestandvertrag nicht anzuwenden sei, weil für diesen eine Sonderregelung bestehe, so vermag sie in keiner Weise darzulegen, worin diese Sonderregelung bestehen soll. Für die Leistung des Bestandzinses gilt denn auch in einem Falle wie dem vorliegenden nichts von der allgemeinen Regel der §§ 919 f. ABGB. Abweichendes.

Der unbegrundeten Revision war daher nicht Folge zu geben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte