OGH 1Ob192/15i

OGH1Ob192/15i24.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** N*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Beatrix Wollner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A***** K***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Gartner und Mag. Daniel Karandi, Rechtsanwälte in Wien, wegen 74.569,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. August 2015, GZ 34 R 39/15b‑36, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. März 2014, GZ 54 Cg 41/13b‑20, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00192.15I.1124.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts nach einer Beweiswiederholung ab und gab dem auf Schadenersatz gerichteten Begehren der Klägerin statt. Dabei sah es eine Pflichtverletzung der Beklagten als Immobilienmaklerin gegeben, weil deren Geschäftsführer die zu vermittelnde Liegenschaft selbst zu einem Quadratmeterpreis von weniger als 400 EUR erworben und noch vor Abschluss des Vertrags mit ihrem Auftraggeber (und Rechtsvorgänger der Klägerin) um 470 EUR/m 2 angepriesen und letztlich auf dieser Basis unmittelbar anschließend weiterveräußert habe. Durch dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten sei dem Rechtsvorgänger der Klägerin ein Schaden in der Höhe des entgangenen Mehrerlöses abzüglich des mit der Beklagten vereinbarten Provisionsanspruchs zuzüglich USt entstanden.

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 3 Abs 1 MaklerG hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren. Nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle sind Makler und Auftraggeber verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Gemäß § 30b Abs 2 KSchG zählen zu den erforderlichen Nachrichten, die der Immobilienmakler dem Auftraggeber nach § 3 Abs 3 MaklerG zu geben hat, sämtliche Umstände, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind. Nach der Regierungsvorlage (BlgNR 20. GP 39 f) spricht diese Bestimmung die Fachkenntnisse des Immobilienmaklers an, der „seine Marktkenntnisse und sein Hintergrundwissen beratend einzubringen hat“. Aus § 3 Abs 3 MaklerG folgt damit eine umfassende Beratungspflicht des Maklers, die nicht nur im Verbrauchergeschäft besteht; § 30b Abs 2 KSchG konkretisiert diese Pflicht bloß näher (4 Ob 8/02h; 4 Ob 186/10x = immolex 2011/52, 155 [zust Prader ] = wobl 2011/102, 237 [ Kothbauer ]).

2. Der Immobilienmakler ist Sachverständiger im Sinn des § 1299 ABGB, weshalb von ihm erwartet werden kann, über einschlägige Probleme Bescheid zu wissen und richtige Auskünfte zu erteilen (1 Ob 209/02w ua; RIS‑Justiz RS0109996 [T7]). Er hat den Auftraggeber jedenfalls über sämtliche Umstände zu unterrichten, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind (RIS‑Justiz RS0109996 [T8]). Die Verletzung von Aufklärungspflichten macht den Immobilienmakler gegenüber seinem Auftraggeber nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB ex contractu schadenersatzpflichtig; § 3 Abs 4 erster Satz MaklerG verweist insoweit auf allgemeines Schadenersatzrecht (RIS‑Justiz RS0116638). Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0109996 [T9]).

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag die Beklagte in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Als Immobilienmaklerin wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, ihre Marktkenntnisse und ihr Hintergrundwissen im Sinne einer richtigen und vollständigen Beratung einzubringen. Hier macht bereits der Umstand deutlich, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Liegenschaft zu einem deutlich höheren Kaufpreis, als er selber geboten hatte, zum Weiterverkauf angeboten hat, noch bevor überhaupt der Kaufvertrag mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin zustande gekommen war, dass für die Beklagte nicht die Verfolgung der Interessen ihres Auftraggebers, sondern jener ihres Geschäftsführers im Vordergrund stand, zumal von dem durch diesen zu entrichtenden Kaufpreis entgegen § 6 Abs 4 MaklerG auch noch die mit der Beklagten vereinbarte Provision in Abzug gebracht wurde. Bei dieser Vorgangsweise ist jedenfalls evident, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der ihr erkennbaren Interessen ihres Auftraggebers, nämlich einen möglichst günstigen Kaufpreises zu erzielen (arg: Wunsch von zumindest 400 EUR/m²), keine ihren Marktkenntnissen und Hintergrundwissen entsprechende vollständige Beratung zukommen hat lassen. Die Verfolgung von Eigeninteressen des Geschäftsführers der Beklagten wiegt umso schwerer, als die Beklagte aufgrund des von ihr übernommenen Alleinvermittlungsauftrags einer besonderen Treuepflicht unterlag (vgl 4 Ob 557/89 = RIS‑Justiz RS0062783 [T1]).

4. Der Schädiger hat den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten stünde. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln. Das zu leistende Interesse liegt in der Differenz zwischen der Vermögenslage des Geschädigten, wie sie sich im Beurteilungszeitpunkt ohne schädigendes Ereignis darstellen würde, und dem nach dem schädigenden Ereignis nun tatsächlich vorhandenen Vermögensstand (RIS‑Justiz RS0030153). Das vom Geschäftsführer der Beklagten gestellte Anbot zum Wiederverkauf der Liegenschaft wurde bereits am Tag nach Zustandekommen des Vertrags mit dem Auftraggeber der Beklagten von einem Bauträger angenommen. Damit erweist sich die vom Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung vertretene Auffassung, bei Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten hätte der Rechtsvorgänger der Klägerin die Liegenschaft um den letztlich vom Geschäftsführer der Beklagten erlösten Betrag veräußern können, als lebensnah und bedarf ebenso wenig einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof, wie die daraus abgeleitete Schadenshöhe.

5. Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS‑Justiz RS0037797).

Daher

obliegt nach den allgemeinen Beweislastregeln dem Beklagten die

Behauptung und der Beweis anspruchsvernichtender Umstände (

RIS‑Justiz RS0037694; zB der

Identität von Bruttoforderung und Nettoforderung: RS0109287). Soweit die Beklagte dennoch meint, der Schaden der Klägerin wäre um die Differenz zwischen der realen und der hypothetischen Immobilienertragssteuer (§ 30b Abs 1 EStG 1988 [Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen]) zu mindern, wäre es daher an ihr gelegen gewesen, im Verfahren erster Instanz entsprechende Behauptungen aufzustellen. Auf ihren erstmals im Revisionsverfahren erhobenen Einwand ist daher als unzulässige Neuerung

(§§ 482, 504 ZPO) nicht einzugehen (vgl 1 Ob 63/15v).

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte