European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00168.15G.1117.000
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung über den Sicherungsantrag insgesamt zu lauten hat:
„Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei ab sofort bis zur Rechtskraft des beantragten Urteils untersagt, im geschäftlichen Verkehr bei Herausgabe, Verlag, Bewerbung und/oder Vertrieb des periodischen Druckwerks 'Heute', Werte aus der österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) für 'Heute' anzuführen, die in der ÖAK nicht abgebildet sind, insbesondere zu behaupten, 'Heute' verfüge nach der ÖAK über eine e-paper-Auflage, und/oder das periodische Druckwerk 'Heute' in der Kategorie e-paper-Auflage mit anderen Druckwerken zu vergleichen.
Hingegen wird das Mehrbegehren abgewiesen, der beklagten Partei auch zu verbieten, es im geschäftlichen Verkehr bei Herausgabe, Verlag, Bewerbung und/oder Vertrieb des periodischen Druckwerks 'Heute' zu unterlassen, Vergleiche mit anderen periodischen Druckwerken, insbesondere Darstellungen oder Behauptungen einer positiven Veränderung der Druckauflage im Vergleich zu diesen, unter Bezugnahme auf Erhebungskategorien der ÖAK vorzunehmen, wenn diese Druckwerke in anderen Erhebungskategorien, insbesondere der Kategorie 'Tageszeitung-Kauf' gewertet werden, und die beklagte Partei nicht in gleich auffälliger Weise darauf hinweist.“
Die klagende Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zur Hälfte vorläufig und zur Hälfte endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen den mit 3.673,77 EUR (darin 413,67 EUR USt und 1.191,75 EUR Barauslagen) bestimmten Anteil ihrer Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.
Begründung:
Die klagende Partei ist Medieninhaberin der Tageszeitung „Österreich“, die zum Teil ‑ insbesondere in Ballungszentren ‑ als Gratiszeitung vertrieben wird. Die Beklagte ist Medieninhaberin der ausschließlich gratis vertriebenen Tageszeitung „Heute“. Die Streitteile stehen in einem Wettbewerbsverhältnis. Beide Streitteile gehören der Österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) an.
Die ÖAK wies für das zweite Halbjahr 2014 ‑ gesondert nach „Tageszeitungen-Kauf“ und „Tageszeitungen-Gratis“ ‑ in sogenannten Auflagekategorien auch die Druckauflage der von der ÖAK umfassten Zeitungen aus. Die entsprechenden Zahlen für „Heute“ fanden sich bei den „Tageszeitungen-Gratis“.
Neben den klassischen Vertriebswegen wies die ÖAK auch Zahlen für sogenannte „ePaper“ aus. Nach der Definition der ÖAK wird unter einem „ePaper“ die „digitale Ausgabe eines Printmediums“ verstanden, die elektronisch verbreitet und an einem Bildschirm dargestellt wird. Die Erscheinungsweise des „ePaper“ muss derjenigen des Printtitels entsprechen und eine geschlossene Einheit bilden. In den Auflagekategorien werden nur bezahlte Digitalausgaben, die die Erlösgrenzen laut Richtlinien „ePaper“ erfüllen, gezählt.
Nur außerhalb der Auflagenkategorien werden auch sogenannte „ePaper Unique Clients“ in einer gesonderten Kategorie („ePaper Unique Clients“) ausgewiesen. Unter einem „Unique Client“ wird das mobile Endgerät oder der Browser verstanden, mit dem der technische Zugriff auf „ePaper“ erfolgt. Die Zählung von „ePaper Unique Clients“ erfolgt nach sogenannten „PageImpressions“ (= Aufruf der Website durch den Nutzer).
Die elektronischen Produkte der beklagten Partei werden somit bei den Auflagenkategorien „Verkaufte Auflage“ und „Verbreitete Auflage“ nicht erfasst bzw weisen dort eine Nullmeldung auf. Nur in der gesonderten Kategorie „ePaper Unique Clients“ (also außerhalb der Auflagenkategorien) ist die (methodisch anders erhobene) Zahl für „Heute“ ausgewiesen.
Im Zentrum des Verfahrens steht folgende Eigenwerbung der beklagten Partei:
Zur Sicherung ihrer inhaltsgleichen Unterlassungsbegehren stellte die klagende Partei die aus dem Spruch ersichtlichen Begehren. Die beanstandete Eigenwerbung sei deshalb irreführend, weil die beklagte Partei über keine Ausgabe verfüge, die die „ePaper“-Kriterien der ÖAK erfülle. Ihre Übersicht „E-Paper-Auflage“ vermische ohne ausreichende Aufklärung Zahlen aus zwei völlig unterschiedlichen Kategorien und verberge damit den wesentlichen Umstand, von der „ePaper“-Kategorie der ÖAK gar nicht erfasst zu sein und in Wahrheit über gar kein zu bezahlendes Digitalprodukt zu verfügen. Bei der Druckauflage würden Vergleichszahlen aus unterschiedlichen Kategorien vermischt. Die Behauptung der beklagten Partei, ihre Druckschrift sei der „Gewinner“ der ÖAK Erhebung 2/2014 und damit alle anderen Tageszeitungen Verlierer, sei unwahr, soweit die Druckauflage von „Heute“ in der Kategorie „Tageszeitung-Gratis“ mit der Druckauflage anderer periodischer Druckwerke der Kategorie „Tageszeitung-Kauf“ verglichen werde. Auch damit schaffe sie willkürlich der ÖAK unbekannte Auflagenkategorien, die zu einem verzerrenden Bild über die Stellung ihres Mediums am Zeitungsmarkt führten. Die in kleiner, unauffälliger Schrift gehaltenen aufklärenden Hinweise könnten an der Unlauterkeit der Täuschungen der Beklagten nach §§ 1, 2 und 2a UWG nichts ändern.
Die beklagte Partei wandte im Wesentlichen ein, dass es für ein „ePaper“ nach dem Verständnis der ÖAK nicht kennzeichnend sei, ob Ausgaben bezahlt würden. Es komme nur auf die elektronische Verbreitung der digitalen Ausgabe eines Printmediums an. Die Bezahlung und Erfüllung von Erlösgrenzen sei nur für diejenigen Auflagenkategorien der ÖAK bedeutsam, in welchen die Summe aus der Anzahl der gedruckten Exemplare und jener der „ePaper“-Exemplare angegeben werde. Der in der ÖAK für die verbreitete Auflage angegebene Wert könne daher Exemplare beinhalten, die per „ePaper“ vertrieben würden. Umgekehrt müssten aber nicht alle als „ePaper“ vertriebenen Exemplare einer Zeitung Teil der verbreiteten Auflage sein. Die unentgeltlich vertriebenen „ePaper“-Exemplare seien demnach nicht in der für die Kategorie „verbreitete Auflage“ angegebenen Zahl enthalten, sondern in der Kategorie „ePaper Unique Clients“. Ein Vergleich von Kauf- und Gratiszeitungen sei nach der Rechtsprechung zulässig, demnach auch der beanstandete Vergleich der Druckauflagen der Kategorien „Tageszeitung‑Gratis“ und „Tageszeitung‑Kauf“.
Die Vorinstanzen erließen die beantragte einstweilige Verfügung und erachteten die Werbung als irreführend iSd § 2 UWG. Nach der im Wesentlichen übereinstimmenden Rechtsansicht von Erst- und Rekursgericht vermenge die beklagte Partei ohne zureichende Aufklärung Zahlen aus unterschiedlichen Kategorien der ÖAK und täusche daher über ihre nicht vorhandene „ePaper“‑Auflage ebenso wie über eine so nicht bestehende positive Veränderung ihrer Druckauflage. Die willkürliche Schaffung von Auflagenkategorien führe im Vergleich zu den Ergebnissen der ÖAK zu einem verzerrten Bild über die Stellung des Mediums am österreichischen Zeitungsmarkt und sei irreführend.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil es sich an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientiert habe.
Rechtliche Beurteilung
Wegen der Abweichung der Vorinstanzen von der zur Werbung mit der Druckauflage ergangenen Vorjudikatur des Obersten Gerichtshofs ist der Revisionsrekurs der beklagten Partei zulässig. Er ist auch teilweise berechtigt.
1.1 Die Entscheidung der Vorinstanzen über die die „E-Paper-Auflage“ betreffende Werbeaussage ist nicht zu beanstanden. Es kann daher auf dessen Begründung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).
1.2 Die Vorinstanzen haben hier die Irreführung zutreffend darauf gestützt, dass die Vergleichbarkeit der angeführten Zahlen fehle. Dem ist vor allem deshalb zuzustimmen, weil die ÖAK den Begriff des „ePaper“ deutlich definiert und dabei auch auf Erscheinungsweise und Erlösgrenze abstellt, wovon die Kategorie „ePaper Unique Clients“, die außerhalb der Auflagenkategorien und mit einer anderen Methode gezählt wird, klar zu unterscheiden ist. Durch die Bewerbung der Zeitung der beklagten Partei in einer Kategorie „E-Paper-Auflage“ mit eindeutigem Bezug zur ÖAK täuscht die beklagte Partei eine in Wahrheit nicht vorhandene gemeinsame ÖAK-Kategorie bezüglich der verschiedenen (und unterschiedlich erfassten) Produkte „ePaper“ und „ePaper Unique Clients“ vor. Der im Kleindruck gehaltene erklärende Hinweis auf die ÖAK-Kategorien ist nicht gleich auffällig wie die Werbeeinschaltung und vermag hier die Täuschung nicht zu verhindern.
1.3 Die Vorinstanzen sind auch zutreffend davon ausgegangen, dass die unrichtige Werbeaussage geeignet ist, den Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Anhaltspunkte dafür, dass die Fehlangaben der beklagten Partei, ihre Zeitung sei ein „ePaper“ im Sinne der ÖAK, nicht zur wesentlichen Beeinflussung eines durchschnittlichen Verbrauchers oder Inseratenkunden geeignet gewesen wären, sind nicht erkennbar (vgl 4 Ob 42/08t - W.-Klaviere). Es ist daher davon auszugehen, dass die Fehlangaben geeignet sind, die Auswahlentscheidung der Konsumenten oder Inseratenkunden zwischen den Medien der Streitteile in relevanter Weise zu beeinflussen (4 Ob 166/11g - Gratiszeitung E).
2.1 Wegen der Abweichung der angefochtenen Entscheidung von den in 4 Ob 132/10f aufgezeigten Grundsätzen zur Irreführungseignung des Vergleichs der (hier von der beklagten Partei korrekt wiedergegebenen) Druckauflagen von Zeitungen, die von der ÖAK einerseits als Kauf- und andererseits als Gratiszeitungen kategorisiert werden, ist dem Rechtsmittel hinsichtlich des zweiten Sicherungsbegehrens Folge zu geben.
2.2 Der erkennende Senat hielt in der Entscheidung 4 Ob 132/10f, der eine ähnliche Konstellation zugrunde lag, unter anderem fest:
2.1. [...] Unstrittig ist, dass die Beklagten die von der ÖAK ermittelten Druckauflagen der verglichenen Zeitungen richtig wiedergegeben haben. Ein Vergleich von Kauf- und Gratiszeitungen ist auch nicht grundsätzlich unzulässig (4 Ob 2066/96v = MR 1996, 160 - Kombinationsnachlass; RIS‑Justiz RS0104517). Vielmehr kann es sogar geboten sein, auch Gratiszeitungen in einen Vergleich aufzunehmen, wenn dieser den Eindruck erweckt, alle in einem bestimmten Gebiet erscheinenden Zeitungen zu erfassen (4 Ob 90/89 = MR 1990, 27 ‑ Das kleine Blatt); gegebenenfalls ist auf die Unvollständigkeit einer Reichweitenerhebung hinzuweisen (4 Ob 80/07d = MR 2007, 450 ‑ OÖ's erfolgreichste Wochenzeitung mwN).
2.2. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Vergleich im vorliegenden Fall deswegen irreführend ist, weil die Beklagten nicht darauf hingewiesen haben, dass die Zeitung der Erstbeklagten anders als die übrigen in den Vergleich einbezogenen Medien von der ÖAK als Gratiszeitung geführt wird. Dieses Argument greift allerdings jedenfalls zu kurz. Denn es ist nicht erkennbar, weshalb die Einordnung der Zeitungen in die Kategorien der ÖAK als solche für die geschäftliche Entscheidung der angesprochenen Kreise erheblich sein soll. Eine Information darüber wäre nur dann erforderlich, wenn diese Einordnung auf Gründen beruhte, die tatsächlich dazu führten, dass der Vergleich der Druckauflagen ungeachtet der Richtigkeit der dem Vergleich zugrunde liegenden Tatsachenbehauptungen (Auflagezahlen) einen irreführenden Eindruck erweckte. Dabei ist auf die konkreten Zeitungen abzustellen, also insbesondere auf die (Kauf-)Zeitungen der Klägerin und auf jene der Erstbeklagten, die allerdings nach allgemeinem Begriffsverständnis keine (reine) Gratis-, sondern eine Hybridzeitung ist (vgl dazu etwa die Kategorisierung durch den Verband österreichischer Zeitungen, www.voez.at/b200m30 ).
2.3. Diese Irreführungseignung könnte sich im konkreten Fall nur daraus ergeben, dass die Zeitung der Erstbeklagten bei gleicher Druckauflage eine deutlich geringere Leserzahl aufweist als typische Kaufzeitungen. Die Klägerin hat dazu zwar vorgebracht, dass bei Gratis‑ und Hybridzeitungen mit einem höheren Schwund als bei Kaufzeitungen zu rechnen sei; sie hat dafür aber keine Bescheinigungsmittel genannt. Auch die diesbezügliche Annahme des Rekursgerichts („... von einem hohen Schwund auszugehen ...“) ist durch keine konkrete Feststellung gedeckt. Allgemeinkundig ist dieser Umstand - und daraus folgend die geringere Leserzahl pro gedrucktem Exemplar - jedenfalls nicht.
2.3 Es besteht kein Anlass, von den Grundsätzen dieser Entscheidung abzugehen. Auch im hier zu prüfenden Fall wurde nicht bescheinigt, dass die Zeitung der beklagten Partei bei gleicher Druckauflage eine deutlich geringere Leserzahl aufweist als typische Kaufzeitungen. Damit fehlt es jedoch an der erforderlichen Irreführungseignung des vorgenommenen Vergleichs der Druckauflagen von Kauf- und Gratiszeitungen.
2.4 Die hier zu prüfende Werbung mit der Druckauflage unterscheidet sich von jener zuvor als irreführend qualifizierten Werbung zur „E-Paper-Auflage“, weil die Auflagenkategorien der ÖAK sowohl bei den Kaufzeitungen als auch bei den Gratiszeitungen einheitlich erhobene Druckauflagen auswiesen, während zur Zeitung der beklagten Partei keine Zählungen existieren, die jenen der „ePaper“ laut ÖAK entsprechen.
2.5 Von der beklagten Partei musste nicht darauf hingewiesen werden, dass die Druckauflage von der Verkaufsauflage abweicht (RIS‑Justiz RS0078700). Dieses Wissen kann bei den angesprochenen Verkehrskreisen vielmehr vorausgesetzt werden oder ist für sie nicht relevant (4 Ob 122/15t).
2.6 Der Hinweis des Rekursgerichts auf die geringere Bezieher-Blatt-Bindung bei Gratiszeitungen vermag die Irreführungseignung nicht zu begründen, weil in der Entscheidung 4 Ob 132/10f zu einer vergleichbaren Konstellation klargestellt wurde, dass sich die Irreführungseignung nur daraus ergeben kann, dass die beworbene Gratiszeitung bei gleicher Druckauflage eine deutlich geringere Leserzahl aufweist als typische Kaufzeitungen.
2.7 Insoweit zu 4 Ob 132/10f vertreten wurde, dass eine irreführende Geschäftspraktik auch dann vorliegt, wenn die Druckauflage als allein maßgebendes Kriterium für die Spitzenstellung dargestellt wird (ebenso 4 Ob 220/10x; 4 Ob 118/11y; 4 Ob 152/12z ‑ Druckauflage; 4 Ob 80/15s), ist für die klagende Partei daraus nichts gewonnen, weil dieser Aspekt bezüglich der hier inkriminierten Werbung von ihr ohnedies mit einer gesonderten Klage geltend gemacht und dem entsprechenden Sicherungsantrag bereits rechtskräftig stattgegeben wurde (siehe dazu 4 Ob 122/15t).
3. Der Revisionsrekurs ist daher im Umfang des zweiten Sicherungsbegehrens, nicht aber bezüglich des ersten Antrags berechtigt.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, für den Zuspruch an die beklagte Partei iVm §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat den Sicherungsantrag zur Hälfte abgewehrt; sie hat daher Anspruch auf die Hälfte ihrer im Sicherungsverfahren angefallenen Kosten (Äußerung, Rekurs und Revisionsrekurs), wobei geringfügige Rechenfehler zu korrigieren waren.
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